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Die „Freie Deutsche Jugend“ schreibt in der Juni-Juli-Ausgabe 1937: Die Jugend im Arbeitsdienst

Aus dem Pariser Exil berichtet das „Diskussionsblatt für eine freie deutsche Jugendbewegung:

Der Arbeitsdienst, den die ganze männliche Jugend ein halbes Jahr ableisten muß, wird von den Nationalsozialisten als „Dienst am Volk“, als „ein Stück verwirklichter Sozialismus“ bezeichnet. In Wirklichkeit ist der Arbeitsdienst nichts anderes als ein wichtiger Teil der Kriegserziehung der deutschen Jugend, die der unmittelbaren Vorbereitung auf den Dienst im Heere dient. Bei den täglichen militärischen Uebungen und im sogenannten staatspolitischen Unterricht versucht man der Jugend das Rückgrat zu brechen, sie zur willenlosen Masse zu erziehen, die beim Eintritt ins Heer bereits daran gewöhnt ist, keine eigene Meinung zu haben und ohne Ueberlegung widerspruchslos alle Befehle auszuführen.

der-reichsarbeitsdienstAußerdem stellt der Arbeitsdienst billige Arbeitskräfte, die heute vorwiegend für den Bau von Festungsanlagen und kriegswichtigen Straßen eingesetzt werden. Der „Dienst am Volk“ beginnt damit, daß der 18jährige Jugendliche nach Beendigung der Lehrjahre, wo er endlich einmal die Gelegenheit hatte, als Geselle etwas mehr Geld zu verdienen, aus dem Berufsleben herausgerissen wird und erst 2 1/2 Jahre später nach Beendigung der anschließenden zweijährigen Militärdienstpflicht die Möglichkeit hat, in ein normales Berufsleben zurückzukehren.

Wie das im Arbeitsdienst „verwirklichte Stück Sozialismus“ aussieht, zeigen Dutzende von Briefen der Arbeitsdienstler, aus den verschiedensten Teilen des Reiches: Der einfache Arbeitsdienstler erhält pro Tag 25 Pfennig für eine 8 – 10stündige schwere Erdarbeit, zu der noch einige Stunden militärischer Uebungen und staatspolitischer Unterricht kommen. Und selbst davon wird noch der DAF-Betrag („Deutsche-Arbeits-Front“, Anm.d.Verf.), für Spenden usw. abgezogen und von dem Rest müssen Seife, Zahnpasta, Stiefelfett usw. gekauft werden. Dagegen erhalten die Truppführer 150 Mk., die Obertruppführer 320 Mk. und die Lagerkommandeure sogar 600 Mk. im Monat.

Trotz der körperlich schweren Arbeit gibt es eine unzureichende und vor allem kraftlose Verpflegung, über die allgemein geklagt wird. „Für zwei Tage bekommen wir 1/4 Pfund Margarine und 1/4 Pfund Wurst. Statt Margarine gibt es in letzter Zeit oft Marmelade, Fleisch gibt es überhaupt nur Sonntag. Der Lagerleiter hat uns einmal einen großen Vortrag über das ungesunde Fleischessen gehalten. Die Essensreste werden die ganze Woche über gesammelt und dann gibt es Sonnabend Labschau, ein zusammengemischtes Essen aus allen Resten der Woche“. Die von den Nazis propagierte „Erziehung zur Anspruchslosigkeit“ und zum „Verzicht auf die gewohnte Bequemlichkeit“ bringt schwere gesundheitliche Schäden für die Arbeitsdienstler.

So schreibt ein Arbeitsdienstler: „Das Lager ist für 230 Mann eingerichtet, aber die Baracken sind dauernd überfüllt, oft bis zu 260 Mann. Die Waschgelegenheiten sind außerordentlich schlecht. Auch bei schlechtem Wetter können wir uns nur im Freien waschen. Das Klosett besteht nur aus einem Bretterzaun und einem einfachen Balken dahinter. Im Durchschnitt liegen immer 30 Mann krank, die Krankenbaracke wird niemals leer. Zum Teil kommt das auch von der schlechten Bekleidung. Unsere Stiefel haben alle große Löcher und damit müssen wir in den Wassergraben steigen.“

Zu diesem „Stück Sozialismus“ kommt noch der Drill, wohl die menschenunwürdigste Seite des sogenannten Arbeitsdienstes: „Die Rohheit und Niedertracht unserer Vorgesetzten, die sich in unglaublichen Schikanen äußert, sind kaum wiederzugeben. Hier nur ein Beispiel: Vor kurzem kamen wir von anstrengender Arbeit, um nach dem Lager zurückzukehren. Die Arbeitsstelle befindet sich mehrere Kilometer vom Lager entfernt. Unterwegs bekamen wir Durst, durften aber nicht trinken. Da viele Kameraden schlapp zu machen drohten, wurde kurzerhand befohlen, zu singen. Infolge der Ueberanstrengung und der ausgedörrten Kehlen fiel jedoch der Gesang kläglich aus und verstummte bald ganz.

