Der Waffenstillstand in Syrien, der in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2016 in Kraft trat, hat zu einem deutlichen Rückgang der Feindseligkeiten in den betroffenen Regionen geführt. Lokale begrenzte Zwischenfälle bewirkten keine nennenswerten Verschiebungen. Das Abflauen der Feindseligkeiten wurde zur Versorgung eingeschlossener Ortschaften und Städte mit humanitären Hilfsgütern, zur Erholung der Kämpfenden und zu Vorbereitungen auf die Zeit danach genutzt.
Im Schutze des Waffenstillstandes griff die syrische Armee mit russischer Luftunterstützung die (seit Mai 2015) vom IS kontrollierte Stadt Palmyra an. Panzer und Infanterieeinheiten stießen bis in die Vororte der Stadt vor und fügten dem IS schwere Verluste zu. Laut der amtlichen syrischen Nachrichtenagentur gelang es den Regimetruppen gar, einige Viertel im Südosten der Stadt wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Kämpfe um die Stadt dauern an. Sollte es der syrischen Armee gelingen, Palmyra ganz zurückzuerobern, würde sie damit den IS von seinen Hochburgen im Raum Damaskus und Homs abschneiden und sich eine gute Ausgangsposition für weitere Vorstöße in die Kerngebiete des IS verschaffen.
Der IS sieht sich in seinem Kerngebiet in Nordostsyrien zunehmend von der syrischen Armee (aus dem Süden und Osten) sowie von kurdischen Kräften (aus dem Norden und Nordosten) bedroht. Zusätzlichen Druck bilden die intensiven Luftangriffe der Anti-IS-Koalition und Russlands. Diesem Druck auf seine Hochburgen begegnet der IS mit intensivem Guerillakrieg und Terroraktionen in Syrien, im Irak und auch in anderen Ländern (diese Woche dauerten die Terroraktionen des IS gegen die schiitische Bevölkerung in Bagdad und südlich der irakischen Hauptstadt an. Zudem griff der IS einen tunesischen Militärstützpunkt von libyschem Territorium aus an.
Das Waffenstillstandsabkommen – Momentaufnahme
Der am 26. Februar um Mitternacht in Kraft getretene Waffenstillstand hält nach dem bereits bekannten Muster stand: In den Gebieten, die von der Vereinbarung betroffen sind, wurden abgesehen von lokal begrenzten Zwischenfällen – vor allem im Raum Aleppo – keine wesentlichen Verletzungen registriert. In den vom IS beherrschten Gebieten dauerten die Kämpfe dagegen an. Ihr Schwerpunkt lag diese Woche auf einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive der syrischen Armee gegen die Stadt Palmyra. In den Rebellengebieten, die von der Al-Nusra-Front kontrolliert werden, wurde auch diese Woche nur vereinzelt gekämpft, da die relevanten Parteien die Waffenruhe weitgehend respektierten und die an der Waffenruhe nicht beteiligte Al-NusraFront in den meisten Fällen darauf achtete, sich unter die anderen Rebellengruppen zu mischen und sich nicht zu exponieren. Derweil gingen die Luftangriffe Russlands, der USA und der internationalen Koalition auf Ziele des IS im Osten und Norden Syriens weiter. Sie wurden als legitim erachtet.
Der amerikanische Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow begrüßten die Einhaltung der Waffenruhe und betonten, sie habe einen deutlichen Rückgang der Feinseligkeiten bewirkt (dw.com, 5. März 2016). Dennoch forderte der syrische Bürgerkrieg weitere Opfer, wenn auch nicht mehr im selben Ausmaß wie zuvor. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am 5. März, in der ersten Woche seit Inkrafttreten des Waffenstillstandes seien in den Gebieten, in denen er gelte, 135 Menschen getötet worden. In den Gebieten, die vom Waffenstillstand ausgenommen seien, habe es in derselben Woche 552 Todesopfer gegeben, darunter Aktivisten von Rebellenorganisationen und Soldaten der syrischen Armee (Al Jazeera, 5. März 2016).
Russland versucht, weitere Organisationen für das Waffenstillstandsabkommen zu gewinnen. Von russischer Seite wurde gemeldet, im Verlaufe der vergangenen Woche seien Waffenstillstandvereinbarungen mit weiteren Oppositionsgruppen getroffen worden und es bestünden gegenwärtig über vierzig solche Abkommen (Facebook-Seite des russischen Verteidigungsministeriums, 4. und 5. März 2016). Der Leiter der russischen Koordinationszentrale in Hmeymim sagte, seit Beginn des Waffenstillstandes habe das Zentrum mehr als zwanzig Treffen mit Anführern von Oppositionsgruppen und lokalen Führern abgehalten, die zur Unterzeichnung von Waffenstillstandsvereinbarungen geführt hätten (Sputnik, 4. März 2016). Einem russischen Bericht zufolge hat sich die bedeutende islamistische Rebellenorganisation Dschaisch Al-Islam1 dem Waffenstillstand angeschlossen. Dschaisch Al-Islam dementierte die Nachricht (Syria Mubasher, 5. März 2016).
