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Alltag im Reich Adolf Hitlers: Die Berliner Morgenpost berichtet am Mittwoch, 15. Juni 1938

Das Blatt titelte an diesem Tag: Der Neubau Berlins hat begonnen. Der Führer legte den Grundstein. Dass Albert Speer vorher jüdische Mitbürger „auf die Straße“ gesetzt und deren Wohnungen abgerissen hatte, wird wohlweislich verschwiegen. Dafür schreibt ein unbekannter Autor: Das Berlin Adolf Hitlers. Ein deutscher Schriftleiter, der ein Menschenleben lang in New York gelebt hat, sagte mir einmal: „In New York bauen wir lediglich für zwanzig Jahre. Nach zwanzig Jahren reißt man alles wieder ab und baut neu. Längere Zeiträume kennt man hier nicht!“ Der Führer hat gestern in seiner Rede, mit der er das Zeichen für den gigantischen Umbau der Reichshauptstadt gab, genau den gegenteiligen städtebaulichen Standpunkt zum Ausdruck gebracht.

MOPO 1938 Der Neubau Berlins hat begonnen. Foto: Archiv/RvAmeln

Er erklärte, dass das, was jetzt geschehe, nicht für das Jahr 1940 und auch nicht für das Jahr 1945, sondern für Jahrzehnte und Jahrhunderte berechnet sei. Aus diesem Denken, das nicht nur von der Sorge um die lebende Generation, sondern im Hinblick auf die kommenden Geschlechter und deren Entwicklungsmöglichkeiten geleitet wird, erklärt sich die Weite der Pläne und die Größe der Gedanken, die jetzt nach dem Baubeginn Wirklichkeit werden. Gewiss sind die Berliner städtebaulich nicht verwöhnt, und daher müssen sie sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass eine Zeit lang Lärm herrschen und Bauzäune auf der Straße stehen werden. Aber sie werden sich damit abfinden, denn hinter diesem vorübergehenden scheinbaren Wirrwar steht ein gewaltiger Plan, hinter dem Lärm unserer Tage steht das neue gigantische Gesicht eines Berlin, das wirklich wieder auch rein äußerlich würdig ist, Hauptstadt des Reiches genannt zu werden.

Wer nach Berlin kommt, ist immer wieder erstaunt über die Schönheit und Größe der Plätze, über die endlosen Weiten der großen Alleen und Avenuen, über die Tiefe des Blickes, die sich dem erstaunten Auge darbietet. Berlin hatte nur eine Straße aufzuweisen, die repräsentativ genannt werden konnte, die Straße Unter den Linden. Und nur hier war ein städtebaulicher Wille zum Ausdruck gekommen, hier hatte ein preußischer König seine Gedanken in steinernen Monumenten verewigen können. Seitdem hatte sich kein einheitlicher Wille mehr betätigt, seitdem herrschte die private Initiative, Willkür, der Zufall und, was schlimmer ist, die Profitsucht. Jeder konnte bauen, wie er wollte und wo er wollte, wenn er nur im Rahmen der ziemlich weitgehenden baupolizeilichen Bestimmungen blieb.

So erklären sich teils die hässlichen und engen Höfe, so erklären sich aber auch die Gipspracht und der marmorne Kitsch, die sich in der sogenannten Prachtstraße des Westens, dem Kurfürstendamm, hemmungslos ausbreiten konnten. Berlin wurde größer an Zahl der Menschen und an bebauten Quadratkilometern, aber es wurde städtebaulich immer formloser, es wurde zu einer großen Massenansammlung von Häusern, zu einem Chaos, wie es Dr. Gobbels gestern nannte. Dass inzwischen der Verkehr größer wurde, als man einst voraussehen konnte, dass die Straßen zu eng wurden, insbesondere für die wachsende Zahl der Automobile, das konnte man in den letzten Jahren nur noch mit einer gewissen Beängstigung feststellen.

MOPO 1938 Der Neubau Berlins-Artikel. Foto: Archiv/RvAmeln

Und wenn etwa Straßen gesperrt werden mussten, weil Bauarbeiten dies erforderten, so konnte in den Umleitungsstraßen oft nicht mehr von einem Fahren, sondern nur noch von einem Schleichen geredet werden. Es war daher ein großzügiger Entschluss notwendig, um diesem wachsenden Verkehrsbedürfnis nicht nur für die nächsten Jahre, sonder für viele Jahrzehnte zu entsprechen. Die Schaffung des Volkswagens wäre unmöglich gewesen ohne gleichzeitige gewaltige Ausbreitung des Straßennetzes. Die neuen U-Bahn- und Schnellbahnpläne, die Anlage des Nord- und Südbahnhofs dienen der Aufnahme dieses neuen gewaltigen Verkehrs. Daneben aber erhält Berlin nunmehr durch die Ost.-West. und Nord.-Südachse zum ersten Mal seit Friedrich Wilhelm I. wieder ein einheitliches städtebauliches Antlitz.

Die Gebäude, die an diesen Achsen liegen, werden nach einem einheitlichen Plan und Willen geformt und gestaltet, sie werden zum Ausdruck einer neuen Zeit und eines neuen Bauwillens. Auch hier zeigt sich, dass der Führer nicht für diese, sondern für die kommenden Generationen denkt. Diese neue Berlin, dessen Bau gestern mittag an sechzehn verschiedenen Stellen begonnen hat, wird mit dem Berlin der Gründerjahre nichts mehr zu tun haben. Es wird ein neues, eigenes Gesicht tragen, und es wird sich dann würdig einreihen können in die Reihe der großen städtebaulich hervorragenden Weltstädte, es wir neben Paris und London, neben Rom und Athen als die Hauptstadt des großen Deutschen Reiches bestehen, die ihr Gesicht erhielt nach dem Willen Adolf Hitlers.

Im Mai des Jahres 1945 lag das Reich des Jahrhundertmörders in Trümmern; – und das war gut so.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 17/08/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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