Im Jahr 2002 stand ich zum ersten Mal vor den Jüdischen Portraits der Herlinde Koelbl in Stuttgart. In der vhs-photogalerie waren die großen, sehr großen schwarz-weißen Fotos mit Portraits von Überlebenden des Holocaust ausgestellt, eine ästhetische, exzellente Fotografie. Jahre später lernte ich eine der Portraitierten per Telefon und Mail kennen; sie war in Czernowitz geboren worden. Mein Interesse an Czernowitz wurde beflügelt. Weitere Jahre vergingen und die Portraits zeigte der Martin Gropius Bau in Berlin, ich glaube es war im Jahr 2009, „Das deutsche Wohnzimmer“, der Bildband, schlug ein. Gewagt war es, das Thema, doch die Sicht perfekt. Andere Bildbände mit eigenwilligen Themen folgten.
Unermüdlich ist Herlinde Koelbl in der Welt unterwegs um Menschen, Taten, Reflexe, unterschiedliche Ethnien, Religionen oder Geschlechter zu suchen, Menschen, die verbinden, etwas zeigen und zum Ausdruck bringen. Man sieht es der Gestik und den Gesichtern auf ihren Fotografien an.
Seine Exzellenz der ehemalige Botschafter Israels in Berlin Shimon Stein und seine Gattin setzen sich bescheiden in die seitliche Reihe.
„Faces of Jerusalem“ ist die Ausstellung, die gerade eröffnet wurde, die nur bis zum 16. Dezember 2016 im Max Liebermann Haus in Berlin neben dem Brandenburger Tor zu sehen ist. Ein besonderer Ausstellungsort ist gewiss das Haus Max Liebermanns, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1935 bewohnte. In einer Zeit, als die Nazis bereits grölend durch das Brandenburger Tor zogen und von Max Liebermann der prägnante Ausdruck blieb: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte“. Seine Frau Martha wurde des Hauses verwiesen und nahm sich kurz vor ihrer Deportation 1943 das Leben. In anderen, schöneren Zeiten, einhundert Jahre früher, im Jahr 1844, entwarf der Schinkel Schüler Friedrich August Stüler das Haus. Max Liebermanns Vater kaufte es und 1892 zog Max Liebermann mit Frau Martha und Tochter Käthe in den 2. Stock „Am Pariser Platz Nr. 7“. Nobel waren die Nachbarn, die Französische Botschaft lag und liegt fast nebenan. Im 2. Weltkrieg 1943 fiel das berühmte Haus in Schutt und Asche. Rekonstruiert wurde es nach dem Fall der Mauer vom Berliner Architekten Josef Paul Kleihues, doch sehr verfremdet außen und innen.
Zurück zu Herlinde Koelbl, der berühmten zeitgenössischen Fotografin, Filmdokumentarin und Künstlerin mit dem kulturgeschichtlichen Wissen und dem sehr geschulten beobachtenden Blick.
Mit der Fotografin durch die Stadt Jerusalem zu gehen, durch die alte, eher uralte Stadt der verschiedenen Weltreligionen ist kein touristisches Erleben. Es ist etwas Besonderes, ihre Fotos sowieso.
Die Lobesreden hielten Dr. Pascal Decker von der Stiftung Brandenburger Tor, die heute im Liebermann Haus residiert und Staatssekretärin Sigrid Klebba, die in Vertretung von Michael Müller, dem Regierendenden Bürgermeisters von Berlin, wunderbare Worte fand.
Koelbl und Liebermann sind geduldige Portraitisten, beide sind gute Beobachter, beeindruckend sind die Fotos der Künstlerin, das Wort berührend fiel. Die Jerusalem Foundation feiert fünfzig Jahre Existenz und Arbeit, und feiert sich mit der wunderbaren Ausstellung von Herlinde Koelbl. Teddy Kollek, der damalige Bürgermeister von Jerusalem, war 1966 der Gründungsinitiator der Foundation.
Professor Dr. Peter Raue gehört zum Fanclub der Koelbl, erzählt er uns, ließ sich für ein Buch von der Fotokünstlerin vor vielen Jahren nackend ablichten. Rechtsanwalt und Kunstsammler ist Peter Raue, ein Freund der Künste und Förderer, wie jedermann weiß. Peter-Klaus Schuster, der frühere Generaldirektor der Staatlichen Museen von Berlin schneit herein mit übergroßem leuchtend rotem Schal über die Schulter geworfen. Peter Raue empfängt den zu spät Kommenden witzig und amüsant. Die Fotos von Koelbl seien die Summe von Augenblicken, eine ganz große Künstlerin sei sie und „story behind story“ sei ihre Größe, eine Unikatstellung hat sie mit ihren Fotos, meint der Anwalt und Kunstkenner.
Herlinde Koelbl hat spät ihr Handwerk gelernt, kennt sich aus. Einen anderen Blick auf Israel möchte sie zeigen, 1987 begann sie die Portraits zu fotografieren und das Erzählte der Zeitzeugen aufzunehmen. Während der Intifada 1987 war sie in Israel und fotografierte. Nie mehr wollte sie so etwas fotografieren, wollte keine Kriegsreporterin sein, das Erlebnis war für sie schrecklich. Lang ist die Beziehung zu Israel, Enge und Beziehung zu den Menschen und zum Land baute sie auf, nicht nur die Fotografien sind ihr
wichtig, auch die dazugehörigen Geschichten, die Fragen und Antworten der Menschen. Spannungen sind in dem Land überall zu spüren, gemischte Nachbarschaften mit privaten Initiativen bringen die Araber und Juden näher. Frauen und Mütter haben die Schlüsselrolle, Kinder müssen Respekt und Vertrauen dem anderen gegenüber lernen, das sind Grundsteine des Zusammenlebens, gemischte Ehen müssen Spannungen aushalten, Sport und Musik sind Bindeglieder. Angst besteht auf Seiten der Araber und auf Seiten der Juden, hat Herlinde Koelbl erfahren. Politik und Religion wird oft am gemeinsamen Arbeitsplatz und in Kindergärten ausgeklammert.
In Zusammenarbeit mit der Jerusalem Foundation entstanden die „ökosozialen“ Fotos über Freundschaft, der zwischenmenschlichen Beziehungen und mehr, wie schon gesagt „story behind story“.
Fahren Sie nach Berlin, erleben sie den Pariser Platz, dem ehemaligen Wohnzimmer Berlins. Die Ausstellung ist nur bis zum 16. Dezember 2016 zu sehen. Wie gesagt, im Max Liebermann Haus neben dem Brandenburger Tor. Max Liebermann erklärte dem Besucher: „Wenn „Se“ nach Berlin reinkommen, gleich links!“
Fotos und Text von Christel Wollmann-Fiedler
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