Der Waffenstillstand wurde zu humanitären Hilfslieferungen genutzt, wobei versucht wurde, eingeschlossene Städte und Dörfer zu erreichen (nach Schätzungen der Vereinten Nationen handelt es sich um rund eine halbe Million Zivilisten). Soweit bekannt ist, erreichten die Hilfslieferungen bislang nur einen Bruchteil der notleidenden Bevölkerung. Auch Russland schloss sich diesen Anstrengungen an. Der russische Verteidigungsminister sagte, Russland habe 620 Tonnen Hilfsgüter nach Syrien geschickt, die in den Regionen Hama, Homs, Latakia, Daraa, Deir Ez-Zur, Aleppo und Damaskus verteilt worden seien (Sputnik, 7. März 2016). Zudem ebnet die Waffenruhe den Weg zu weiteren Gesprächen zwischen Vertretern des syrischen Regimes und der Opposition über die Zukunft Syriens, die demnächst in Genf eröffnet werden sollen.
Die internationale Kampagne gegen den IS
Die von den USA geführte internationale Anti-IS-Koalition führte im Irak und in Syrien weitere Angriffe gegen Ziele des IS und andere Terrororganisationen aus, die nicht Teil der Waffenstillstandsvereinbarung in Syrien sind. Im Verlaufe der vergangenen Woche flogen die Luftwaffen der internationalen Koalition Dutzende von Kampfeinsätzen, deren Schwerpunkt in Syrien auf den Regionen Al-Hasakah, Palmyra und Marea (nördlich von Aleppo) und im Irak auf Ramadi und Mosul lag. Gleichzeitig flog die russische Luftwaffe weitere Angriffe, vor allem gegen den IS. Mit diesen Luftangriffen im Raum Palmyra und Al-Qaryatayn wurde der dortige Vorstoß der syrischen Armee gegen den IS (siehe weiter unten) unterstützt.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, das russische Verteidigungsministerium veröffentliche täglich einen umfassenden Bericht der russischen Koordinationszentrale in Hmeymim zur Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens (Twitter-Konto des russischen Außenministeriums, 2. März 2016). Der stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation, Michail Bogdanow, meinte, Waffenstillstandsverletzungen ließen sich mit technischen Hilfsmitteln wie etwa Drohnen, Überwachungsmitteln aus dem All etc. feststellen. Er äußerte Zufriedenheit über die Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA und sagte, beide Länder verfügten über Koordinationszentralen, und es gebe zwischen den beiden Armeen Kommunikationskanäle für den Informationsaustausch (Tass, 7. März 2016).
Die Türkei
Die Türkei beschoss diese Woche Ziele entlang der türkisch-syrischen Grenze mit Artilleriegranaten, unter anderem Ziele des IS und der Al-Nusra-Front, aber auch kurdische Ziele (die Türkei sperrt sich gegen die Einbeziehung kurdischer Kräfte in das syrische Waffenstillstandsabkommen, obwohl auch die Kurden den IS bekämpfen). Zudem wurde gemeldet, dass die türkische Grenzwache den türkisch-syrischen Grenzübergang Bab Al-Hawa geschlossen hat und auf jeden schießt, der sich dem Übergang zu nähern versucht (Dimashk Al-Aan, 4. März 2016).
Der syrisch-türkische Grenzübergang Bab Al-Hawa liegt an der Hauptverbindungsachse zwischen Iskenderun (hist. Alexandrette) und Aleppo. Er wird auf syrischer Seite von der Al-Nusra-Front kontrolliert und von der Organisation Ahrar Al-Sham über eine eigens eingesetzte Zivilverwaltung betrieben. Es handelt sich um einen stark frequentierten Grenzübergang, der für den Schmuggel von Waffen, Öl und Gas, aber auch von vielen Flüchtlingen genutzt wird. Dieser Grenzübergang hat für die syrischen Rebellenorganisationen, besonders für die Al-Nusra-Front, als letzte große Nachschubverbindung von der Türkei nach Aleppo und Idlib große Bedeutung (nachdem die Hauptverbindungsachse von Aleppo nordwärts in Richtung Grenzübergang Bab Al-Salama unterbrochen wurde).
Quelle: Meir Amit Intelligence and Terror Information Centre
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