In der Ausgabe von Dienstag, den 25. Januar 1935 befasst sich das Blatt mit der „Kosmetik im Dienste der Schönheit“ und titelt weiter: Körperpflege ist kein Luxus.
Das ist leichter gesagt als getan. Es ist schon recht anstrengend, immer schön auszusehen, und zur vollkommenen Schönheit gehört beinahe ein asketischer Lebenswandel mit dem Verzicht auf die kleinen netten Genüsse des Lebens wie das gute Schnitzel, der wunderbare Kaffee oder die unentbehrliche Zigarette und natürlich alle unsoliden Bummeleien mit alkoholischen Entgleisungen, die nun einmal bei einem Cocktail, der so leicht die Kehle herunterrinnt, schon mal vorkommen können. Aber schließlich wollen wir ja nicht den Filmdiven Konkurrenz machen, sondern nur ein bißchen gepflegt und auch – warum sollen wir es nicht ruhig zugeben? – so schön wie möglich aussehen. Denn der Verzicht auf jeglichen Ehrgeiz in dieser Beziehung kann man sich eigentlich nur leisten, wenn man über ungeheure Qualitäten, ein überzogenes Maß an Geist oder viel Weltverachtung verfügt und eine solche Ansammlung von vortrefflichen Eigenschaften pflegt, die sich so meistens erst mit zunehmendem Alter einstellen, wie die völlige Gleichgültigkeit dem äußeren Menschen gegenüber nicht mehr viel Schaden anrichten kann.
Bis dahin aber tut man gut daran, ihn ab und zu mal einer genauen Kontrolle und kritischen Prüfung zu unterziehen, denn die lieben Nächsten sind nun einmal so veranlagt, daß sie zuerst nicht unsere liebwerten Tugenden entdecken, sondern vielmehr unsere Sommersprossen, Pickel und ungepflegte Haut und dann nützen uns unsere sonstigen Vorzüge gar nichts, wir machen einen unerfreulichen Eindruck, denn man folgert nun nicht unrichtig: Es können nicht alle schön sein, wohl aber gepflegt! Körperpflege ist heute kein Luxus mehr, sondern eine Forderung der Zeit, die die Jugend als Parole auf ihre Fahnen geschrieben hat, und eine Notwendigkeit für die moderne Frau. Immer aber wird man so jung sein, wie man aussieht, das ist eine alte Binsenweisheit, und ich stehe nicht an, zu behaupten, es gibt an und für sich gar keine ausgesprochen häßlichen Frauen.
Jede hat irgend etwas Hübsches mit in die Wiege bekommen. Es gibt nur Frauen, die öfters schön oder öfters häßlich aussehen. Nun, um das Pendel des Gefallens oder Nicht-Gefallens häufig zu unseren Gunsten ausschlagen zu lassen, dazu gehört nichts weiter als ein bißchen Klugheit und Energie. Schönheit – das was wir heute unter Schönheit verstehen – ist nichts Endgültiges, Absolutes, sondern eine höchst individuelle, von den verschiedensten Faktoren abhängige Sache, und nur ihre Grundelemente liegen fest – eine schlanke, elastische Figur, klare reine Haut, ein gepflegter und gesunder Körper, Attribute, die man erwerben kann, denn Schönheitspflege ist eine Kunst, die erlernbar.
Und wir sollten uns ruhig alle ein bißchen damit befassen, denn schließlich hat jede Frau noch etwas an ihrer sonst ganz passablen Persönlichkeit zu verbessern. Und wenn „er“ noch so hymnisch Ihren pfirsichzarten Teint, Ihre elfengleiche Figur bewundert (obwohl Ihre Schneiderin Ihnen ständig predigt, Sie müßten schlanker werden), Ihren schwebenden Gang und Ihre leuchtenden Augensterne, so tut man zwar gut daran, diese Feststellungen als selbstverständlichen Tribut für ein Gottesgeschenk hinzunehmen, es aber nicht bei dem Gottesgeschenk bewenden zu lassen, sondern vorsichtshalber ein bißchen Gymnastik zu treiben und heimlich und leise an unbewachten Nachmittagen in einen Schönheitssalon zu entlfiehen, einmal wegen der Pfirsichhaut und der sylphenhaften Gestalt und dann wegen der Unbeständigkeit verliebter Augen, die uns von einem Augenblick auf den anderen aus einem kleinen alltäglichen Puschel in ein engelsgleiches Geschöpf verwandeln.
