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Aus der Geschichte der Luftfahrt: Frankreich und die Dassault-Dynastie

Die Frage nach dem wohl berühmtesten Kampfflugzeug Frankreichs würden viele Menschen ohne zu zögern mit „Dassault Mirage“ beantworten. In den 1950-er Jahren bewiesen die Mirage-Serien und ihre strahlgetriebenen Vorgänger der ganzen Welt deutlich, dass sich die französische Luftfahrzeug-Industrie von den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges völlig erholt hatte. Und dann markierten die einst hochmodernen Mirage 2000 und die Rafale den Weg zum 100. Jahrestag des „Luftfahrzeugs schwerer als Luft!“ Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass dieses Luftfahrtzeug-Unternehmen immer noch mit Stolz den Namen seines Gründers trägt, zu einer Zeit damals, in der die Namen zahlreicher Pioniere der Luftfahrt anonymen Firmengruppen zum Opfer fielen.

Serge Dassault 2009. (Wikipedia)

Dassault war einer der „großen alten Männer“ auf dem Gebiet der Luftfahrtechnik, der über seinen Tod im April des Jahres 1986 hinaus internationales Ansehen genoss. Sein Leben verlief jedoch unterschiedlich zu den anderen seines Ranges. Nur der beachtlichen Fähigkeit und dem ungeheuren Durchstehvermögen des Firmengründers in heiklen Situationen – weit entfernt von seinem Fach – verdankt Avions Marcel Dassault seine einst herausragende Stellung. Marcel Bloch wurde am 22. Februar 1892 als Sohn eines jüdischen Arztes in Paris geboren, nur wenige Schritte von dem berühmten Moulin Rouge entfernt. Die Begeisterung des Buben für die aufkommende Flugtechnik, seine Träume von Zeppelinen und Träumereien von anderen Flugapparaten beeinträchtigten zwar seine schulischen Leistungen, doch er schafft die Aufnahme an die neu eingerichtete Pariser Hochschule für Luftfahrt.

Kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges hatte er als einer der ersten Luftfahrt-Ingenieure sein Diplom in der Tasche. 1916 tat sich Bloch mit Henri Potez – dem späteren berühmten Flugzeugkonstrukteur – zusammen, um gemeinsam die „Societe d´Etudes Aeronautiques“ zu gründen. Ihr zweiter Entwurf, der SEA-4 Jäger, sicherte ihnen bereits einen Auftrag über eintausend Flugzeuge. Der erste dieser Jäger wurde am 11. November 1918 – genau zu Kriegsende – fertiggestellt. Danach ließ Bloch nur noch 115 Maschinen bauen. Er traf die weise Entscheidung, seine unternehmerischen Fähigkeiten auf die Möbelbranche zu verlagern, bis die Nachkriegsflaute für die Fliegerei vorüber wäre.

1930 lockte ihn eine Ausschreibung der französischen Regierung für ein Postflugzeug. Auf Druck der Regierung wurde sein bald florierendes Konstruktionsbüro im Jahre 1936 verstaatlicht und mit anderen Luftfahrtunternehmen zur „SNCASO“ oder „Sud-Quest“ zusammengefasst. Der Gründer blieb jedoch bis in das Jahr 1939 an der Spitze des Konzerns. Sein größter Erfolg in dieser Zeit dürfte das Jagdflugzeug „Bloch 152“ gewesen sein. Während der Luftschlacht um Frankreich erzielten die Bloch-152-Jäger 188 Abschüsse deutscher Kampfflugzeuge bei „nur“ 86 eigenen Verlusten. Dieses Ergebnis war allerdings nicht nur auf die glänzende Leistung des kleinen, kompakten Jägers zurückzuführen. Wie viele andere Konstruktionen von Bloch war auch die 152 ein äußerst solide gebautes Flugzeug, das seinen Piloten auch dann noch nach Hause bringen konnte, wenn es mit Einschüssen völlig durchlöchert war.

In mancher Beziehung spielte die 152 die Rolle der englischen Hurricane im Vergleich zur weitaus rassigeren Dewoitine 520 als der französischen Spitfire. Seine Weigerung, für die Nazis Flugzeuge zu konstruieren, brachte Block in das Konzentrationslager Buchenwald, wo zahlreiche seiner jüdischen Leidensgenossen ihr Leben ließen. Er selbst entkam dem Tod trotz Krankheit und drohender Erschießungskommandos und kehrte im Jahe 1945 nach Frankreich zurück. Körperlich total erschöpft, aber geistig ungebrochen, trommelte er die Kernmannschaft seiner Entwurfsabteilung aus der Vorkriegszeit wieder zusammen. Das in Bordeaux gegründete Luftfahrtzeugunternehmen firmierte unter neuem stolzen Namen. Marcels Bruder Paul, ein ehemaliger französischer Heeresgeneral, hatte während der Nazi-Besatzungszeit in der Widerstandsbewegung unter dem Decknamen „Char d´Assault“ – Kampfpanzer – gekämpft.

