In dem Nazi-Blatt „Der SA-Mann“ findet man in der Ausgabe vom 30. Januar einen interessanten Beitrag aus dem Alltag dieser Zeit mit dem Titel: Schnittmuster der „Dichtung“:
Es ist manchmal peinlich, die geistigen Produkte eines Mitmenschen unter die Lupe nehmen zu müssen, denn all diese „schöpferisch“ tätigen Zeitgenossen haben sich durch soundsoviel Gliederungen der Partei geschützt und getarnt, weil sie sich da zum Sprecher ihrer Organisation aufwerfen können. Leider ist bei all diesen Bemühungen nur zu schnell der eifrige Geschäftsmann zu erkennen. Die Dichter, die aus der Kraft ihres Herzens und ihrer Seele mit brüderlicher Stimme zu den staunenden Volksgenossen sprechen, schielen allzu scharf nach dem Geldbeutel ihrer Zuhörer und „gläubigen Anhänger“. Mit diesem Elan sondergleichen haben diese Leute bei der nationalsozialistischen Revolution sich umgestellt, den Anschluß gesucht – und verpaßt. Wie hätten sonst die üppigen Machenschaften in der sogenannten „Schollenlyrik“ gedeihen können, in der der Bauer bei jedem dritten oder vierten Satz von Blut und boden faselt. Oder schlimmer noch, sie errichten Opfersteine für Wotan und Baldur, sind grundsätzlich nur blond und nur blau – oder haben zum mindesten einen solchen „blau-blonden Dichtung“ bringt Arthur Jaenicke in seinem Roman „Marienhof“. Da sitzen die Bauern beim Erntekrug. Die Musik spielt auf und läßt das harte Bauernherz weich werden. Verse werden in ihm wach, „formen sich, gewinnen Leben…
Versonnener Sommer Gottes, Lodernächte im Blut, nehme ich des Himmels ungestümes Blau, furchtsames Lila, weiß und braun – Bauernknechte, Madonnen, Säufer, Heilige, süße, nackte Frau…
und weiter: Hab ich um dich noch nicht genug gelitten? Nun stehst du stumm in blonder Angst vor mir!“ und so schön ist sie: „Jetzt löst sie die Flechten, denkt Gottfried, schmal, blond mit singendem Munde geht sie zu Bett..Blühblonde, hezeinfältige Tochter Gottes!“
Die „braun angehauchte“ Dichtung scheint aber nicht nur bei Romanen im Schwange zu sein. Lesen Sie das nachfolgende Liebeslied eines „Hitlermägdeleins“, das die HJ (Hitlerjugend, Anm.d.Verf.) in ihrem satirischen Funkspiel „Plüsch und Co.“ wiedergab:
Schon viel hab ich gesehen
Von Schönheit allerwärts.
Doch jetzt, ich muß gestehen,
Brennt lichterloh mein Herz.
Jetzt reitet es Attacke
und kann nicht ruhig sein,
denn es liebt in brauner Jacke
ein Hitlermägdelein!
Ein Hitlermägdelein
Mit Edelweiß am Mieder
tritt so ein Mädel an.
Die schönen schlanken Glieder
zieh´n jedes Herz in Bann.
Auch meins macht ticketacke,
weiß weder aus noch ein,
denn es liebt in brauner Jacke
ein Hitlermägdelein.
Ein Hitlermägdelein.
Nun hab´ ich mir errungen
solch frische deutsche Maid
und halt sie fest umschlungen
für alle Ewigkeit.
Mein Herz ganz fest ich packe
und bitt´ den Herrgott mein.
Schütz da in brauner Jacke
mein Hitlermägdelein—
Die Zeitschrift „Der Boxsport“ weist auf ein Lied hin, das in den Klubs mehr gesungen werden müßte:
Als die goldne Abendsonne
sandte ihren letzten Schein,
zogen einst zwei junge Boxer
in ein kleines Städtchen ein.
In den Dorfe wohnt ein Bauer,
so ganz allein –
und die beiden jungen Boxer
kehrten bei dem Bauern ein.
Beide verlieben sich in die Tochter des Bauern, als es aber zu einer Entscheidung kommt, kehrt der eine um und und bleibt bei seinen Boxern.
Und da sprach der erste:
Liebes Mädchen du,
schenk mir deine junge Liebe
und ´n paar Boxhandschuh!
Und da sprach der zweite:
Ach die dumme Liebelei.
Pfeifet alle auf die Weiber,
bleibet eurem Boxsport treu!