Bei einem der nächsten größeren Gehöfte ließ uns unser Vorgesetzter plötzlich halt machen und mehrere Eimer Wasser herbeischaffen. Wir mußten nun Frontaufstellung zu den Wassereimern nehmen und unser Führer forderte uns auf, gut acht zu geben, wie getrunken wird. Als er seinen Durst gelöscht hatte, stieß er die Wassereimer mit dem Fuß um und brüllte dabei: `Euch Schweinen werde ich das Singen beibringen´. Er ließ uns dann, ohne daß wir trinken konnten, zum Lager marschieren“. In zwei anderen Briefen heißt es: „Wir bekommen jeden Tag ein Quantum Arbeit zugeteilt und müssen es schaffen, eher kommen wir nicht weg. Einmal hat ein Kamerad sein Arbeitspensum nicht geschafft. Er mußte deshalb die 15 Kilometer, die wir sonst mit dem Rad fahren, zu Fuß zurücklaufen. Man hatte ihm nämlich zur Strafe für sein langsames Arbeiten das Rad weggenommen. Nach der Arbeit ist noch ungefähr zwei Stunden militärische Ausbildung. Der Drill ist sehr schlimm. Ich habe nie gedacht, daß solche Schikanen möglich sind.“

„Strafen werden sehr oft verhängt und wegen jeder Kleinigkeit. Zum Beispiel bekommen als Strafe die betreffenden Kameraden morgens kein Frühstück. Wenn zu wenig gearbeitet wurde, gibt es keinen Urlaub. Wenn einer sein Bett nicht vorschriftsmäßig gemacht hat, wird er die Nacht über jede zwei Stunden geweckt und muß sein Bett vorschriftsmäßig machen. Dann muß er sich anziehen und Meldung machen. Dann darf er sich wieder ausziehen und ins Bett gehen und wird die nächste Stunde wieder geweckt und das Theater geht von vorne los!“

Diese Stimmen, die man beliebig vermehren könnte, besagen genügend, was es mit dem von den Nazis verkündeten neuen „Arbeitsethos“ im Arbeitsdienst auf sich hat. Und wie sieht es mit den sogenannten „sittlichen Werten“, die der Arbeitsdienst angeblich den jungen Menschen vermitteln soll? Zitieren wir einen Brief von zwei Kameraden eines Lagers bei Berlin: „ebenso werden alle Kameraden dienstlich zum Diebstahl angehalten. Das Stehlen von Bestecken, Gläsern usw. aus Restaurants ist nicht etwa was Ehrenrühriges, sondern wird als eine verdienstvolle Handlung bewerte. Fast den ganzen Lattenzaun um unser Lager mußten wir auf Neubauten der Umgebung zusammenstehlen. Die Bevölkerung sieht diesem Treiben mit ohnmächtiger Wut zu.“ Wenn der Arbeitsdienstler diese „Schule der Nation“ durchgemacht hat, dann ist seine Aussicht auf eine Arbeitsstelle im Betrieb (soweit er nicht direkt zum Militärdienst einrücken muß) auch nur sehr gering. Die Führer des „Arbeitsdank“ (Organisation ehemaliger Arbeitsdienstler) mußten erklären, daß sie den entlassenen Arbeitsdienstlern keinen Arbeitsplatz sichern können. 50 Prozent der Mitglieder des „Arbeitsdank“ sind heute noch ohne Arbeit.

Das Blatt beschrieb eigentlich treffend, dass die männliche Jugend so gedrillt wurde, um ohne jegliche Zweifel an dem von Hitler vorbereiteten Krieg, der zwei Jahre später beginnen sollte, den Befehlen zu gehorchen. So konnte das Unheil seinen Lauf nehmen.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 30/11/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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