Daraus entstand der neue Firmenname Dassault. Ein zweimotoriges Tranportflugzeug, die MD.303, war das erste Produkt des neuen Unternehmens. Zur MD.311/312/315-Serie weiterentwickelt flog die Flamant als Transport- und Schulungsflugzeug bei der „Armee de l´Air bis in das Jahr 1985. Dassault wusset aber, dass die Zukunft der Militärfliegerei bei den Strahlflugzeugen lag. Während die verstaatlichte französische Flugzeug-Industrie die „British Vampire“ in Lizenz baute, arbeitete das Team um Dassault an einem eigenen, französischen Entwurf. Die Dassault MD.450 Quragan erhob sich am 28. Februar 1949 zum ersten Mal in die Luft. Man hatte sich offensichtlich an die Grundsätze solider Bauweise aus der Zeit vor dem Krieg gehalten und sich beim Entwurf mehr von der „Republic F-84 Thunderjet“ als von eigenen Vorstellungen leiten lassen.

Dassault Mirage. Foto: Archiv

Im Vergleich zu der damaligen „North American F-86 Sabre“ erschien die Quragan mit ihren ungepfeilten Tragflächen und dem übergroßen Seitenleitwerk wie ein Schritt zurück. Man muss aber bedenken, dass die amerikanische Flugzeugindustrie gerade im Zweiten Weltkrieg ununterbrochen tätig und extrem gefordert war, während die Franzosen in dieser Zeit allenfalls als „Subunternehmer“ für Nazi-deutsche Transport- und Schulungsflguzeuge auftraten. Frankreich befand sich in einer Lernphase, und mit der Quragan betrat man vorsichtig Neuland. Die französische Treibwerk-Technologie lag weit hinter dem Stand der Technik in den USA und England zurück.

Daher griff man für die Quragan zunächst auf fertige Rolls-Royce-Nene-Turbojet-Triebwerke zurück, die Hispano- Suiza später in Frankreich in Lizenz produzierte. Die Quragan erreichte in Meereshöhe 940km/h. Als Abfangjäger konnte sie vier intern eingebaute 20-mm-Kanonen einsetzen und als Jagdbomber 1.000 Kilogramm-Bomben oder Raketen mitführen. Nach drei Prototypen und 14 Versuchsmaschinen flog die erste serienmäßig gebaute Maschine vom Typ Quragan erstmals am 20. Dezember 1951. Die Auslieferungen der Maschinen begannen im November 1952. Im Juli 1953 wurde die „Escadron de Chasse 1/12“ – die erste Staffel des Jagdgeschwaders 12 – in Cambrai der erste Verband der französischen Luftstreitkräfte, der einen rein französischen Düsenjäger flog.

Die zweite Staffel („EC 2/12“) rüstete kurze Zeit später ebenfalls um. Das Jagdgeschwader 12 stellte ein Kunstflugteam auf, das zum Stolz der Nation das neue Kampfflugzeug vorführen und der ganzen Welt das Können französischer Flugzeugindustrie demonstrieren sollte. Das Geschwader 2 in Dijon und 4 in Bremgarten – Bundesrepublik Deutschland – rüsteten anschließend ebenfalls auf die Quragan um. Der Verband in Bremgarten führte die Kunstflugtradition fort. Leider war die Flugunfallrate in dieser ersten Phase der Düsenfliegerei sehr hoch. Es gab daher kaum einen, der die Ausmusterung dieses Typs bei den Einsatzverbänden zwischen 1955 und 1957 bedauert hätte.

Seine Anschlussverwendung als Trainingsmaschine dauerte jedoch noch bis in das Jahr 1960 an. Damit war aber die Geschichte der Quragan noch lange nicht beendet. Die neue unbändige Luftwaffe Indiens hatte ein Auge auf dieses Flugzeug geworfen. Sie bestellte 104 der 350 gebauten MD.450 Serienflugzeuge, die ab Oktober 1953 nach Indien exportiert wurden. Indien, das bislang seine militärische Ausrüstung ausschließlich in Großbritannien bezogen hatte, suchte neue Bezugsquellen und wandte sich Frankreich zu. Da Indien mit der Quragan sehr zufrieden war, bestellte es auch in späteren Jahren verschiedene Nachfolgemuster bei Dessault. Indien setzte die Quragan als Jagdbomber ein und übersetzte sogar den französischen Namen ins Hindustani: Toofani.

