Das „Hamburger Tageblatt“ titelt in seiner Ausgabe von Dienstag, den 31. März 1942: Lebesmittelschieber mit dem Tode bestraft, harte Urteile des Sondergerichts.
Berlin, 31. März: Die durch Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung eingesetzten Sondergerichte haben mit ihren ersten Urteilen gegen skrupellose Kriegswirtschaftsverbrecher eine letzte Warnung ausgesprochen. Diese Lebesnmittelschieber, die sich über die vom Reich getroffenen Maßnahmen zur gerechten Verteilung der Lebensmittel hinwegsetzten und sich damit selbst aus der Gemeinschaft des deutschen Volkes ausschlossen, haben keine Milde zu erwarten. Das mußten auch die Angeklagten erfahren, die sich jetzt wegen Kriegswirtschaftsverbrechen vor dem Sondergericht zu verantworten hatten. Das Königsberger Sondergericht verurteilte die Oberschwester Mathilde Arndt und die Küchenschwester Anna Rudek wegen umfangreicher Lebensmitteldiebstähle und Lebensmittelverschiebungen zum Tode. Die Schwester der Arndt erhielt wegen Beihilfe sechs Jahr Zuchthaus. Mathilde Arndt leitete als Oberschwester das Kinderkrüppelheim der Bethesdaanstalten in Angerburg. Anna Rudek hatte den Küchenbetrieb zu beaufsichtigen. In der Anstalt sind etwa hundert Kinder untergebracht, die ganz besonders pflegebedürftig sind. Beide Verurteilten entzogen den Kindern die für sie zugeteilten Lebensmittel, um selbst damit ein üppiges Leben zu führen. Die Küchenschwester schob der Oberschwester derartige Mengen an Nahrungsmitteln zu, daß diese damit einen schwunghaften Handel betreiben konnte. In den Zimmern der beiden Schwestern fand man zehn Zentner Zucker, ferner in großen Mengen Seife, Wäsche und Stoffe. Es konnte ihnen allein die Versendung von 160 Paketen nachgewiesen werden. Große Mengen Butter und Schmalz, Obst und andere Lebensmittel wurden von ihnen verschoben.
Der Schlächtermeister Alfred Lindhorst aus Fürstenberg wurde wegen Verbrechens gegen Paragraph 1 der Kriegswirtschaftsverordnung vom Sondergericht beim Landgericht Rostock zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt. Der Angeklagte betrieb in Fürstenberg ein Schlächtergeschäft und hat über 1 1/2 Jahre lang in erheblichem Umfange Schwarzschlachtungen vorgenommen. Regelmäßig kaufte er Rinder, Schweine, Kälber und Schafe ohne Schlußschein, schlachtete sie heimlich und verkaufte dann das Fleisch gleich aus dem Schlachthaus heraus oder über den Ladentisch hinweg an seine Kunden, ohne sich dafür Fleischmarken geben zu lassen. Teilweise ließ er sich dafür auch Gegenleistungen an verknappter Ware machen. Im Laufe der Zeit hat er eine Fleischmenge beiseite geschafft, die ausgereicht hätte, eine Stadt mit 30.000 Einwohnern für eine Woche zu versorgen.
Der Händler Bernhard Strotkötter aus Mastholte, Kreis Wiedenbrück, wurde vom Sondergericht Bielefeld zu 15 Jahren Zuchthaus, 5000 Mark Geldstrafe und Wertersatz in gleicher Höhe sowie Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre und der Händler Anton Sudahl aus Bokel, Kreis Wiedebrück, zu neun Jahren Zuchthaus, 3000 Mark Geldstrafe, 2000 Mark Wertersatz und neun Jahren Ehrverlust verurteilt. Strotkötter war nach Beginn des Krieges dazu übergegangen, in großem Umfange Fleisch- und Wurstwaren, ungekennzeichnete Hühnereier, Butter und Schlachtgeflügel zu Ueberpreisen und ohne Marken aufzukaufen und dann an die Verbraucher mit erheblichem Verdienst weiter zu veräußern. Darüberhinaus betrieb er auch einen schwunghaften Schleichhandel mit Eiern, die er regelmäßig von dem Mitangeklagten Sudahl schon zu Ueberpreisen erhielt. Wie eingehende Feststellungen ergaben, hat Strotkötter in der Zeit von Januar 1940 bis März vorigen Jahres auf diese Weise nicht weniger als 37000 Eier erhalten. Wenn das Sondergericht nicht auf Todesstrafe erkannt hat, so nur aus der Erwägung heraus, daß Strotkötter im Weltkriege vier Jahre als Soldat seine Pflicht für das Vaterland getan und sich, abgesehen von geringfügigen Ordnungsstrafen, bisher straffrei führte. Hinsichtlich des Angeklagten Sudahl hielt das Sondergericht eine Zuchthausstrafe von neun Jahren für ausreichend, da seine Verfehlungen an Umfang erheblich geringer gewesen sind.
Das Sondergericht Berlin verurteilte den 33 Jahre alten Hellmuth Mollenhauer aus Berlin-Wilmersdorf zu zwölf Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust, 10000 RM. Geldstrafe sowie 4200 RM. (Reichsmark, Anm.d.Verf.) Wertersatz und den 30jährigen Schweinezüchter Johann Heidrich aus Berlin-Siemensstadt zu sechs Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust, 5000 RM. Geldstrafe und 2100 RM. Wertersatz. Der Angeklagte Mollenhauer, der in Berlin-Wilmersdorf eine Landfleischerei betrieb, kaufte im Jahre 1941 von dem Angeklagten Heidrich, der damals Inhaber einer Schweinemästerei in Großglienicke war, im Schleichhandel acht Schweine und einen Hammel. Heidrich forderte und erhielt für die verschobenen Fleischmengen Wucherpreise. Durch Vermittlung des Heidrich erwarb Mollenhauer ferner von einem Landwirt in Spandau, gegen den ein besonderes Ermittlungsverfahren schwebt, weitere 20 Schweine, zwei Kühe, zwei Rinder und sechs Lämmer. Die Tiere wurden an Ort und Stelle ohne behördliche Genehmigung und ohne tierärztliche Fleischbeschau unter Hinterziehung der Schlachtsteuer geschlachtet und dann in die Werkstatt des Mollenhauer gebracht, wo sie weiterverarbeitet wurden.
Das Sondergericht verurteilte den Schlachtermeister Johann Quellen aus Sittensen wegen Schwarzschlachtens zu zwölf Jahren Zuchthaus, einer Geldstrafe von 14000 Reichsmark sowie 55000 RM. Wertersatz und erkannte ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren ab. Der Angeklagte hatte im Jahre 1936 zunächst in kleinerem Umfange mit Schwarzschlachtungen begonnen und diese dann auch während des Krieges bis zum Anfang vorigen Jahres fortgesetzt. Auf diese Weise hat er im Laufe der Jahre mehrere Hundert Zentner Fleisch der ordnungsgemäßen Verteilung entzogen. Sein mitangeklagter Sohn Heinrich Quellen, der nur zu einem Teil an den Schwarzschlachtungen beteiligt gewesen war, kam mit einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren, Geld- bzw. Wertersatzstrafen in Höhe von insgesamt RM. 17000 sowie fünf Jahren Ehrverlust davon.
In heutiger Zeit wäre eine Namens- und Wohnortsangabe in jeder Zeitung wohl unmöglich; – nicht so im „Großdeutschen Reich“ Adolf Hitlers.
Von Rolf von Ameln
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