Voll Empörung über die Pogrome der Nazis gegen die Juden in Deutschland schrieb die „Pariser Tageszeitung“ in ihrer Ausgabe von Mittwoch, 16. November 1938: Die Welt will helfen, Roosevelt zu den Judenverfolgungen.
Washington, 15. November. Der Präsident der Vereinigten Staaten, Roosevelt, erklärte der Presse gegenüber den deutschen Judenverfolgungen: „Die in diesen Tagen eingetroffenen Nachrichten haben das amerikanische Volk zutiefst erschüttert. Eine gleich tiefe Reaktion wäre eingetreten, wenn wir das, woher auch immer, gehört hätten. ICH SELBST KONNTE KAUM GLAUBEN, DASS DERARTIGE DINGE SICH IN DER ZIVILISATION DES ZWANZIGSTEN JAHRHUNDERTS NOCH EREIGNEN KONNTEN. Um einen Bericht aus erster Hand über die Situation aus Deutschland zu haben, habe ich Staatssekretär Cordel Hull gebeten, unseren Botschafter in Berlin aufzufordern, sofort nach Washington zu kommen.“ Der Präsident betonte dann, dass die Zurückberufung des Botschafters Wilson in Diplomatensprache keine Rückberufung, sondern eine Berufung zur Berichterstattung darstelle. Der Präsident fügte hinzu, er wisse nicht, wie lange sich der Botschafter in Washington aufhalten werde und betonte, es sei noch nicht die Frage erörtert worden, einen offiziellen Protest wegen der Schäden an das Reich zu richten, die die amerikanischen Juden in Deutschland erlitten haben. Roosevelt schloss, dass der zwischenstaatliche Ausschuss in London alle Anstrengungen mache, um seine Hilfsaktion zu entwickeln. Roosevelt persönlich prüfe alle Möglichkeiten einer Einwanderung für die Juden. Er fügte aber hinzu, dass er noch keine Erklärungen hierzu abgeben könne.
EMPOERUNG IN AMERIKA
New York, 15. November. Die Empörung in Amerika wächst von Stunde zu Stunde. Bei der Einfahrt des deutschen Ozeandampfers „Bremen“ erschienen Demonstranten mit grossen Plakaten am Quai mit Aufschriften, die „Heraus mit deutschen Schiffen aus dem New Yorker Hafen“ oder „Boykottiert den Handel mit Hitler“ beschriftet waren. Die deutschen Konsulate sind durch starke Polizeikordons abgesperrt. Im Rundfunk haben die hervorragendsten Politiker der Vereinigten Staaten Ansprachen gehalten, unter ihnen der frühere Präsident Hoover, der ausführte, dass die antijüdischen Angriffe Deutschland von der übrigen Welt isolierten. Vom 27. November bis zum 4. Dezember wird eine Anti-Nazi-Woche veranstaltet.
POGROME WUETEN IN DANZIG
Warschau, 15. November. In Danzig nehmen die pogromartigen Zwischenfälle immer weitere Ausdehnung an. Zweihundert polnische Juden, die in der Freistadt wohnen und frühmorgens auf die Eröffnung des polnischen Generalkonsulats warteten, um ihre Pässe ordnungsgemäss vorzuzeigen, wurden plötzlich von der Danziger Polizei verhaftet und auf das Polizeipräsidium verschleppt. Zahlreiche Hauseigentümer der Stadt haben ihre jüdischen Mieter aufgefordert, spätestens Ende des Monats, ihre Wohnungen zu räumen. Die Danziger Behörden haben das Eigentum eines grossen Handelshauses, das einem Schweizer Bürger gehört, beschlagnahmt. Aus dem jüdischen Logenhaus in Danzig hat die Danziger Polizei bei einer Haussuchung eine Kassette mit etwa einer Million Danziger Gulden gestohlen.
Nazioffensive gegen England.
Berlin, 15. November. Die Plädoyers, die in Form von Erklärungen, Artikeln und Interviews von der deutschen Propaganda gehalten wurden, um in den Augen der Welt die Grausamkeit der antisemitischen Verfolgungen zu rechtfertigen, waren vergeblich. Aus Wut darüber geht die deutsche Propaganda plötzlich zur direkten Offensive gegen England vor. Seit Dienstag morgen veröffentlichen die deutschen Zeitungen und der Goebbels-Rundfunk Greuelmeldungen, die aus Jerusalem datiert sind, und in denen behauptet wird, dass die englische Armee wahrhafte Grauentaten gegen die unglückliche arabische Bevölkerung in Palästina verrichtet. Diese Meldungen werden mit besonders wilden redaktionellen Bemerkungen versehen, um durch Schilderungen von englischen Greueltaten aus allen Kolonialkriegen des letzten Jahrhunderts die Judenverfolgungen in Deutschland zu rechtfertigen.
Ein weiterer Teil folgt in der nächsten Woche.
Von Rolf von Ameln
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