Prof. Dr. Carlo Strenger ist Psychoanalytiker und zumindest Judeo- und Israel-kritischer Jude. Seine Affinität zur links-aussen Politszene erhob ihn zum Liebling der Kolumnisten im linksliberalen israelischen Ha’aretz und der vermehrt Israel-kritischen rechtsliberalen Schweizer NZZ. Auch das durchaus rechts und antijüdisch angehauchte online Journal 21 publiziert immer wieder gerne seine Tiraden gegen die israelische Regierung.
In seiner NZZ Kolumne „Strengers Welt“ vom 14.12. mit dem Titel „Kampfjets statt Friedenstauben“ steht ein Satz, der mir lange nicht in den Kopf wollte.
„2016 war insofern für israelische Verhältnisse fast ein Luxusjahr, als es «nur» vereinzelte Raketen aus dem Gazastreifen und wenige Schusswechsel an der syrischen Grenze gab, was dazu führte, dass weder an der südlichen noch an der nördlichen Front ein neuer Krieg ausbrach.“
Die Ablaufzeit des Jahres 2016 ist bald erreicht, eine Verlängerung wird es nicht geben. Ich habe die meiste Zeit des Jahres in Israel verbracht und habe, um es ganz klar zu sagen, diesen Luxus nicht erlebt.
Gut, das was sich ab Herbst 2015 als 3. Intifada oder Messerintifada abzuzeichnen begann, hat irgendwann an Wucht verloren. Aber vorbei ist sie nicht. Die Terrorattacken sind weniger geworden. Als wollten die Palästinenser, dass wir sie nicht ad acta legen, flammt sie hier und da doch wieder auf. Luxus?
Da waren die verheerenden Brände vor wenigen Wochen. Es grenzt an ein Wunder, dass keine Menschen ihr Leben verloren. Aber allein in unserem Ort, in Zichron, sind 30 Häuser nicht mehr bewohnbar. In Haifa musste ein Viertel der Bewohner evakuiert werden. Ich war in meinem Bericht zu optimistisch, der Grossteil der Brände erwies sich als Brandstiftung. Luxus?
Die Morde an unschuldigen Menschen, die nichts getan haben. Die nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren und dort ihrem Mörder begegneten. Die Mörder waren Araber und Juden, Erwachsene, Kinder, Jugendliche. Sie alle sind Teil der israelischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die hier versagt hat. Luxus?
Familien, denen es auch in diesem Jahr nicht gelang, sich aus der Armut zu befreien und die auf die Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft angewiesen sind. Kinder, die morgens aus dem Haus gehen, ohne dass sie ein Frühstück bekamen. Luxus?
Ja, es stimmt, es gab vergleichsweise wenige Angriffe an den Grenzen. Insofern kann man von einer relativen Ruhe sprechen. Wenn aber, wie gerade gestern in den Medien stand, Hamas Zellen ausgehoben wurden, die zahlreiche Selbstmordattentate in Jerusalem und Haifa planten, so trägt das nicht gerade zu einem Gefühl der Sicherheit bei. Luxus?
Gestern wurden Bilder am Fernsehen ausgestrahlt wie Soldaten, ausgestattet mit Schutzkleidung gegen Angriffe mit chemischen und biologischen Waffen eine gross angelegte Übung durchführen, die sicher schon seit langer Hand geplant war. Luxus?
Ist das Luxus? Selbst wenn ich die Anführungszeichen in Strengers Text das Wort „nur“ mitdenke, so so sehe ich andere Tatsachen.
Luxus ist, folgt man der Bedürfnispyramide von Maslow, die oberste der fünf von ihm definierten Bedürfnisebenen. Sie kann nur dann erreicht werden, wenn alle darunter liegenden Stufen in optimalem Umfang abgedeckt sind. Kommt es zu Störungen in den Ebenen, sei es durch innere oder äussere Einflüsse, fällt der Mensch auf jene Stufe zurück, in der die Störung vorliegt.
Wenn Professor Dr. Carlo Strenger für Israel ein Luxusjahr herbeiredet und dies „nur“ an der relativen Ruhe im Norden und Süden festmacht, so ist das zynisch und reduziert den Luxus in Israel auf die zweite Ebene der Bedürfnisse: der Sicherheitsbedürfnisse.
Mehr gesteht er seiner Wahlheimat, die er leidenschaftlich ablehnt, nicht zu.
Von Esther Scheiner
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