Am 18. Mai 1935 titelte die „National Zeitung“ in der Ausgabe für das Ruhrgebiet: Rohtabak zentnerweise gestohlen, Bandendiebe vor Gericht – Handwerk vorläufig gelegt.
Bielefeld: Der Landkreis Herford, besonders die Bünder Gegend, hatte in den letzten Jahren unter dem Treiben verschiedener Diebesbanden zu leiden, denen inzwischen das Handwerk gelegt werden konnte. Zum Teil wurden die Verbrecher schon abgeurteilt, und auch der Prozeß Rottmeyer und Genossen, der jetzt die Strafkammer des Landgerichts Bielefeld beschäftigte, ist schon einmal vor dem gleichen Gericht verhandelt worden. Damals, im August 1934, waren es 24 Angeklagte. Einige von ihnen wurden amnestiert, die übrigen erhielten Strafen von sechs Jahren Zuchthaus bis zu sieben Monaten Gefängnis; die Hauptangeklagten Karl Rottmeyer, Wilhelm Rottmeyer und Heinrich Krömker neben den Zuchthausstrafen auch Ehrverlust.
Einer der Verurteilten legte Revision ein, der in beschränktem Umfange stattgegeben wurde, so daß sich nunmehr neun Angeklagte abermals zu verantworten hatten. Die Mitglieder der Bande wohnten durchweg in Südlengern im Kreise Herford und stehen im Alter von 21 bis 53 Jahren. Ihre Raubzüge verübten sie in den Jahren 1931 bis 1934, und zwar wurde die ganze Gegend zwischen Bünde und Herford heimgesucht. Gestohlen wurde alles, was des Mitnehmens wert schien, besonders aber hatte man es auf Spirituosen und Tabak abgesehen. So entwendete die Bande aus verschiedenen Zigarettenfabriken zentnerweise Rohtabak, und bei den nächtlichen Besuchen bei Gastwirten wurden insgesamt 700 Flaschen Schnaps gestohlen.
Ferner wurden Hühner, Kaninchen, Butter, Margarine, Käse, Marmelade, Seife, Schokolade, Salzheringe u.a.m. entwendet. Kälber und Rinder wurden wurden an Ort und Stelle abgeschlachtet und das Fleisch mitgenommen. In der Hauptsache waren die Angeklagten geständig. Das Gericht verurteilte Karl und Wilhelm Rottmeyer zu drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust. Die übrigen angeklagten erhielten Gefängnisstrafen von sieben Monaten bis zu zwei Jahren, drei Monaten. (In heutigen Tagen wäre die Nennung der vollen Namen der Täter nicht möglich. Anm.d.Verf.)
Und weiter geht es unter dem Titel: Wegen böswilliger Ehrkränkung verurteilt. Unsozialer Gefolgschaftsführer vor dem Ehrengericht.
Essen. Der Mitinhaber einer Hagener Eiergroßhandlung, der 24jährige Karl E., stand jetzt vor dem Ehrengericht des Treuhänders der Arbeit für den Wirtschaftsbezirk Westfalen in Essen, um sich der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu verantworten. Die einzelnen Anklagepunkte waren: böswillige Ausnutzung der Arbeitskraft seiner Angestellten, Nichtbezahlung von Ueberstunden, böswillige Ehrkränkung der Gefolgschaftsmitglieder, unanständiges Benehmen gegenüber den Angestellten, seinen Lehrjungen beschimpft, geschlagen und getreten zu haben, und sogenannte Vorverkaufsscheine durch seine Angestellten habe fälschen zu lassen.
Die Beweisaufnahme ergab, daß die Bürouhr zeitweilig auffallende Zeitunterschiede aufwies, doch konnte dem Angeschuldigten nicht nachgewiesen werden, daß er die Uhr zu dem Zwecke zurückstellte, um die Arbeitskraft seiner Angestellten böswillig ausnutzen zu können. Bezueglich der Ueberstundenleistung wurde von einer der Zeugen zwar behauptet, fast rgelmäßig übergearbeitet zu haben, ohne dafür eine entsprechende Entschädigung zu erhalten, doch ließ der Vertreter des Treuhänders diesen Anklagepunkt schließlich fallen, da dem Angeschuldigten nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte, daß er böswillig die Arbeitskräfte ausgenutzt hatte. Anders war es mit den anderen Anklagepunkten.
