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„Das 12 Uhr Blatt“, Ausgabe Berlin titelt: Sudelköche in den Hetzzentralen weiter schwer schockiert/London bejammert die Juden

In der Ausgabe von Freitag, 24. März 1944 geht die Berliner Zeitung „Das 12 Uhr Blatt BZ am Mittag“ auf die Vorkommnisse in Ungarn ein und titelt: Ungarns Presse begrüßt die neue Entwicklung. Möge sich der Leser selbst ein Bild über die Verlogenheit des Nazi-Regimes machen:

Das 12 Uhr Blatt BZ am Mittag. Foto: Archiv/RvAmeln

Das 12 Uhr Blatt BZ am Mittag. Foto: Archiv/RvAmeln

Die deutschen Maßnahmen in Ungarn haben in London, Moskau und Washington schon deswegen einen überraschenden Eindruck erweckt, als sie nach dem Urteil der Sachverständigen „unbegreiflich schnell“ durchgeführt worden seien. Wir brauchen uns das zwar nicht von den jüdischen Schmierfinken bestätigen zu lassen, weil die deutsche politische und militärische Kriegsführung diesen Gangstern noch manche Nuss zu knacken aufgeben wird; aber es ist doch interessant, eine schwere Schockwirkung auf der Feindseite feststellen zu können, die soweit ging, daß der USA-Staatssekretär Hull auf der Pressekonferenz in Washington, danach gefragt, ob er einen Kommentar zur Lage in Ungarn geben könnte, dieser peinlichen Frage auswich und erklärte, er wisse nicht genau, was sich dort ereignet.

Indessen steht eines sehr genau fest: Die seit langer Zeit von der anglo-amerikanischen Agitation inszenierte unterirdische Wühltätigkeit in Ungarn ist nunmehr ein für allemal unterbunden und zerschlagen worden. Reuter hatte gleich eine ganze Serie von Lügenmeldungen fabriziert, sich einen „ungarischen Diplomaten“ aus den Fingern gesogen, der nun genau die genaue Wahrheit von sich gab. Alle diese eigens fabrizierten Unruhemeldungen kristallisieren sich um die Hauptlüge, daß der Reichsverweser von Horthy und der ungarische Kriegsminister „Gefangene der Deutschen“ seien und irgendwo hinter dicken Mauern säßen.

Zur Enttäuschung und zum Aerger dieser Lügenbolde aber hat der Reichsverweser selbst den Auftrag zur Bildung der neuen Regierung gegeben, in der der angeblich gefangene Kriegsminister Esaton wiederum das Kriegsministerium übernommen hat. Die Blamage für die Märchenerzähler kann also nicht größer sein. Auch um Kallan bemüht sich das Reuterische Lügenbüro und behauptete, „mit Bestimmtheit“ zu wissen, daß er zwar vor zwei Tagen zurückgetreten sei, aber die Deutschen keinen Nachfolger finden können. Schließlich wurde auch noch der Führer der deutschen Minderheit in Ungarn, Franz Basch, in dieses lügenhafte Spinnengewebe hineingezogen.

An dieser Hetze, die Unruhe im Lande hervorrufen sollte, beteiligte sich auch der Sender in Kairo, der von einem Belagerungszustand in Ungarn faselte und behauptete, daß alle Regierungsmitglieder verhaftet seien. Nun, die Regierung Sztojan steht! Die Mitglieder des neuen Kabinetts sind Männer der Tat, Freunde Deutschlands, Feinde des Bolschewismus und der Plutokraten. Das gilt vor allem auch für den Innenminister Jarosz, der durch seine Reden bekannt wurde, in denen er auf die schicksalsverbundene mit Deutschland hinwies und dem Liberalismus und dem Judentum den schärfsten Kampf ansagte. Der Kriegsminister ist gleichfalls ein Freund Deutschlands.

