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Die Reichshauptstadt am 31. Januar 1939: Wie die Massen auf dem Wilhelmplatz die Führerrede und den Fackelzug erlebten

Das 12 Uhr Blatt berichtet an diesem Tage unter anderem: Ganz Berlin war auf den Beinen.

Der Wilhelmplatz ist schwarz von Menschen. Seit Stunden bereits stehen die Massen dicht gedrängt vor dem Gebäude der Reichskanzlei. Riesige Fahnen wehen von den Häusern, die den Wilhelmplatz begrenzen, herab. Fast gespensterhaft sieht es aus, wenn die von zahlreichen Scheinwerfern angestrahlten Flaggen ihre schwarzen Schatten gegen die helle Fassade der Reichskanzlei werfen. Längst ist in dem gewaltigen Menschenblock, der direkt vor dem Balkon der Reichskanzlei steht, kein freier Raum mehr, und schon suchen die Menschen auf dem noch freien hinteren Teil des Wilhelmplatzes nach einem Platz, von dem aus sie wenigstens noch den Balkon der Reichskanzlei in ihr Gesichtsfeld bekommen können, von dem aus der Führer vor Mitternacht den Fackelzug seiner Formationen abnehmen wird.

Hitler redet zu den Massen. Foto: US-Archiv

Vor der Front der absperrenden SS-Männer haben die Kamerawagen der Filmgesellschaften ihre Stellungen bezogen. Hinten, dicht zusammengedrängt, stehen die Menschen und sprechen erwartungsvoll von dem, was ihnen der Abend noch bringen wird, und nur, wenn aus den Lautsprechern die alten Kampflieder der SA ertönen oder wenn hin und wieder ein Wagen aus dem Propagandaministerium herauskommt und zur Reichskanzlei hinüber fährt, halten sie in ihren Gesprächen ein. Noch recken sich jedesmal die Köpfe, wenn eines der weiten Bronzetore der Reichskanzlei sich öffnet und ein Wagen das Haus verlässt. Aber noch ist es nicht soweit. Noch ist der ersehnte Augenblick, wo der Wagen des Führers von der jubelnden Menge begrüßt werden wird, nicht gekommen.

Kurz vor 20 Uhr ertönt plötzlich ein Trommelwirbel, der Führer verlässt die Reichskanzlei. Unbeschreiblicher Jubel des die Wilhelmstraße säumenden Menschenspaliers braust auf, und nur die auf dem Wilhelmplatz Stehenden sind enttäuscht, weil sie den Führer, der nicht wie sie erwartet hatten, aus dem Bronzetor der Neuen Reichskanzlei, sondern aus dem Hof des alten Gebäudes herausfuhr, nicht gesehen haben. Nur kurze Minuten dauert es, bis der Führer das auf der Strecke zur Kroll-Oper stehende Spalier der Zehntausende passiert hat, und noch kürzer ist die Zeit bis zu dem Augenblick, als die Stimme Hermann Görings aus den überall aufgestellten Lautsprechern ertönt. Immer dichter rücken die Menschenmassen zu den Lautsprechern heran, die Musik der Werkschar- und Betriebs-Kapellen, die an verschiedenen Stellen zwischen der Reichskanzlei und der Kroll-Oper Aufstellung genommen hatten, bricht plötzlich ab.

Die Menge, die eben noch mit unbeschreiblichem Jubel den Führer begrüßt hatte, ist mit einem Male stumm geworden. Jetzt spricht der Führer, und noch einmal erleben die deutschen Menschen in seiner Rede das Ringen und den schließlichen Sieg im Kampf um das Werden des Großdeutschen Reiches. 2 1/2 Stunden lang steht die Menge auf dem Wilhelmplatz und stehen die Zehntausende am Wege zur Kroll-Oper in atemloser Stille da, und nur wenn der Führer an den Höhepunkten seiner Rede vom Händeklatschen und von den Heilrufen der Reichstagsabgeordneten unterbrochen wird, als er von den Folgen eines durch das internationale Judentum herbeigeführten neuen Weltkrieges spricht, als er sich mit den politischen Kampfrednern in Deutschland auseinandersetzt und als er noch einmal die unbedingte Freundschaft zwischen Deutschland und Italien feststellt, nehmen die Menschen auf der Straße an den Beifallskundgebungen der großdeutschen Volksvertretung teil.

