Auf Seite neun teilt man der Leserschaft mit: Palästina für die jüdischen Einwanderer aus Österreich.
Tel Aviv, 27. Oktober (1938): In den nächsten Tagen wird die gesamte jüdische Bevölkerung in Erez Israel zur direkten Hilfeleistung für die einwanderer aus Österreich aufgerufen werden. Zwischen den beiden mit dieser Angelegenheit befaßten Verbänden, der Hitdachtuth Olej Austria und der Hitachduth Olej Germania ist eine Vereinbarung zustande gekommen, der auch die Zionistische Exekutive in Jerusalem zugestimmt hat. Die Aktion, die auf sechs Monate berechnet ist, wendet sich an alle Kreise des Jischuws, um brüderliche und produktive Unterstützung der meist ohne Mittel in das Land gekommenen Frauen und Männer aus Österreich. Die einfließenden Beträge werden den folgenden Zwecken gewidmet: 1. Jugendeinwanderung; 2. Soziale Fürsorge; 3. Konstruktive Hilfe; 4. Wirtschaftliche Einordnung. Als Treuhänder fungieren unter anderem Dr. Artur Ruppin, Herr Braude, Bürgermeister Israel Rokach und Dr. Aharon Barth. Dem Präsidium der Hitachduth Olej Austria sind aus den Kreisen der jüngsten Eingewanderten beigetreten: Dr. Oskar Grünbaum und Frau Dr. Henny Lichtenstein-Rappaport.
Dem Ex-Mufti soll das Handwerk gelegt werden
London, 1. November (Privat). Eine wesentlich andere Haltung der syrischen und libanesischen Behörden gegenüber den Vorgängen in Palästina ist durch die Abberufung des bisherigen französischen Oberkommissars im Libanon und in Syrien de Martel hervorgerufen worden. Der Abgang de Martels und seine Ersetzung durch durch Puaux, dem ehemaligen französischen Gesandten in Wien, einen hervorragenden Kenner des Orients, werden in London und auch in Ankara begrüßt. Die Wirkung dieser Maßnahme zeigt sich bereits. Die Verwaltungsbehörden in Syrien und im Libanon haben energische Schritte unternommen, um den Schmuggel von Waffen nach Palästina und den Übertritt von Banditen in dieses Land zu verhindern. Es verlautet ferner, daß den antibritischen Intrigen des gewesenen Mufti unter der Androhung seiner Ausweisung baldigst ein Ende gemacht wird.
Ermordung des Bürgermeisters von Tiberias
Jerusalem, 30. Oktober. Zaki Alhadiff, der jüdische Bürgermeister von Tiberias, wurde am 27. Oktober von Terroristen angeschossen und schwer verwundet. Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Der Hergang der Tat spielte sich folgendermaßen ab: Alhadiff verließ das Verwaltungsgebäude in Tiberias um die Mittagszeit. In diesem Augenblick schossen drei Männer auf ihn. Drei Kugeln trafen ihn in den Rücken. Alhadiff fiel gerade gegenüber dem Gebäude der Anlo-Palestine-Bank im Zentrum von Tiberias. Die Mörder entkamen. Ben Zvi, der Vorsitzende des Waad Leumi, der gerade in Tiberias war, um von dort in einem Imperial Airways-Flugzeug nach England zu fliegen, hörte die Schüsse fallen, als das Auto vorfuhr, um ihn nach dem Flugplatz zu bringen. Er ließ sich zum Attentatsort fahren, wo er den Bürgermeister schwer verwundet auffand. Er schaffte ihn ins Krankenhaus und begab sich dann zum Flughafen, wo er gerade noch rechtzeitig vor Abflug des Flugzeuges anlangte. Es wurde sofort ein Tages-Ausgehverbot in der Altstadt von Tiberias verkündet. Der berühmte Chirurg Dr. Markus flog in einem besonderen Flugzeug von Tel Aviv nach Tiberias, um Alhadiff zu operieren, doch blieb dem operativen Eingriff der Erfolg versagt. Tausende von Menschen aus dem ganzen Land waren heute beim Begräbnis Alhadiffs anwesend. In Tiberias herrschte völlige Arbeitsruhe. Am Grab sprachen I. Rokach für die Stadt Tel Aviv, Almaliah im Namen des Waad Leumi und Samuel Zimmermann für die Kolonien in Galiläa.
Am 25. Oktober abends wurde eine Gruppe jemenitischer Arbeiter auf dem Heimwege aus dem Hinterhalt überfallen. Der 25jährige Israel Tam, Sekretär der Jemeniter-Siedlung Tirath Schalom, wurde getötet.
Am 26. Oktober wurde Zelig Gammar, 25jährig, getötet und sein Gefährte verwundet, als sie in der Nachbarschaft von Rechowoth Motorrad fuhren und von arabischen Terroristen aus dem Hinterhalt beschossen wurden.
In den letzten zwölf Stunden wurden sechs Araber aus Dörfern von Terroristen in verschiedenen Teilen des Landes getötet und einer verwundet, während drei arabische Terroristen von Polizisten erschossen wurden.
Ausbildungsstätten der Wizo in Erez Israel:
Gartenbau-Unterricht in der Wizo Haushaltungsschule Nachlath Jizchak. Die erprobte Lehrerin Anna Lewin unterweist eine Schülerin in der Bekämpfung der Gemüseschädlinge.
Mädchenlehrfarm Ajanoth bei Ness Ziona, die von der Wizo und Moazath hopoaloth gemeinsam verwaltet wird. Auf dem Kamm des Hügels das „weiße Haus“, das Zentralverwaltungs- und Versammlungsgebäude der Farm. Links und rechts die Wohnhäuser für die 80 Schülerinnen. Im Vordergrund der Hühnerstall.
Auf der letzten Seite findet man die Abfahrtszeiten von Schiffen: Jeden Samstag nach New York. Nur eine komfortable Klasse. Gut, billig, bequem. Koschere Küche. Freitag Einschiffung.
Dies alles konnte man n o c h der jüdischen Leserschaft mitteilen, bevor die Nazis alle Türen schlossen und das Vernichtungsprogramm seinen Anfang nahm.
Von Rolf von Ameln
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