Meine Seite

Abonnieren

  • Subscribe via Email
  • Facebook
  • Twitter

„Jüdisches Nachrichtenblatt“ gibt bekannt: Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden

In seiner letzten Ausgabe von Freitag, den 12. September 1941 teilt das Jüdische Nachrichtenblatt seinen Lesern mit, wie die Juden im „Großdeutschen Reich“ zu kennzeichnen sind. Der Wortlaut soll hier im Original wiedergegeben werden, damit er niemals in Vergessenheit geraten soll:

Jüdisches Nachrichtenblatt von Freitag, 14. September 1941. Foto: Archiv/RvAmeln

Jüdisches Nachrichtenblatt von Freitag, 14. September 1941. Foto: Archiv/RvAmeln

Auf Grund der Verordnung über die Polizeiverordnungen der Reichsminister vom 14. September 1938 (Reichsgesetzbl. I S.1582) und der Verordnung über das Rechtsetzungsrecht im Protektorat Böhmen und Mähren vom 7. Juni 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1033) wird im Einvernehmen mit dem Reichsprotektor in Böhmen und Mähren verordnet:

§ 1, (1) Juden (§ 5 der ersten Verordnung vom Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 – Reichsgesetzbl. I S. 1333), die das sechste Lebensjahr vollendet haben, ist es verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne einen Judenstern zu zeigen.

(2) Der Judenstern besteht aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der Aufschrift „Jude“. Er ist sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.

§ 2, Juden ist es verboten:

a) den Bereich ihrer Wohngemeinde zu verlassen, ohne eine schriftliche Erlaubnis der Ordnungspolizeibehörde bei sich zu führen;

b) Orden, Ehrenzeichen uns sonstige Abzeichen zu tragen.

§ 3, Die §§ 1 und 2 finden keine Anwendung;

a) auf den in einer Mischehe lebenden jüdischen Ehegatten, sofern Abkömmlinge aus der Ehe vorhanden sind und diese nicht als Juden gelten, und zwar auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht oder der einzige Sohn im gegenwärtigen Kriege gefallen ist;

b) auf die jüdische Ehefrau bei kinderloser Mischehe während der Dauer der Ehe.

§ 4, (1) Wer dem Verbot der §§ 1 und 2 vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft bis zu sechs Wochen bestraft.

(2) Weitergehende polizeiliche Sicherungsmaßnahmen sowie Strafvorschriften, nach denen eine höhere Strafe verwirkt ist, bleiben unberührt.

§ 5, Die Polizeiverordnung gilt auch im Protektorat Böhmen und Mähren mit der Maßgabe, daß der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren die Vorschrift des § 2 Buchst. a den örtlichen Verhältnissen im Protektorat Böhmen und Mähren anpassen kann.

$ 6, Die Polizeiverordnung tritt 14 Tage nach ihrer Verkündigung in Kraft.

Die Verordnung ist durch Ausgabe der Nr. 100 des Reichsgesetzblatts 1941 Teil I am 5. September 1941 verkündet worden, tritt also am 19. September 1941 in Kraft. (Red.)

Ausgabe der Kennzeichen an die Juden in Berlin

Die Verteilung der Judensterne an die in Berlin ansässigen Juden erfolgt durch die Jüdische Kultusvereinigung Berlin e.V. Dies gilt auch für diejenigen Juden im Sinne des § 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz, die nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehören.

Jeder kann zunächst nur einen Stern erhalten. Eine weitere Verteilung soll im Oktober stattfinden.

Die Ausgabe erfolgt am Mittwoch, dem 17. September für die Buchstaben A – K und am Donnerstag, dem 18. September, für die Buchstaben L – Z durchgehend von 8 bis 20 Uhr in den nachstehend angegebenen Verteilungsstellen:

Für die Bewohner der Verwaltungsbezirke in den Verteilungsstellen:

Charlottenburg

Synagoge Levetzovstr. 8

Tiergarten Schule Joachimsthaler Str. 18 (Turnhalle und Aula)
Horst Wessel Schule Kaiserstr. 29/30

Lichtenberg (Turnhalle)

Weißensee

Köpenick Alte Synagoge, Eingang Rosenstraße 24

Mitte

Neukölln Synagoge Thielschufer 10 – 18

Treptow

Tempelhof

Kreuzberg

Pankow Schule Choriner Straße 74

Prenzlauer Berg (Turnhalle)

Reinickendorf

Wedding

Schöneberg Synagoge Münchener Str. 37

Steglitz

Wilmersdorf Schule Joachimsthaler Str. 18

Zehlendorf (Turnhalle und Aula)

Spandau

Die Ausgabe erfolgt nur gegen Vorlegung des lila Bezugsausweises der Reichshauptstadt Berlin. Wer für andere mitbesorgt, muß deren lila Ausweis mitbringen und ihre genaue Kennkartennummer mit Kennort, bei Staatenlosen und Ausländern die ausstellende Paßbehörde und die Paßnummer angeben.

Die Ausgabe des Kennzeichens erfolgt gegen Zahlung von 0,10 RM.

Jüdische Kultusvereinigung Berlin e. V.
Der Vorstand

Auf Seite drei schreibt das Blatt:

Lebensmittelkarten-Ausgabe an Juden in Berlin

Bei Wohnungsveränderungen sind An- und Abmeldungen v o r der Kartenausgabe in den vorgesehenen Sprechstunden vorzunehmen, da sonst keine Gewähr gegeben ist, daß die Lebensmittelkarten an den Ausgabetagen ausgehändigt werden können. Die aufgeführten Ausgabetermine sind genau einzuhalten, da eine Ausgabe zu einer anderen Zeit unter keinen Umständen erfolgt. Die Lebensmittelkarten werden nur gegen Vorlage des grünen Haushaltsausweises, des violetten Bezugsausweises der Stadt Berlin und der Kennkarte ausgegeben. Hauptmieter erhalten die Lebensmittelkarten für ihre Untermieter nur gegen Vorlegung der polizeilichen Anmeldung und einer Vollmacht.

Den Anweisungen der an weißer Binde kenntlichen Ordner ist auf jeden Fall Folge zu leisten.

Danach erfolgt eine ellenlange Auflistung aller Kartenstellen in Berlin mit Datum, Uhrzeit und Straßenangabe sowie nach Buchstaben geordnet.

So wurden die im Nazi-Reich und in den „Protektoraten“ lebenden jüdischen Bürger gedemütigt und an den Pranger gestellt, bevor das Vernichtungsprogramm der Nazis begann.

Nach 1945 hat niemand, aber auch niemand etwas gewusst. Verdrängen und Vergessen war und ist die Parole.

Von Rolf von Ameln

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.

Von am 01/02/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!

Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.