Die Armeen der Alliierten konnten im Jahre 1945 auf dem späteren Gebiet der drei Besatzungszonen Deutschlands bis zu sieben Millionen „Dispalced Persons“ (DPs) befreien; in geringerem Umfang waren damit auch die Truppen in Österreich und Italien konfrontiert. Unter dem Status „DPs“ fielen all jene Personen, die infolge des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat geflohen, vertrieben oder verschleppt worden waren. In der Praxis galten als DPs ehemalige Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene sowie Osteuropäer, die entweder freiwillig nach Kriegsbeginn die deutsche Wirtschaft unterstützt hatten oder 1944 vor der sowjetischen Armee geflüchtet waren. Deutsche Flüchtlinge fielen nicht in diese Kategorie.
Eine vergleichsweise kleine Gruppe unter den DPs bildeten die ungefähr 70.000 jüdischen Überlebenden, die entweder in den Konzentrationslagern oder auf den Evakuierungstransporten, den Todesmärschen in Richtung Tirol, befreit worden waren. DP-Status erhielten in der amerikanischen Zone diejenigen, die sich vor dem 1. August 1945 auf dem US-besetzten Territorium befanden, ausgenommen waren rassisch, religiös und politisch Verfolgte, die auch weiterhin als „Verschleppte“ anerkannt wurden, selbst wenn sie erst nach der Befreiung vom Nazi-Joch Deutschland erreicht hatten. Die englischen Militärbehörden verweigerten einen solchen Status generell all jenen, die nach dem 30. Juni 1946 ihre Zonengrenze überschritten hatten.
In der französischen Besatzungszone befanden sich 1945 nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von DPs, darunter wenige tausend Juden. Die sowjetische Besatzungsmacht verweigerte grundsätzlich einen DP-Status. Denn mit diesem Status verbunden waren Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Kleiderzustellungen und Unterkunft in eigens dafür geschaffenen Lagern, den DP-Lagern oder „Assembly Centers“. Sie wurden eingerichtet in Krankenhäusern, Sanatorien, Schulen, Industriearbeitersiedlungen, ehemaligen Kasernen, Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeitslagern, aber auch vereinzelt auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager.
In Buchenwald, das nach der Befreiung bis zur Übernahme der Roten Armee im Juli 1945 als DP-Lager fungierte, entstand mit dem „Kibbuz-Buchenwald“ die erste zionistische Ausbildungsfarm im Nachkriegsdeutschland. Von April 1946 bis Ende 1947 dienten Teile des in der Oberpfalz bei Weiden gelegenen ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg, das zunächst nach der Befreiung in ein Lager für Kriegsgefangene umfunktioniert worden war, zur Unterbringung von polnischen Dispaced Persons. Ein sowjetisch-amerikanisches Rückführungsabkommen vom 11. Februar 1945 hatte festgelegt, dass alle DPs, die in den besetzten Gebieten vorgefunden wurden, in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten; auch mit Frankreich wurde ein solches Abkommen getroffen.
Anfangs duldeten die West-Alliierten die zwangsweise Rückführung der russischen DPs mit allen Konsequenzen für die Betroffenen, erkannten aber bald die Brisanz der Vereinbarungen und nahmen davon Abstand. Die sowjetische Seite hingegen bestand auf dem Abkommen. Schließlich legte eine UNO-Resolution vom Februar 1946 die Freiwilligkeit der Repatriierung fest. Die nichtjüdischen DPs aus den westlichen Staaten waren bereits Ende Juni 1945 repatriiert. Schwierigkeiten ergaben sich dagegen bei der Rückführung der ehemaligen Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus den osteuropäischen Staaten. Die Betreuung der DPs übernahmen in den Westzonen die Armeen der jeweiligen Besatzungszonen und ab Herbst 1945 bzw. Frühjahr 1946, unter Obhut der Militäradministration, die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen, die United Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) bzw. ab Juli 1947 die International Refugee Organization (IRO).
Ende 1945 betreute die UNRRA auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik 227 DP-Lager und in Österreich weitere 25. Im Juni 1947 belief sich die Zahl auf 762: acht in Italien, 21 in Österreich, 416 in der amerikanischen und 272 in der britischen Zone Deutschlands.Am 1. Juli 1947 befanden sich immer noch 611.469 DPs in Deutschland, davon in der amerikanischen 336.700, in der englischen Zone 44.109, darunter 196.780 Polen, 168.440 jüdische Überlebende und 157.859 Balten. Zunächst wurden die DPs entsprechend ihrer nationalen Zugehörigkeit in den Lagern untergebracht. So mussten sich etwa jüdische Überlebende damit abfinden, dass sie mit ihren polnischen, lettischen, ukrainischen „Landsleuten“, die sich nicht selten als Helfer der Nazis erwiesen hatten, einquartiert waren.
