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Die ungleichen Künstlerinnen aus der „Ateliergemeinschaft“ in der Klosterstraße in Berlin

Meine Erinnerung an Ottilie Kasper und Ingeborg Hunzinger

Die „Ateliergemeinschaft“ in der Klosterstraße 75, in der Mitte Berlins, neben dem „Grauen Kloster“, entstand 1933 durch politische Veränderungen in Deutschland. Der Bildhauer Günther Martin, ein treuer Gefolgsmann der Nazis, wurde Obmann der vom Staat geduldeten Künstlergemeinschaft. Trotz seiner Zugehörigkeit zu der Braunen Herrschaft war er immer bereit, sich für die Künstler des Hauses einzusetzen, mit ihnen und für sie Ausstellungen zu organisieren. Vierzig preiswerte Atelierwohnungen wurden eingerichtet, während draußen in der Stadt bereits Berufsverbote stattfanden, Ateliers und Kunstgalerien schließen mussten, Kunstzeitschriften eingestellt und Künstler politisch diffamiert wurden. Einige von ihnen emigrierten bereits in andere Länder. Künstler unterschiedlichster Schaffensrichtungen, Meinungen, auch politischer, bezogen die neu entstandenen Ateliers. So auch die Malerin und Bildhauerin Ottilie Kasper und der Bildhauer Ludwig Kasper, 1893 – 1945, der bereits zur damaligen Zeit in der Kunstszene einen Namen hatte.

Ottilie Kasper (Links) und Ingeborg Hunzinger. Foto: Wollmann-Fiedler

Ottilie Kasper (Links) und Ingeborg Hunzinger. Foto: Wollmann-Fiedler

Ottilie und Ludwig Kasper lernten sich während ihrer Studienzeit nach dem ersten Weltkrieg in München kennen, gingen gemeinsam 1928 nach Paris, heirateten, zogen 1930 in die Einsamkeit ihrer niederschlesischen Heimat Berna. Wichtige bildhauerische Werke Ludwig Kaspers entstanden hier. Die ländliche Idylle verließen sie 1933, gingen nach Berlin und zogen in eine dieser Atelierwohnungen in der Klosterstraße. Ihre gemeinsame Wohnung wurde der Mittelpunkt der benachbarten Künstler, der Treffpunkt zum Musizieren und Diskutieren. Ludwig Kasper wurde von ihnen als Persönlichkeit und Bildhauer geschätzt. Käthe Kollwitz, Hermann Blumenthal, Gerhard Marcks und viele andere waren ihre Nachbarn.

Ein Stipendium führte das Ehepaar 1936 für einige Monate nach Griechenland. Während in Deutschland Kriegsluft zu spüren war, bekam Ludwig Kasper den Rompreis und beide zogen 1939/40 in die Villa Massimo in Rom. Zurück kamen sie in das Berlin mit all seinen Kriegsgrausamkeiten.

Für Ottilie und Ludwig Kasper begannen die letzten Jahre ihres gemeinsamen Lebens. Sie verließen noch während des Krieges Berlin, um einem Ruf an die Kunstschule zu Braunschweig zu folgen. Bombenzerstörung auch hier, drängte beide 1943 zurück in Kaspers oberösterreichische Heimat, wo er 1945 starb.

Ottilie Kasper kehrte nach Deutschland zurück, ließ sich ein kleines Häuschen bauen und lebte seit 1952 in Gauting bei München. Plastiken von Ludwig Kasper, ebenso eigene bildhauerische Werke umgaben sie in ihrem Refugium. Das angebaute Atelierhaus wurde ihre malerische Heimat. Die große Liebe zur Fotografie ist in Veröffentlichungen zu sehen, bis ins hohe Alter malte sie in ihrem Atelier sehr farbige Bilder, stellte sie aus und verwaltete den Nachlass ihres Mannes. Im Jahr 2002 bekam sie den ehrenvollen Günther-Klinge-Preis der Stadt Gauting überreicht.

Gerne saß ich mit „Odi“ Kasper auf meinen vielen Durchreisen ein Stündchen in ihrem kleinen Häuschen oder ihrem Garten vor dem Atelier. Im hohen Alter von 103 Jahren starb diese bezaubernde Frau und Künstlerin 2009 in Gauting.

