In der Freitagsausgabe titelt „Die Zeitung“: Schule an die Front – Mobilisierung der Sechszehnjährigen – Erschütternde Szenen beim Abschied. Am 15. Februar ist in Deutschland eine Verordnung in Kraft getreten, deren Bedeutung wegen der zahlreichen Verordnungen für den „totalen Krieg“ bisher außerhalb Deutschlands zu wenig beachtet worden ist. Auf Befehl Hitlers sind alle Jungen, welche 1926/27 geboren sind und eine höhere Schule besuchen, das heißt also die Sechszehnjährigen, eingereiht, sondern unter der Bezeichnung „Luftwaffen-Helfer“ als Flakartilleristen, Beobachter und Nachrichtenübermittler Dienst tun. Die Verordnung ist von Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Bormann als Chef der Parteikanzlei, Frick als Innenminister, Rust als Erziehungsminister und dem Reichsjugendführer Axmann unterzeichnet. In einer Erklärung des „Bereichsleiters“ Stiegler im Ruhrgebiet wurde als Grund angegeben, dass diese Mobilisierung sechszehnjähriger Schuljungen, d.h. solcher, die sich schon ein gewisses Maß von Kenntnissen angeeignet hätten, ein absolut notwendiger Schritt zur Verstärkung des deutschen Kriegspotentials und zur Erlangung des „Endsieges“ sei. Diese Verordnung hat weit stärker als irgendein anderes Mobilisationsgesetz im Volk Eindruck gemacht. Nach Berichten neutraler Korrespondenten aus Berlin haben sich am 15. Februar erschütternde Szenen abgespielt, als die Jungen das Elternhaus verließen. Vielen Eltern, die bereits einen oder mehrere Söhne im Feld stehen haben, sei es jetzt erst richtig klar geworden, dass Hitler ihnen kein Opfer erspare. Der Zusicherung der Regierung, dass die Jungen nur in der Heimat verwendet werden, schenkt man nicht viel Glauben; es wird angenommen, dass sie nach kurzer Ausbildungszeit an die Ostfront geschickt werden.
Verlogene Erklärungen: Den Nazi-Propagandisten ist der innere Widerstand der Bevölkerung gegen die Rekrutierung dieser Kinder nicht verborgen geblieben. In verlogenen „Erklärungen“ wird behauptet, dass es sich um eine Maßnahme handele, welche „im letzten Kriege“ ebenfalls angewandt worden sei. So erklärte zum Beispiel der Gauamtsleiter in Essen, dass die Jugend jetzt genau wie nach dem letzten Kriege für Grenzwach- und Freikorpsdienst eingezogen würde. Ebenso wie die Jugend später der Hitler-Jugend beigetreten sei und ihren auf den Barrikaden kämpfenden S.A.-Kameraden geholfen habe, so knüpfe auch diese Verordnung an die „besten Traditionen der nationalen deutschen Jugend“ an. Der Unterschied liegt auf der Hand: bei den von Hamacher erwähnten Ereignissen handelte es sich um freiwillige Akte radikalisierter Jugendlicher nach dem letzten Kriege, während jetzt kein Angehöriger der betroffenen Jahrgänge der Zwangseinziehung entgehen kann. Gewissen Einwänden, die anscheinend von Eltern und Lehrerschaft erhoben werden, begegnet die amtliche Propaganda mit der scheinheiligen Versicherung, dass trotz der Einberufung der Schulunterricht „bis zu einem gewissen Grade“ weitergeführt werden würde. Wie es damit bestellt ist, erfährt man aus einer Mitteilung des Deutschen Nachrichtenbüros vom 11. Februar, in der es heißt, dass die eingezogenen Schüler nach Möglichkeit in ihren Klassenverbänden zusammen bleiben wollen.Nach Möglichkeit sollen ihre Lehrer mit ihnen in die Ausbildungslager geschickt werden und in der Freizeit zwischen den militärischen Dienststunden soll der Unterricht fortgeführt werden. Im einzelnen ist geplant, Schüler, welche bisher im Elternhaus lebten, in einem Lager nahe ihrem Wohnort unterzubringen, damit sie Gelegenheit haben, an ihrem Ausgehtag (einmal in der Woche) ihre Eltern zu besuchen. wie eine Nazi-Zeitung unter Verdrücken einiger Krokodilstränen schreibt, sollen die „Familienbande nicht zerrissen werden“. Schüler, die bisher in Pensionaten, Landschulheimen oder Internaten erzogen wurden, können dagegen auch nach Lagern in die von Deutschland besetzten Gebiete transportiert werden, um dort Dienst zu tun. Es wird angenommen, dass sie mit dem elterlichen Hause ohnehin nicht durch so starke Bande verknüpft sind, wie Schüler, die bisher zuhause lebten.
Offizier statt Lehrer: In den Lagern der Luftwaffe sollen die Schüler getrennt von den Soldaten unterrichtet werden. Ihre Vorgesetzten sind natürlich nicht die angeblich mitgesandten Lehrer, sondern Instuktionsoffiziere der Wehrmacht, denen für „weltanschauliche und politische Erziehungsfragen“ besondere „Hoheitsträger der Partei“ zur Seite stehen, die für diesen Sonderzweck vom zuständigen Gauamtsleiter und Hitlerjugendführer delegiert werden. Die Jungen erhalten eine Spezialuniform, aber nicht die Uniform der Luftwaffe. Dies ist offensichtlich eine Konzession, um die Eltern zu beruhigen und den wahren Zweck der Maßnahme für eine Weile noch zu verschleiern. Bei der Jugend selbst hat diese Uniformfrage, wie neutrale Korrespondenten melden, lebhaften Unwillen ausgelöst. Als die Einberufungsverordnung bekannt wurde, herrschte bei den Jungen, wie nicht anders zu erwarten, größte Begeisterung, da sie ja nun „Soldaten“ würden; als aber bekannt wurde, dass sie noch nicht die „richtige“ Uniform erhalten würden, waren sie enttäuscht. Die Einberufung ist auch politisch höchst bezeichnend, da von ihr nur Jugendliche betroffen werden, welche die sogenannten höheren Schulen besuchen. Ihre gleichaltrigen Kameraden aus der Volks- bzw. der Hauptschule (der neuen Nazi-Einheitsschule) stehen schon seit zwei Jahren im Berufsleben und damit in der Kriegsarbeit. Es ist durchaus möglich, dass mit der verfrühten Einberufung höherer Schüler die Absicht erreicht werden soll, die Goebbels und viele Propagandaredner in den letzten Wochen immer wieder kundgetan haben: die sogenannten oberen Zehntausend vom Ernst der Lage zu überzeugen und sie zur Aufgabe ihres bisherigen „Nichttuerlebens“ zu zwingen. Die Einberufung höherer Schüler, die zum Teil diesem Kreis angehören, dürfte eine willkommene Gelegenheit sein, diesen Schichten zu beweisen, dass man ihre „Privilegien“ nicht mehr respektiert. Die neue Gewaltmaßnahme ist im übrigen nur ein Beitrag zu der schweren Krise, in welcher das gesamte Schulwesen unter dem Nazi-System sich befindet und von der insbesondere die höheren Schulen betroffen sind.
Anzumerken wäre noch, dass man noch Anfang 1945, als der Krieg bereits als verloren anzusehen war, junge Burschen im Alter zwischen 13 bis 17 Jahren regelrecht „verheizt“ hatte; – alles für „Führer, Volk und Vaterland.“
Von Rolf von Ameln
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