Wie am Samstag, 25.06.2016 bekannt wurde, beschloss die Regionalregierung in Edinburgh in einer sogenannten Krisensitzung erste Schritte für ein baldiges Referendum zur Erlangung der Unabhängigkeit. Zudem wurden „umgehende Gespräche“ mit Brüssel eingefordert, um den Verbleib Schottlands in der Europäischen Union zu wahren. Denn: Bei der Brexit-Abstimmung am 23.06.2016 hatten die Wähler in Schottland anders als die Gesamtheit der Engländer mit über 62 Prozent glasklar für einen Verbleib in der EU gestimmt.
Im Jahre 2014 hatten die Schotten bereits schon einmal für die Loslösung vom englischen Königreich abgestimmt, sich jedoch mit einer äußerst knappen Mehrheit dagegen entschieden; – was heute bereut wird. Für eine derartige „Volksbefragung gibt es aber auch andere Bestrebungen: Im Angesicht des knappen Ausgangs des Brexit-Referendums fordern nun fast drei Millionen Engländer eine zweite Abstimmung. Eine offizielle Petition an das Parlament in der Hauptstadt, London, knackte schon recht bald die Millionenmarke, und unter dem Ansturm der Unterzeichner brach die öffentliche Seite des Parlaments im Web vorübergehend zusammen.
Nun machen die sechs Gründerstaaten der Europäischen Union Tempo auf ein schnelles Ausscheiden Großbritanniens, obwohl die Briten schon angekündigt hatten, dass sie es langsam angehen wollten. Der deutsche Außenminister, Frank Walter Steinmeier gab am Samstag, den 25.06.2016 nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern in Berlin bekannt: „Es muss uns jetzt die Möglichkeit gegeben werden, dass wir uns mit der Zukunft Europas beschäftigen.“ Und die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, äußerte sich mehr zurückhaltend: „Ehrlich gesagt: Es soll nicht ewig dauern. Aber ich würde mich auch nicht wegen einer kurzen Zeit verkämpfen.“
In der gesamten Europäischen Union besteht die Befürchtung, dass die britischen Politiker auf Zeit spielen. Mit Beginn des Monats Oktober hatte bereits der englische Premierminister Cameron seinen Rücktritt angekündigt, und die Verhandlungen soll erst sein Nachfolger führen. Da war es nicht verwunderlich, dass der EU-Parlaments-Chef Martin Schulz dem englischen Premier vorwarf, er nehme aus parteipolitschen Gründen einen ganzen Kontinent in Geiselhaft. Die Europäische Union beauftragte dann den belgischen Diplomaten Didier Seeuws mit den Austritts-Verhandlungen. Er soll eine sogenannte „Brexit Task Force“ leiten. Hier sieht man, welche Schockwellen durch Europa jagten mit Hilfs- und Ratlosigkeit.
Ältere Menschen, so heißt es im Allgemeinen, sorgen in der Politik für Lebensklugheit, Weisheit und Maß an den Dingen, Jedoch hat der Brexit uns eines gezeigt: Die britischen Senioren können starr sein und der Jugend ihre Zukunft verbauen.Was besondere „Schmerzen“ bereitete, waren die leeren Augen in den Gesichtern der jungen Engländer nach dem Ergebnis des Brexit. All die, die sich in den Pubs und auf den Straßen trafen, in deren Augen spiegelten sich Unglauben und Hoffnungslosigkeit, denn die Nachricht vom Austritt ihres Landes aus der EU, das war nicht ihr Ding. Sie führten ein ganz anderes Leben, als Studenten oder mit dem Rucksack auf Interrail haben sie Europa schätzen- und kennengelernt.Sie sind ein Teil dieses vielfältigen Kontinents geworden.
Drei von vier der jungen Engländer zwischen 18 und 24 Jahren haben gegen den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Die „IN“-Kampagne, die sie führten; – sie hatte junge Gesichter. Andere haben ihnen die Tür zu einer besseren Zukunft in Europa vor der Nase zugeschlagen. Und das waren die lieben Mitbürger mit den schon ergrauten Haaren, die ihre Zukunft bereits hinter sich gelassen haben. Die Engländer jenseits des 50. Lebensjahres haben sich – besonders auf dem Land – für den Brexit entschieden. Bei denen, die über 65 Jahre alt sind, sahen über 61 Prozent den Platz ihres Landes nicht mehr in Europa. Das sind die Briten, die Tag für Tag pünktlich um 17:00 Uhr ihren Tee zu sich nehmen und deren Augen strahlen oder feucht werden, wenn die Queen mit ihrem Gatten im Rolls Royce vorbeifährt.
Sie können einfach nicht akzeptieren, oder wollen es nicht, dass „die gute alte Zeit“ vergeht. Es war die Zeit, in der Großbritannien die Weltmeere regierte und sie einst selbst winkend am Pier standen, wenn ihre „Boys“ aus Indien in die Heimat zurückkehrten. Doch diese Ansichten sorgen für Zündstoff in Gesellschaften, die einem demografischen Wandel unterworfen sind, denn wenn die Senioren durch ihre schiere Anzahl die Politik eines ganzen Landes entscheiden, wird das Bewährte zu einer Richtschnur des Handelns, und der „Aufbruch in eine neue Zeit“ werden als Zumutung begriffen.
Bei diesem Brexit zahlen die jungen Engländer, die ihr gesamtes Arbeitsleben noch vor sich haben, die Zeche für einen Starrsinn der „Alten“, bei dem die Vergangenheit über die Zukunft siegte.
Und so bleibt der Austritt der Briten noch lange ein großes Rätsel, das jedoch lösbar wäre.
Von Rolf von Ameln
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