So ganz anders verlief der Lebensweg der damals noch sehr jungen Bildhauerin Ingeborg Franck, der Enkeltochter des Berliner Sezessionisten Philipp Franck. 1936 wurde sie als Jüdin von der Kunstakademie gejagt, ging zur Steinbildhauerlehre nach Franken, bekam kurz darauf Berufsverbot. Der Bildhauer Gerhard Marcks brachte sie 1938 in die Klosterstraße 75 zu Ludwig Kasper, bei dem sie ein Jahr Schülerin wurde und sich mit seiner liebenswerten Ehefrau Ottilie Kasper anfreundete. Das Jahr bei Ludwig Kasper war für Ingeborg Franck eine sehr wichtige Zeit. Hier wurde ihr bildhauerisches Talent geformt und bestätigt.

Als Jüdin verfolgt, mit Arbeitsverbot bestraft, emigrierte sie bei Ausbruch des Krieges nach Italien. In Florenz lernte sie den Stipendiaten der Villa Romana, Helmut Ruhmer, einen Maler aus Halle kennen. Mit ihm, der großen Liebe ihres Lebens, zog sie bis nach Sizilien und kehrte bereits 1943 in den Hotzenwald im Südschwarzwald zurück, wo ihre beiden gemeinsamen Kinder geboren wurden. Kurz vor Kriegsende fiel Helmut Ruhmer an der Ostfront.

Ost-Berlin buhlte um sie, 1949 ging sie nach dort. Schon im großbürgerlichen Elternhaus in Neu-Westend bekannte sie sich zum Kommunismus, half sozial Schwachen. Bis zu ihrem Lebensende ist sie diesem Schwur treu geblieben, stritt weiter für Gerechtigkeit. An der Weißenseer Kunstschule in Ost-Berlin bekam sie eine Assistenz von 1950 – 1951, später interessierte sich Fritz Cremer für ihre Arbeit. 1952 – 1954 wurde sie Meisterschülerin bei ihm und Gustav Seitz an der Akademie der Künste der DDR am Pariser Platz. Danach bekam sie die Chance, als freie Bildhauerin zu arbeiten

In der ehemaligen DDR war Ingeborg Hunzinger-Franck eine gefeierte Bildhauerin. Über 20 Skulpturen im Ostteil Berlins kann der Kenner und Liebhaber plastischer Kunstwerke bewundern. Beim Bereisen der Neuen Bundesländer vom Elbsandsteingebirge bis zur Ostsee findet er noch mal so viele. Noch kurz vor der Öffnung der Grenzen in Deutschland, in Berlin, hat Ingeborg Hunzinger der DDR den Vertrag für die großartige Bildhauerarbeit aus Rochlitzer Porphyr zum Thema „Frauenprotest in der Rosenstraße“ im wahrsten Sinne des Wortes abgetrotzt!

Der jünglingsgroße Flötenspieler stand monatelang bei Wind und Wetter in Berlin – Rahnsdorf im Sommeratelier. Vor Jahren wurde er verpackt und nach Nonantola bei Modena gebracht und dort bei der Villa Emma aufgestellt. Eine große Ovation für die damals 94jährige Bildhauerin und Jüdin, an einem so geschichtsträchtigen Ort in Italien gefeiert zu werden. Im April 2009 wurde ein Relief von ihr, das sie für ein Internierungslager in Calabrien geschaffen hatte, ebenfalls im Park des Palazzo di Comunale in Nonantola aufgestellt.

Noch zu DDR-Zeiten erfuhr Ingeborg Hunzinger-Franck zufällig den neuen Lebensort ihrer Freundin „Odi“ (Ottilie Kasper). Der Krieg und die Teilung Deutschlands hatten ihre Wege getrennt. Die beiden grundverschiedenen Künstlerinnen trafen sich ab und zu in Gauting, um auf dem Sofa sitzend erzählen zu können. Bei ihrem letzten Treffen im November 2003 durfte ich dabei sein und den beiden hochbetagten Künstlerinnen zuhören.

Im April 2009 starb Odi Kasper im gesegneten Alter von 103 Jahren in Gauting, einige Monate später im Juli 2009 Ingeborg Hunzinger mit 93 Jahren in Berlin.
Von Christel Wollmann-Fiedler

 

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Von am 03/07/2016. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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