Wie ein Mann erheben sie am Schluss der Rede des Führers ihre Hand zum Gruß und singen die Nationalhymne mit. Aber als die historische Sitzung des Großdeutschen Reichstages am sechsten Jahrestag der nationalsozialistischen Erhebung ihr Ende erreicht hat und der Führer den Rückweg in die Reichskanzlei antritt, drängen die Massen wieder gegen die Sperrketten, um den Führer zu sehen und ihm Dank sagen zu können für das, was er ihnen in seiner großen Rede gesagt hat. Wieder gleicht der Weg von der Kroll-Oper zur Reichskanzlei einem einzigen Meer jubelnder Menschen. Kurz vor 1/2-12 Uhr betritt, von dem stürmischen Jubel der inzwischen den Wilhelmplatz bis auf das letzte Eckchen füllenden Menge begrüßt, der Führer mit seinem Gefolge den Balkon der Reichskanzlei.

Rechts und links von ihm stehen Rudolf Heß und Hermann Göring. Weiter sieht man die Reichsminister Dr. Goebbels, die Reichsleiter Lutze, Himmler, Ley, Hühnlein, den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generaloberst Keitel, den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Generaladmiral Raeder, den Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst von Brauchitsch, Reichsaußenminster von Ribbentrop. Kurze Zeit später naht die Spitze des Fackelzuges, der dann eine ganze Stunde lang die Wilhelmstraße am Führer vorbeizieht. Den Zug eröffnet das Musikkorps der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg. Dann folgt der Führer der Berlin-Brandenburger SA, Obergruppenführer von Jagow, gefolgt von den Führern der SA-Brigaden 29 und 30, Oberführer Prüske und Brigadeführer Schleich.

Die Spitze des dann folgenden Marschblocks bilden die SA-Brigaden 29 und 30, denen die Standarten und Fahnen und Brigaden voran getragen werden. Jeweils dreißig Meter vor dem Führer marschieren die SA-Männer im Paradeschritt und reißen die Fackeln in die Höhe. Nachdem die vierzig Mrschblocks der SA am Führer vorbeigezogen sind, schließt sich der Musikzug den Marschierenden an, und dann folgt unter Führung des Musikzuges ein Bataillon des SA-Regiments Feldherrnhalle, das unter Gewehr am Führer vorbeizieht. Es schließen sich an NSKK (Nationalsozialistische Kraftfahrer Korps, Anm.d.Verf.), Politische Leiter, Werkscharen, Technische Nothilfe, Arbeitsdienst und Luftschutz. Den Schluss des Fackelzuges bilden ein Bataillon der Leibstandarte Adolf Hitler. Immer wieder recken die Menschen die Hände zum deutschen Gruß in die Höhe, wenn die alten, zerschlissenen Fahnen der SA an ihnen vorbei getragen werden, immer wieder braust der Beifall über den nächtlichen Wilhelmplatz, wenn die Marschkolonnen im schneidigen Parademarsch am Führer vorbei defilieren.

Und dann, als der lange Zug sein Ende erreicht hat, ist es, als wenn ein Signal ertönt; mit einem Schlag durchbrechen die Massen die Absperrketten, drängen sich zum Balkon hin und jubeln dem Führer und seinen Getreuen zu. Eine Weile noch steht der Führer auf dem Balkon, grüßt zur Menge hinunter und wendet jedesmal sein Gesicht nach oben, wo in den oberen Stockwerken die Bauarbeiter aus den Fenstern lehnen. Gegen dreiviertel ein Uhr verlässt der Führer mit seiner Begleitung den Balkon, aber nicht lange bleibt er weg, donnernde Heilrufe, immer wiederkehrende Sprechchöre bewirken immer und immer wieder, dass der Führer noch einmal herauskommt und sich der Menge zeigt. Lange noch jubeln die Massen, und erst langsam leert sich der weite Platz.

Am 1. September 1939 war der große Jubel wohl schwächer geworden, und nach 1945 hat es weder Nazis gegeben, noch hatte die überwiegende Menge der deutschen Bevölkerung das sie über Jahre hinweg begleitende „Sieg Heil“ gebrüllt.

Dafür hat man, obgleich man es verdrängt hatte, eine untilgbare Schuld auf sich geladen, den Holocaust!

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 20/04/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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