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Israels Botschafter in Deutschland: Den Antisemitimus bringen nicht nur Flüchtlinge mit

Sie riefen „Jude“, schubsten ihn zu Boden, traten auf seine Hand und raubten ihm Telefon und Geldbörse. Der 49-jährige Geschäftsmann aus Frankreich, der zu Jahresbeginn am Fähranleger in Puttgarden überfallen wurde, trug Kippa. Er wurde Opfer, weil er Jude ist. Seine Angreifer, das teilte die Polizei mit, waren zwei junge Männer, die erst vor kurzem als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren. Sie beschimpften den Geschäftsmann auf Arabisch.

Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Foto: Botschaft

Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Foto: Botschaft

Nun wäre es leicht zu sagen: Nicht Deutsche, sondern Flüchtlinge sind eine Gefahr für Juden. Schließlich stammten die Angreifer aus dem Nahen Osten.

Wirklich? Ich halte diese Schlussfolgerung für falsch und gefährlich. Fremdenhass ist ein Problem, das alle etwas angeht. In Dresden wurden kürzlich zwei Israelis angegriffen. Diesmal waren die Täter deutsche Männer. Offenbar Rechtsradikale. Sie hatten die Israelis, die in Dresden Medizin studieren und sich auf Arabisch unterhielten, für Flüchtlinge gehalten. Wie groß der Hass einiger Deutscher auf Flüchtlinge ist, das haben wir auch am vergangenen Wochenende wieder in Clausnitz und in Bautzen beobachten müssen.

„In diesem Fall: Ja.“

Kürzlich berichtete die ARD-Fernsehjournalistin Tamara Anthony, was ihr in einer Kneipe im schicken Pöseldorf in Hamburg geschehen war. Ein Mann im feinen Anzug hatte mitten im Lokal gerufen: „Juden ins Gas!“. Als die Journalistin sagte, sie sei Jüdin und den Mann fragte, ob er auch sie töten wolle, sagte der Mann ihr ins Gesicht: „In diesem Fall: Ja.“ Es dauerte, bis die Journalistin unter den weiteren Kneipenbesuchern endlich Unterstützung beim Protest gegen den Mann fand – schließlich sah er in seiner Kleidung aus wie ein kultivierter Mensch.

Es sind drei unterschiedliche Fälle. Sie bedeuten für mich, erstens: Für das Opfer ist es zunächst egal, wer der Angreifer ist. Ob Deutscher, ob Flüchtling, ob erkennbarer Neonazi oder Mann im feinen Anzug. Zweitens: Hinter allen drei Fällen steckt das gleiche Motiv. Ob der französische Geschäftsmann in Puttgarden, die arabischen Israelis in Dresden oder die jüdische Journalistin in Hamburg – sie alle wurden Opfer von Hass gegen Minderheiten. Antisemitismus ist immer ein Teil dieses Phänomens. Und Fremdenhass ist immer auch ein Problem derjenigen Gemeinschaft, wo er passiert.

20 Prozent der Deutschen sind latent antisemitisch

Angenommen, alle Juden würden aus Deutschland auswandern. Auch dann wäre das Problem nicht gelöst. Die Antisemiten würden sich eben eine andere kleinere Gruppe suchen, der sie die Schuld geben für alles, was in der Gesellschaft schiefläuft. Laut belastbaren Umfragen sind rund 20 Prozent der Deutschen latent antisemitisch eingestellt.

Deshalb ist es so gefährlich, wenn es nun heißt: Antisemitismus in Deutschland, den bringen nur die Flüchtlinge mit. Es ist leicht zu sagen, das geht uns nichts an. Für manch anderen ist dieser Vorwurf gar willkommener Anlass, gegen Flüchtlinge zu hetzen.

Dabei erinnere ich mich gut an viele beschämende Fälle von Antisemitismus, die sich in Deutschland vor der Ankunft der Flüchtlinge ereigneten. Und wenn Unbekannte nun Flüchtlingsheime anzünden, dann mag sich diese Aggression vielleicht zuerst nicht gegen Juden richten. Aber die Täter stellen allzu gerne einen symbolischen Bezug zu dem her, was in Deutschland ab 1933 geschehen war.

Juden und Christen gemeinsam gegen den Islam?

Jede Demokratie muss sich selbst vor Fremdenhass schützen. Nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Zugegeben: Viele der Menschen, die nun nach Deutschland fliehen, stammen aus Ländern, in denen umgekehrt der Hass auf Juden und Israel gepflegte Tradition ist. Aber das ist nun nicht mehr ein Problem von Ländern, die weit entfernt im Mittleren Osten liegen. Es ist ein Problem von Deutschland. Von allen Menschen hier, die aufstehen müssen, sobald es gegen Minderheiten geht. Ob am Fähranleger in Puttgarden, in der Innenstadt in Dresden oder in einer schicken Kneipe in Hamburg. Und langfristig gibt es nur eine Antwort auf den Judenhass: Bildung, Bildung und nochmals Bildung.

Mit großer Skepsis beobachte ich, wenn Menschen, die auf der Straße offen gegen Flüchtlinge protestieren, plötzlich israelische Flaggen schwenken. Das war in jüngster Zeit gelegentlich zu beobachten. Ausländerfeindliche Menschen sprechen von „uns Juden und Christen“ und bezeichnen den Islam als gemeinsamen Feind. Das ist Unsinn. Erinnern wir uns daran, wie die israelischen Studenten in Dresden angegriffen wurden, nur weil sie Arabisch sprachen.
Von Botschafter Yakov Hadas-Handelsman

Der Beitrag ist 23. Februar 2016 in der Online-Ausgabe des Magazins Cicero erschienen.

Mit freundlicher Genehmigung der Botschaft des Staates Israel

 

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Von am 29/02/2016. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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