Wenn es uns auch gleich ist, was junge Boxer mit den Bauerntöchter vorhaben, unverfroren erscheint uns die Umdichtung eines alten Kampfliedes in einer derartigen Form. Wer aber guten, echten Kitsch sucht, wende sich schleunigst an die Verlagsbuchhandlung Danner in Mülhausen und lasse sich einen Katalog für Fest- und Feiergestaltung schicken. Danner ist Geschäftsmann, er sorgt für alle Gliederungen der Partei, denn wie sollte es möglich sein, daß etwa die HJ eine gleiche oder ähnliche Feier wie die SS. oder SA. gestaltet, oder der BDM, wie die Jungmädel und das Jungvolk wie die HJ und wieder umgekehrt. Entsetzlich diese Vorstellung! Für jede Formation liegt ein Schnittmuster der Dichtung bereit, auch der ausgefallendste Wunsch – wie zum Beispiel der „Weihnachtsmann beim BDM“. Wem lacht da nicht das Herz, wenn er den Weihnachtsmann mit den Zwergen hört:
Wohin ich komme im deutschen Land, wird mir der Name Hitler genannt.
1. Zwerg (mit froher Bewegung, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen): Ein Adolf Hitler kommt mir in den Sinn, wohnt vor dreißig Jahren in Braunau am Inn.
2. Zwerg: Nach Passau kamen die Eltern dann und siedelten sich dann in Halfeld an.
3. Zwerg: In Halfeld mußt´ er zur Schule wandern, wo wir als Chorschüler ihn sahen unter anderem.
2. Zwerg: In Linz besucht´ er die hohe Schule d´rauf, in Leonding schlugen sie die Heimat auf.
1. Zwerg: Dort starb der Vater, dann die Mutter ihm, der junge Adolf zog nach Wien. ein frischer, fleiß´ger Junge! Doch ist´s gleich, der kann´s nicht sein, es war in Österreich!
Mädel: Doch, doch, der ist´s. Er führt mit starker Hand das Zepter jetzt im deutschen Land usw…
Der Luftschutzhauswart wird selbstverständlich das Spiel von Robert Drasdo „Luftschutz tut not“ vorziehen und mit dem Brandwart deklamieren:
Man kann mich nicht entbehren, ich bin gar sehr vonnöten. Ich muß den Flammen wehren, den Brand im Keime töten. Wenn die Sirenen schreien und Bombenflieger künden, bin ich auf meinem Platz im Augenblick zu finden. Ich stehe im Verschlagen, den dicke Bohlen schützen, und achte, ob ein Brenner sich will im Haus verspritzen.
Und kommt aus Himmelshöhen ein Bombenei mit Krachen, so werd´ ich kurz und bündig schon meine Sachen machen.
Womit keine Rückschlüsse auf die körperliche und geistige Verfassung des Mannes erlaub seien. Zum Schluß fügen wir ein Kapitel der Entgleisung an, das um so trauriger ist, weil hier ein Erfolg mit Überschwang vernichtet wird. Vpr kurzer Zeit brachte Hermann Grauerholz sein „Frauenwerk“ zur Uraufführung. Nach dem schönen Erfolg seines Spiels „Deutcher hilf“ war die Enttäuschung umso schmerzlicher, als wir folgende Verse hören mußten:
Drüben in der Heide, eine Wohnbaracke
Richt so wundervoll nach Holz und Teer.
In der Holzbaracke, da hängt meine Hacke.
Denn ich bin vom deutschen Arbeitsmädelheer.
Meine Holzbaracke trägt ein Teerpappdach.
Rote Georginen stehen darum her.
Meine Kameradin singt mich morgens wach.
Die ist auch vom deutschen Arbeitsmädelheer.
Vor der Holzbaracke drüben in der Heide
Schneiden wir den Dornbusch kreuz und quer.
Wenn wir die Büsche schneiden, singen wir zwei beiden.
Denn wir sind vom deutschen Arbeitsmädelheer.
Oder wenn die Frau des Siedlers die Worte sagen muß:
Drüben in der Heide liegt mein Siedlungsplan.
Mein Mann und ich, wir beide, wir greifen ihn nun an.
Vom roten Sonnenaufgang bis in die Nacht hinein
Will ich der deutschen Erde wieder verbunden sein.
Erinnert das nicht an die vorhergehenden Proben? Wenn die Arbeit der Siedler nicht so hart wäre, könnte man darüber lachen, so können wir nur bedauern, einen Mann wie Grauerholz rügen zu müssen, und hoffen, daß er bald wieder den richtigen Ton findet, den wir übrigens allen kommenden und vergangenen „Dichtern“ wünschen.
Liest man in heutigen Tagen die alten Zeitungen und Zeitschriften, so kann man nicht nachvollziehen, dass so viele Deutsche diesen Rattenfängern zugehört bzw. deren Blätter für bare Münze genommen haben.
Von Rolf von Ameln
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