Aber diese gute Eigenschaft ist leider Gottes an einen Zustand gebunden, der, wie die Erfahrung lehrt, mit der Zeit nachläßt, und auch die stürmischsten Anbeter werden einmal zu kritischen Ehemännern, die plötzlich allerlei unliebsame Entdeckungen machen und mit den merkwürdigsten Vorschlägen und Wünschen über die Umgestaltung unserer reizvollen Persönlichkeit ankommen. Gymnastik und Ernährung: Da sind der Gymnastikkurs und die rationelle Schönheitspflege zwar nicht so märchenhaft fix im Verwandeln, aber zuverlässiger und reeller. Denn jede Schönheitspflege ist heute zugleich Körper- und Gesundheitspflege. Wenn ich an irgend einem Leiden kranke, wenn in meinem inneren Menschen manches nicht in Ordnung ist, dann kann ich natürlich auch keine rosigen Wangen und kein blühendes Aussehen haben.
Also wie man sich zuallererst darum bemühen, die tieferen Ursachen der schlechten Gesichtsfarbe, der Pickel und Pusteln festzustellen und zu beheben. Daneben muß man sich aber auch einer vernunftgemäßen Lebensweise befleißigen, und wenn man zur Korpulenz neigt, wohl oder übel eine gewisse Diät halten, indem man möglichst all jene Dinge meidet, die Fett anziehen und solche Kost bevorzugt, die eine schlanke Linie, einen klaren Teint garantiert, eine Kost mit viel Obst, Gemüsen, Salaten und Milch. Eine Blutauffrischung durch irgendeinen der erprobten Kräutertees wird immer gute Dienste tun, denn es gibt keine nur äußerliche Schönheit. Ein ausreichender Schlaf, das beste Verjüngungmittel, viel Spazierengehen in frischer Luft (besonders auch im Regen!) und tüchtige Bewegung sind die Voraussetzungen für eine wirksame Körperpflege.
Dazu kommt natürlich das Kapitel täglicher Gymnastik, das man nie unterlassen sollte, denn es verhilft nicht nur zu der ersehnten Schlankheit, sondern gibt auch einen geschmeidigen und graziösen Körper, den man in jeder Bewegung beherrscht, der noch bis ins Alter straff und jugendlich bleibt. Akrobatische Künste sind dazu nicht nötig. Man braucht es nicht gleich mit der „Kerze“ oder einem Handstand zu versuchen, sondern nur sein tägliches Quantum Uebungen mit Geduld und Konsequenz absolvieren. Zwanzig Kniebeugen auf nüchternem Magen, Rumpfkreisen, Arm- und Beinschwingen und dabei kräftiges Ein- und Ausatmen am offenen Fenster sind eine gesunde, gerade Sache, die jedem einleuchten muß.
Am besten wechslte man mit den Uerbungen ab, damit sie nicht langweilig werden und der heilige Eifer erlahmt. Das anschließende Bad mit nachfolgender kalter Dusche ist ein ausgezeichnetes Mittel zur Erlangung einer klaren, schönen Haut und gibt ein Gefühl herrlicher Frische, das den ganzen Tag anhält. Natürlich sind diese morgendlichen Uerbungen im Anfang nicht leicht, besonders wenn hier und da unerwünschte und nun einmal nicht wegzuleugnende Fettansammlungen dem guten Willen hemmend entgegentreten. Dann ist es zu empfehlen, wenigstens für die ersten Etappen auf dem Wege zur Schlankheit und Schönheit sich in einem Gymnastikkurs die Grundbegriffe beibringen zu lassen und das widerspenstige Fleisch an den neuen Lebensrhythmus zu gewöhnen.
Es gibt ja genug Schulen für Körpertraining heutzutage. Mensendiek, Laban, Bode, Loheland, Hellerau und andere sind Namen, die jeder kennt. Welche Methode man wählt, ist Geschmacksache. Die Pfirsichhaut will gepflegt sein: Viel schwieriger ist das Gebiet der eigentlichen Schönheitspflege oder sagen wir genauer der Kosmetik. Viele werden vieles von dem heiligen Kult, den man mit seinem Gesicht treibt, niemals verstehen. Er läßt sich auch nicht so einfach beschreiben wie einen Ausflug machen, einen Strumpf stopfen oder ein Schnitzel braten, obwohl es genug Lehrbücher darüber gibt. Aber meistens helfen alle dort angegebenen Rezepte ausgerechnet bei der Freundin fabelhaft, nur bei uns selbst versagen sie. Schönheitspflege ist halt eine höchst schwierige und völlig individuelle Angelegenheit, für die man keine allgemeinen Theorien aufstellen kann.