Hier konnte sich der Gefolgschaftsführer nicht rechtfertigen. Im Gegenteil, es wurde einwandfrei festgestellt, daß der junge Mitinhaber mit unflätigen und beleidigenden Ausdrücken herumwarf, die wir hier als „unparlamentarisch“ nicht aufzählen können. Auch bezüglich des unanständigen Benehmens seinen Gefolgschaftsmitgliedern gegenüber mußte das Gericht den beeidigten Aussagen der Hauptzeugin folgen. Der schwerste Punkt der Anklage, Fälschung von Vorverkaufsscheinen durch Angestellte auf Anweisung, konnte lediglich nur zur Gesamtbeurteilung des Charakters des Angeklagten verwandt werden, da diese Vergehen, die zudem noch Gegenstand eines strafrechtlichen Verfahrens sind, vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit, dem 1. Mai 1934, lagen.
Der Angeklagte hatte in diesen Fällen, um Steuererleichterungen zu erzielen, Vorverkaufsscheine durch Angestellte fälschen lassen. Der Vertreter des Treuhänders beantragte, den Angeklagten wegen böswilliger Ehrkränkung der Gefolgschaftsmitglieder durch unanständiges Benehmen und unflätige Kraftausdrücke in eine Ordnungsstrafe von 800 RM. zu nehmen, um damit zu erreichen, daß dieser seine Pflichten als Betriebsführer zukünftig strenger beachten werden wird. Das Ehrengericht verurteilte den angeklagten Gefolgschaftsführer wegen Verletzung der sozialen Ehre zu einer Geldstrafe von 300 RM. und zur Tragung der gesamten Gerichtskosten. In der ausführlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, daß das Gericht in vier Anklagefällen eine böswillige Ehrenkränkung festgestellt habe, und zwar in nicht rechtsverjährter Zeit.
Wenn auch einiges in einer gewissen Erregung geschah, so legte der Angeklagte in vielen Fällen eine wirklich unanständige Gesinnung an den Tag, die auch deutlich die Mißachtung der Ehrgefühle der Angestelltenschaft ausdrückte. Für diese Vergehen konnte das Ehrengericht nicht auf Verweis oder auf eine Verwarnung erkennen, andererseits hielt das Gericht aber die Aberkennung der Eigenschaft als Gefolgschaftsführer als zu weitgehend. Diese wäre aber in jedem Falle erfolgt, wenn sich die beiden Anklagepunkte bezüglich der böswilligen Ausnutzung der Arbeitskraft als voll erwiesen gezeigt hätten. Bei der Bemessung der Strafe habe das Gericht die Jugend des Angeschuldigten, den schlechten Geschäftsgang der Firma und die ganze Geschäftslage als strafmildernd angesehen und darum eine Geldstrafe von 300 RM. als eine empfindliche und angemessene Sühne ausgesprochen.
(Welches Urteil hätte das damalige Gericht auch für einen überzeugten Nazi aussprechen sollen? Anm.d.Verf.)
In einer Kurzmeldung legt die „National Zeitung“ dann so richtig los: Führertreffen der Marine-HJ. Am 18. und 19. Mai in Wattenscheid: Zu den mannigfaltigen Aufgaben aus der Arbeit der Hitler-Jugend gehört auch die Verbreitung und Vertretung des Gedankens der Seegeltung. In allen Gebieten des Reiches marschierten deshalb Tausende von Hitlerjungen im blauen Dienstanzug. Die Jungen dieser Scharen sind sich ihrer Aufgabe wohl bewußt und schulen sich in allen Dingen, die diesen Gedanken fördern. 1800 Jungen marschieren im Binnenlande innerhalb des Gebietes Westfalen. Ihre Arbeit und Ausbildung ist hart aber reichhaltig. Jungen sind sie und Kerle müssen sie werden, die den Gedanken des Führers in alle Teile der Welt bringen. Sie wollen einmal Deutschland vertreten. Die Führer dieser Scharen werden nun am 18. und 19. Mai zu einem Schulungstreffen und einer Arbeitstagung in Wattenscheid zusammentreffen, um gerade hier an einer Stätte der Arbeit die Verbindung der Jugend mit dem Seegedanken zum Ausdruck zu bringen. Die Richtlinien für die gemeinsame Arbeit im Gebiet sollen ihnen hier bekanntgegeben werden.
So manch einer dieser jungen Männer wurde Großadmiral Dönitz zugeteilt, der sie in seiner U-Boot-Flotte gnadenlos verheizte.
Von Rolf von Ameln
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