Zur deutschen Wehrmacht unterhält er kameradschaftliche Beziehungen. Ein Vorkämpfer für enge Zusammenarbeit mit Deutschland und für die nationale Erneuerung Ungarns ist auch der Stellvertretende Ministerpräsident Racz. Die Fachminister sind ebenfalls bekannte Politiker. In Ungarn selbst wird die Regierungsumbildung lebhaft kommentiert: „Függtlenseg“ schreibt: „Jene Politik, die Julius Gömbös eingeschlagen hat, ist wieder zur Geltung gekommen und hat ihren ursprünglichen Sinn erhalten. In den historischen Stunden hat der Reichsverweser die stets erhoffte Einheit des nationalen Ungarn geschaffen. Ungarn, das in enger Schicksalsgemeinschaft mit dem mächtigen Deutschen Reich lebt, weiß, daß seine Zukunft nur auf der alten bewährten Grundlage gesichert werden kann.

Im tiefen und aufrechten Gefühl dieser Freundschaft begrüßt die ungarische Oeffentlichkeit die hier eingetroffenen deutschen Truppen als aufrichtige Waffenkameraden und Brüder. Die Nation hat verstanden, daß die einzige Möglichkeit ihres Fortbestandes nur in der entschlossenen Ausdauer liegt.“ Ueberall kommt in den Pressestimmen des Landes zum Ausdruck, daß die neu gebildete Regierung mit stärkster Betonung jene völkische Politik verfolgen werde, die in der ungarischen Nation seit Jahrzehnten verankert sei. Gleichzeitig erinnern die ungarischen Blätter an den 25. Jahrestag der Räteherrschaft, denn die Regierungsumbildung fällt mit dieser traurigen Erinnerung zeitlich zusammen.

„Uj Magnarsag“ stellt fest, daß es sich heute, wo man von gewisser Seite soviel über Humanismus spreche, lohne, die blutigen Ereignisse des März 1919 ins Gedächtnis zurückzurufen und alle Folgerungen daraus zu ziehen. Diese tragischen Ereignisse, so wird weiter ausgeführt, hätten sich wahrscheinlich nicht ereignet, wenn vor Ausbruch der Revolution diejenigen nicht ungehemmt ihr Unwesen hätten treiben können, deren einzige Aufgabe es gewesen sei, die nationale Oeffentlichkeit irrezuleiten, einzuschläfern und schließlich ihr Werk mit schmählicher Vollkommenheit durchzuführen. Es ist indes kein Wunder, daß jetzt in der Judenheit ein großes Gelärme wegen der rund einer Million Juden in Ungarn angestimmt wird, deren Einfluß, besonders in der Budapester Presse, immer noch verhältnismäßig groß war.

Das ungarische Judentum war im Grunde genommen bisher völlig unbehelligt geblieben, aber dieses Trojanische Pferd wird jetzt entdeckt und wird ausrangiert werden. Der Sender London jammert daher auch schmerzlich, daß bisher eine Million „Flüchtlinge“ in Ungarn Unterschlupf gefunden hätten, die jetzt „wieder den Deutschen ausgeliefert“ seien. Vermutlich meint der Londoner Rundfunk verschiedene nach Ungarn emigrierte europäische Juden, um deren Schicksal er bangt.

Bald darauf folgten die Deportationen in die Arbeitslager und Todesfabriken der Nazis. Im Jahre 1944 lebten noch rund 200.000 Juden in Budapest, untergebracht in spezielle gekennzeichneten „Judenhäusern“, ab November so gut wie ausschließlich in Ghettos. Währen die Rote Armee schon vor den Toren Budapests stand, transportierte man noch zehntausende Menschen in die Konzentrationslager in Östereich und Deutschland. Dort sollten die ungarischen Juden noch Zwangsarbeit leisten, viele sollten ihre Ziele auf den sogenannten Todesmärschen nie mehr erreichen.

Hunderte von Juden konnten mit der Hilfe von Schutzpässen gerettet werden, welche die Inhaber unter den Schutz der schwedischen Gesandtschaft in Ungarn stellten. Entworfen hatte diese der schwedische Botschaftssekretär Raoul Wallenberg; finanziert wurden die Aktionen vom im Frühjahr 1944 gegründeten Flüchtlingskomitee „War Refugee Board“. Selbst nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler und der Wiederaufnahme der Deportationen gelang es Wallenberg und anderen diplomatischen Vertretungen noch, tausenden ungarischen Juden das Leben zu retten.

Budapest wurde letztendlich Mitte Januar des Jahres 1944 von der Roten Armee erobert, die überlebende jüdische Bevölkerung aus den Ghettos befreit.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 30/03/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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