Das führte natürlich dazu, dass das Gefühl der Freude und Erleichterung über die Befreiung bei den jüdischen Überlebenden bald einer Stimmung der Resignation wich. Zu Spannungen kam es auch, weil weder das Armeepersonal noch die hastig eingerichteten DP-Lager die besondere Hilfe boten, die die jüdischen Überlebenden aufgrund ihres Verfolgungsschicksals erwarten durften. Erst allmählich verbesserten sich die Lebensbedingungen vor allem in der amerikanischen Zone, als ab Herbst 1945 ein genuin jüdischer DP-Status eingeführt wurde und eigene Lager ausschließlich für jüdische DPs entstanden. In der britisch besetzten Zone wurde den jüdischen Überlebenden ein solcher eigener Status verweigert.
Als nach erneuten Pogromen in Polen und anderen mittel- und osteuropäischen Staaten im Sommer 1946 ein großer Massenzustrom in die westlichen Besatzungszonen einsetzte und die Zahl der jüdischen DPs um das Dreifache wuchs, standen Hilfsorganisationen und Militärregierung erneut vor einem schier unlösbaren Problem. Wegen der restriktiven Politik der Engländer in ihrer Zone konzentrierten sich die meisten Flüchtlinge in die US-Zone. Neue DP-Lager wurden eingerichtet, andere bereits bestehende erweitert. Zu den größten jüdischen DP-Lagern mit zum Teil über je 6.000 Bewohnern zählten Bad Reichenhall, Landsberg am Lech, Pocking und Föhrenwald/Wolfratshausen 25 Kilometer südlich von München.
Trotz erlebter Verfolgung und der Tatsache, dass sie sich immer noch in Deutschland befanden und sich der zunächst als vorübergehend geplante Aufenthalt als Illusion erwies, waren es gerade die jüdischen Überlebenden, die unter allen DPs am schnellsten versuchten, der Lethargie des Lageralltags zu entkommen. Sie wählten Lager-, Zonen- und zonenübergreifende Selbstvertretungskomitees – Zentralkomitee für die Befreiten Juden -, setzten eigene Polizei in den Lagern ein und entwickelten ein beeindruckendes kulturelles Leben, das ganz der osteuropäischen jiddischen Tradition verhaftet war. Es wurden Synagogen eingerichtet, Schulen und Sportklubs gegründet, Fußball-Ligen und Sportfeste abgehalten. Zeitungen gehörten zu den wichtigsten kulturellen Errungenschaften aller DPs, vor allem aber der überlebenden Juden.
Zeitweise erschinen mehr als 40 solcher Blätter in Hebräisch und in jiddischer Sprache, anfangs noch mit lateinischen Druckbuchstaben. Bereits im Herbst 1945 waren die ersten jüdischen DP-Zeitungen zum Teil noch handschriftlich und hektrographiert verteilt worden. Die deutsche Bevölkerung begegnete den DPs mit erheblichen Vorurteilen. Übertriebene Gerüchte über angebliche Plünderungen der DPs waren immer noch Folge der Nazi-Propaganda gegen „Untermenschen“, als die Nationalsozialisten neben den Juden vor allem Polen und Sowjetbürger stigmatisiert hatten. Fremdenfeindlichkeit und die Abwehr von Verantwortung gegenüber den Opfern des Nazi-Regimes mischten sich mit alten Vorurteilen und führten dazu, dass vor allem den jüdischen DPs eine überproportionale Kriminalitätsrate unterstellt wurde, die Untersuchungen der Militärbehörden zufolge keine reale Grundlage hatte.
Die Mehrheit der jüdischen DPs konnte nach der Staatsgründung Israels und dem Ende des israelischen Unabhängigkeitskrieges sowie nach der Lockerung der US-amerikanischen Einwanderungsbestimmungen Deutschland verlassen. Für einige tausend jüdische Überlebende endete die Zeit im DP-Lager jedoch erst im Jahre 1957, als das letzte jüdische und damit auch letzte DP-Lager in Deutschland überhaupt, Föhrenwald bei Wolfratshausen in der Nähe von München geschlossen wurde.
Von Rolf von Ameln
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