Jede Frau schwört auf etwas anderes, denn jede Frau will auch etwas anderes erreichen. Jede Frau hat ein anderes Handwerkszeug bei diesem geliebten Ritus, aber jede Frau erfüllt die Gesetze ihrer Methode mit unerhörtem Eifer und unsäglicher Geduld. Es ist auch immer schon das Beste, an sich selbst auszuprobieren, was der Haut am zuträglichsten ist und danach ihre Behandlung einzurichten. Freilich soll man auch nicht allzulange daran herumdoktern, sondern, wenn man keinen Erfolg bemerkt, sich fachmännisch beraten lassen. Nur, wer natürlich erwartet, von heute auf morgen ein sommersprossiges Gesicht mit einer Stumpfnase und vielen Pickeln in ein seraphgleiches Antlitz mit griechischer Nase verwandeln zu können, der soll lieber gar nicht erst anfangen, denn er wird sicher enttäuscht. Wer sich aber bewußt ist, daß Schönheitspflege (nicht ein ebenso einfaches wie höchst summarisches Verfahren, alle Fehler mit Puder und Schminke zu verdecken) eine Sisyphusarbeit ist, die Geduld und nochmal Geduld verlangt, der wird überrascht sein, wieviel Liebreiz man aus einem alltäglichen Lärvchen herauslocken kann, von dem er selbst keine Ahnung hatte.
Denn unsere kosmetische Industrie stellt heute eine solche Fülle von hochwertigen Erzeugnissen her, auf die man sich unbedingt verlassen kann. Frankreich, das früher das Primat in diesen Dingen besaß, ist längst hinter unseren deutschen Fortschritten zurückgeblieben. Englische, wozu auch die amerikanische gehört, und deutsche Schönheitspflege beherrschen gegenwärtig den Weltmarkt, und führende deutsche Institute haben ihre Häuser in allen internationalen Großstädten. Von zarten Seifen und weichen Cremes: Was man nun alles tun soll? Ja, das ist schwer zu sagen. Haarscharf stehen sich hier die Meinungen g gegenüber. Seife, feine Seife, Kamille, heißer Dampf, kalte Packungen, jedes Wort bedeutet eine Richtung in der modernen Schönheitspflege.
Zu welcher man sich auch bekennt, oberster Grundsatz sollte sein, seiner Haut nur das Beste (was nicht immer mit dem Teuersten identisch ist) zuzuführen und nur die erprobten Präparate bekannter Firmen zu wählen, die für die Güte und Unschädlichkeit ihrer Erzeugnisse garantieren. Im allgemeinen wird sich heute jede Gesichtspflege auf den drei Prinzipien des Reinigens, Ernährens und Straffens aufbauen. Die Hauptarbeit wir man zweckmäßig auf den Abend verlegen, weil man da am meisten Zeit und Ruhe hat. Immer wird man sein Gesicht mit einer guten Fettcreme reinigen, die man mit einem weichen Tuch wieder herunternimmt. Man wird erstaunt sein, wieviel Schmutz und Staub sich tagsüber in den Poren angesammelt hat.
Ob man nun anschließend eine lauwarme Waschung mit einer milden neutralen Seife folgen läßt, die sich oft ausgezeichnet bewährt, oder mit Gesichtswasser nachtupft, das muß man selbst ausprobieren. Wer ganz empfindliche Haut hat, sollte zum Waschen eine der vielen im Handel befindlichen Emulsionen gebrauchen (Gurken- oder Rosenemulsionen), die den Teint gleichzeitig bleichen und zart machen. Wenn man im Zweifel ist, sollte man einen Nachmittag der Schönheitspflege opfern. Man wird mit einer sorgfältig zusammengestellten Methode und neuer Hoffnung ans Werk gehen. Alles andere ist dann „Heimarbeit“, und dazu noch eine recht angenehme. Denn was gibt es für eine Frau Lieberes zu tun, als der eigenen Schönheit zu dienen? Für die normale Haut dürfte mit dem Einklopfen von Fettcreme für die Haut das übliche Pensum abendlicher Schönheitspflege erledigt sein.
Aus diesen angeführten Grundsätzen entwickelte der Führer den Begriff von „Glaube und Schönheit“, der schon beim Bund Deutscher Mädchen angewandt wird.
Und diesen Schwachsinn mutete man im Reich Hitlers der Damenwelt zu. Anm.d.Verf.
Von Rolf von Ameln
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