Für den Krieg gegen Pakistan im Jahre 1965 war die Toofani bereits zu alt: die letzten Maschinen wurden im Jahre 1967 ausgemustert. Bis dahin hatte die Quragan ihrem Hersteller schon große Genugtuung verschafft. Israel bestellte 24 Flugzeuge, deren Auslieferung durch das französische Außenministerium bewusst hinausgezögert wurde, bis Verteidigungsminister Pierre Koenig eingriff. Er erteilt im Oktober 1955 die Weisung, die israelischen Luftstreitkräfte direkt mit Maschinen aus den französischen Staffeln zu versorgen. Im April 1956 schoss eine Quragan eine ägyptische DH Vampire ab; zu Beginn des Suez-Krieges im Oktober desselben Jahres hatte die israelische Luftwaffe weitere sechs Maschinen übernommen.

Obgleich die Quragan während der kurzen Gefechte angeblich nur als Jagdbomber eingesetzt wurden, besiegten sie weitere Vampires und errangen sogar einen knappen Luftsieg gegen eine russische MIG-15. Sie zerstörten die meisten gepanzerten Fahrzeuge der Ägypter und schossen einen Zerstörer mit panzerbrechenden Raketen zusammen. Am Ende flogen israelische Piloten 70 Quragans, die auch im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eine kleinere Rolle spielten. Die letzten 18 Flugzeuge dieses Typs wurden 1975 an El Salvador verkauft. Getreu seiner Philosophie behutsamer Verbesserung gab Dassault dem Rumpf der Quragan Pfeilflächen und schuf so die erste Mystere-Serie.

Ab 23. Februar 1952 flogen 23 Erprobungsmaschinen, von denen das letzte nicht mehr mit einem englischen Triebwerk, sondern mit dem in Frankreich entwickelten SNECMA Atar ausgerüstet war. Die Leistung der Mystere im schallnahen Geschwindigkeitsbereich und die 30-mm-Zwillingskanone ließen die israelischen Luftstreitkräfte 1956 die Oberhand über die vielgerühmte MIG gewinnen. Als Teil der anglo-französischen Absprachen mit Israel wurden für den Präventivschlag gegen Ägypten zusätzlich 36 französische Mystere IVAs mit den Markierungen der IDF/AF – Israel Defense Force – mit dem blauen Davidstern nach Israel überführt. Diese Maschinen waren für die Luftverteidigung bestimmt.

Ihr Einsatz erübrigte sich aber angesichts der schnellen israelischen Erfolge im ägyptischen Luftraum. Im Sechs-Tage-Krieg 1967 bekämpften die Mysteres Erdziele mit bomben und Raketen. Den Höhe- und zugleich Endpunkt einer Entwicklungsreihe bildete die Super Mystere B2. Der Prototyp flog erstmals am 2. März 1955; einmal mehr verzeichnete Dassault einen denkwürdigen Erfolg: das erste französische Jagdflugzeug mit echter Überschallgeschwindigkeit. Mehr noch, es war sogar das erste überschallschnelle Kampfflugzeug, das serienmäßig in Europa gebaut wurde – ein überdeutlicher Hinweis, dass England die Führung auf dem Gebiet der Luftfahrzeugtechnik verloren hatte.

Die Super Mysteres setzten sich auch dadurch von anderen vergleichbaren Mustern ab, dass ihre zwei 30-mm-Kanonen oder 35 Luft-Luft-Raketen durch AIM-9B-Sidewinder-Luft-Luft-Raketen ergänzt wurden. Im November des Jahres 1958 begannen die Auslieferungen dieses Typs nach Israel, welche die MIG-19 abwehren sollten. 1967 waren sie allerdings schon auf leichte Erdkampfeinsätze zurückgestuft. Die französischen Super Mysteres wurden im September 1977 ausgemustert. Mit der aerodynamisch verfeinerten und mit einer Nachbrennerversion des Atar-Triebwerks ausgestatteten SMB2 hatte Dassault das hässliche Entlein Quragan in einen stolzen Schwan verwandelt. Doch bereits bei der Indienststellung der Super Mystere stellten sich weitaus höhere Geschwindigkeiten als Herausforderung, und die Luftstreitkräfte erhofften sich eine Allwetterfähigkeit ihrer Abfangjäger.

Marcel Dassaults technischer Verstand und seine Erfahrung sagten ihm, dass sich das Potential der Quragan/Mystere-Baureihe erschöpft hatte.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 23/02/2017. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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