Der „Völkischer Beobachter“, d i e Propagandazeitung von Goebbels titelt am 22. April 1939:
Die Welt tief beeindruckt.
Paris: Welche Armee – Welche Macht! Ein Wunder der Vollkommenheit.
Drahtbericht unseres ständigen Vertreters.
Paris, 21. April. Widerwillig, aber dennoch tief beeindruckt, schildert die Pariser Presse durch den Mund ihres Korrespondenten oder der Havas-Agentur die überwältigende Geburtstagsfeier, die die Reichshauptstadt dem Führer bereitet hat. Hitler könne mit diesem Deutschland weit gehen. Er habe von ihm gestern wieder einmal einen Blanko-Scheck erhalten. Demonstrativ wird der militärische Charakter der Feiern herausgestellt. Eine Front in Feldgrau, nennt der „Excelsior“ in Anlehnung an deutsche Blätter das erlebte Schauspiel.
Einen ganz besonders tief empfundenen Bericht gibt der Korrespondent des „Journal“, der schreibt: „Von sieben Uhr morgens angefangen, füllten sich alle Straßen und Wege, die zur Feststraße führten, und dann diese selbst. Es war eine ungeheure Menschenmenge, von einer dichte, daß man von dem Aufbruch eines Volkes sprechen konnte. Singend vertrieben sie sich die langen Stunden des Wartens, entschlossen, den Mann von nahem zu sehen, der heute seinen 50. Geburtstag feierte, nach einer so außerordentlichen Karriere, wie sie kaum ein Mensch je gemacht hat. Unter dem Titel „Am Anfang waren es sieben“ folgt dann eine kurze Schilderung des Lebenslaufes des Führers.
Weiter heißt es dann: „Ein Sturm von Begeisterung ging überall durch die Menge, als der Held des Tages vorbeikam, dem Donnern von Hunderten von Geschützen vergleichbar. Führer, wir danken dir! – Sieg Heil! – tobte die Menge, sobald sich die ersten Konturen der Begleitfahrzeuge näherten und hörte damit erst auf, als die letzten verschwunden waren. Das, was das Diplomatische Korps, die Militärattaches des Auslandes und die Ehrengäste des Führers vom Balkan,, aus der Türkei, aus Italien und selbst aus Südamerika von der deutschen Armee gesehen, war vom Besten, was man sich denken kann, zeigte, daß die deutsche Armee zu den modernsten und bestausgebildetsten Armeen der Welt gehört.
Man hat sich besonders bemüht, die Vollendung des motorisierten Materials und der Artillerie zu zeigen. In untadeliger Haltung zogen die Truppen 5 Stunden lang vorbei. Welche Armee! Welche Armee! Welche Macht! Niemals hat Deutschland eine mächtigere Armee besessen. Niemals ist seine Armee so stark gewesen.“ „Journee Industrielle“, das Blatt der Großindustrie, schreibt unter dem Titel: „Eine Bilanz“: „Daß der Reichskanzler in seinem Volke eine große Popularität genießt, kann niemand leugnen. Das Gegenteil wäre verwunderlich, denn die Bilanz seines Wirkens sei eindrucksvoll, wenn man sich auf die Gegenseite der Barrikade stelle. Die statistischen Ziffern über den deutschen Wiederaufbau sprechen eine beredte Sprache, und auch auf dem politischen Plan hat der Führer eine sehr beträchtliche Leistung vollbracht.“
Und weiter heißt es: „Uns Franzosen interessiert aber gerade diese Erwägung besonders. Die Kraft Hitlers, seine Erfolge, seine Dynamik kommen von der Tatsache, daß er niemals an seinem Vaterlande gezweifelt hat, an den Geschicken Großdeutschlands, selbst dann nicht, als es darniederlag, selbst auch dann nicht, als er selbst im Gefängnis saß und von allen verlassen war. Hier liegt vielleicht auch eine Lehre für alle Politiker, die Staatsmänner sein wollen und sich zu leicht vom Geist des Zweifels ankränkeln lassen.“ (Alleine hier musste doch jeder normale Mensch ableiten können, dass Hitlers Vaterland nicht Deutschland war und die Auslandspresse „getürkt“ war. Anm.d.Verf.)
Und Rudolf Heß, Stellvertreter Hitlers, sagte anlässlich einer Vereidigung an diesem 22. April 1939: „Wo immer ihr mich hört, denkt daran, welch große Gemeinschaft ihr bildet, in welch großem Reiche und Volk ihr vereint seid. Denkt daran, wie groß unser Deutschland geworden ist durch Adolf Hitler. Groß und der Opfer wert, die für dieses Deutschland fielen!“ Nachdem Rudolf Heß sich dann in traditioneller Form auf die Eidesleistung („Ostmark-Soldaten und Sudetenland“) vorbereitet hatte, erfolgte der ebenfalls Tradition gewordene Schwur auf den Führer: „Ich schwöre Adolf Hitler unerschütterliche Treue, ich schwöre ihm und den Führern, die er mir bestimmt, unbedingten Gehorsam!“ Rudolf Heß schloß mit den Worten:
„Wir wenden unsere Gedanken in feierlicher Gemeinschaft zum Allmächtigen, der uns den Befreier aus tiefster Not und den Erlöser aus tiefster Schmach gegeben hat. Wir wenden unsere Gedanken zu ihm mit der einzigen inbrünstigen Bitte, die uns beseelt: Herrgott, sei auch fernerhin mit unserem Volk. Wir wollen uns mühen, mit all unseren Kräften würdig zu sein des Führers, den du uns gesandt!“ (Der Leser mag sich selbst ein Urteil über diese „Gottgleichheit“ machen; – Heß muss damals schon ein Irrer gewesen sein. Anm.d.Verf.)
Schwarzen Humor hatte das Blatt von Goebbels im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten jedoch auch, denn auf Seite 3 schreibt es:
Marsangriff überboten. „Krieg zwischen Deutschland und England soeben ausgebrochen“
Ein verbrecherischer Radio-Ulk amerikanischer Studenten, Panik unter den Zuhörern.
Newyork, 21. April: Amerika ist doch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Studenten vom College von North Orth Manchester, Indiana, erlaubten sich gestern in einer realistisch vorgetäuschten „Rundfunkübertragung aus London“ den an Wahnsinn grenzenden Scherz, den „soeben ausgebrochenen Krieg zwischen England, Frankreich und Deutschland“ anzusagen, was auf die Zuhörer eine ähnliche Wirkung ausübte wie seinerzeit der berühmte „Marsangriff“. Frauen verfielen in hysterische Weinkrämpfe und wurden ohnmächtig, Männer rannten verwirrt und verzweifelt umher. Die Panik erreichte ihren Höhepunkt, als der angebliche englische Kriegsminister erklärte, auch Amerika werde innerhalb weniger Stunden Italien und Deutschland den Krieg erklären. Zum Schluß des „Hörspiels“ „beruhigte“ dann der Radiosender seine Zuhörer mit den Worten: „Was Sie soeben gehört haben, war zwar nur eine Generalprobe, aber sie kann in wenigen Tagen wahr werden.“
Und dieses „Hörspiel“ wurde bereits im Mai 1940 zur Tatsache, als Frankreich überrannt wurde und die Luftschlacht um England ihren Anfang nahm.
Von Rolf von Ameln
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