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„Die Zeitung“ berichtet aus dem Exil in London: Himmlers Generalstabschef Karriere durch SS-Freundschaft

Vom Zwischenträger zum Vertrauensmann

Mit der Ernennung des Generals Kurt Zeitzler zum Nachfolger Generaloberst Halders als Chef des deutschen Generalstabes hat Himmler seinen bisher größten Sieg in seinem Kampf um die Macht in Deutschland errungen. Die Ernennung Zeitzlers ist in Deutschland amtlich nicht verlautbart worden und im Auslande nur auf Grund zuverlässiger Meldungen aus neutralen Quellen bekannt geworden. Es ist eine alte Hilter-Taktik, Wechsel auf hohen Kommandostellen, insbesondere beim Generalstab, nicht öffentlich mitzuteilen; als der Vorgänger Halders, Generalstabschef Beck entlassen wurde, weil er sich mit dem geplanten Einmarsch in die Tschechoslowakei nicht einverstanden erklärte, erfuhr das deutsche Publikum monatelang nicht, dass Beck „gegangen“ worden war, noch wer seine Nachfolge angetreten hatte.

Generals Kurt Zeitzler. Foto: Archiv

Generals Kurt Zeitzler. Foto: Archiv

Kurt Zeitzler stammt aus einer Spreewälder Pfarrersfamilie. Er wurde am 9. Juni 1903 in Cossmar, im Kreise Luckau geboren. Bei Ausbruch des Krieges 1914 trat er als Fahnenjunker in das Infanterie-Regiment Nummer 72 ein und wurde im Dezember des gleichen Jahres zum Leutnant befördert. Dann hat die Karriere des ehrgeizigen jungen Leutnants zunächst jedoch keine weiteren Fortschritte gemacht, denn erst 1918, als der Bestand des deutschen Offizier-Korps sich beträchtlich gelichtet hatt, wurde Zeitzler zum Oberleutnant befördert. Nach dem Waffenstillstand blieb Zeitzler bei der Reichswehr; aber auch unter der Republik kam es nicht zu der erhofften Kariere. Erst 1928, also nach 10jähriger Dienstzeit als Oberleutnant, wurde Zeitzler zum Hauptmann befördert und erst sechs Jahre später, also erst nachdem die Nazis an die Macht gekommen waren, gelang es ihm, die „Majorsecke“ zu passieren.

Enttäuschter Ehrgeiz: Aus dieser selbst für die Aufstiegschancen der republikanischen Reichswehr besonders langsamen Karriere, mag Zeitzlers tiefer Groll gegen das „Kastentum“ des deutschen Offizierskorps herrühren, welches auch in der Republik Söhnen aus adligen Soldatenfamilien bei Beförderungen den Vorrang vor dem Pfarrerssohn aus Cossmar gab. Unter den Nazis machte Zeitzler, wie alle aus der alten Reichswehr stammenden Offiziere, eine etwas schnellere Karriere. Bei Ausbruch des Krieges finden wir ihn im Generalstab des Heeres. Im Juni 1941 war er Oberst und Generalstabschef der Panzergruppe 1 (von Kleist) und erhielt das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Bei dieser Gelegenhiet hieß es im Heeresbericht, dass Zeitzler „in nie dagewesenen Ausmaße“ Panzeroperationen in Polen und Finnlad vorbereitet hatte. Ferner wurde seine „rücksichtslose Einsatzbereitschaft“ sowie „ein felsenfestes Vertrauen auf das Gelingen und den Endsieg des Führers“ hervorgehoben. Die Verleihung des Rittrkreuzes an Zeitzler ist die einzige Gelegenheit, bei der der damalige Oberst in diesem Kriege bis zum heutigen Tage amtlich erwähnt wurde. Die offiziellen Beförderungslisten seit 1941 erwähnten Zeitzler nicht mehr. Wenn er jetzt Generalstabschef geworden ist, so ist anzunehmen, dass er inzwischen mindesten den Rang eines Generalleutnants erklommen hat. Die Erfahrung lehrt, dass Beförderungen innerhalb des Generalstabes im Gegensatz zu Beförderungen des Feldheeres amtlich nur sehr selten bekannt gegeben werden. Insofern würde das stillschweigende Avancement Zeitzlers vom Obersten zum Generalmajor oder Generalleutnant nichts Außergewöhnliches bedeuten.

Zeitzler Rolle in der Generalkrise: Als Generalstabschef er Kleistschen Panzerarmee inst Zeitzler in enge Berührung mit den Panzerdivisionen der Waffen-SS gekommen, welche innerhalb des zweiten Kleistschen Panzerkorps zuerst in Frankreich, später im Balkan und in Russland kämpfte. Aus dieser Tätigkeit rührt die Bekanntschaft und spätere Freundschaft mit Himmler, dem obersten Chef der Waffen-SS. Wie erinnerlich, war die erste Generalskrise im Dezember 1941, bei der auch Brauchitsch „fiel“, unter anderem deswegen ausgebrochen, weil Himmler sich bei Hitler über den „rücksichtslosen Einsatz der SS-Truppen an besonders gefährlichen Frontabschnitten beschwerte und hierfür die SS-feindliche Haltung der „konservativen“ Generalität verantwortlich machte.

Es ist anzunehmen, dass Zeitzler um jener Zeit bereits als Spitzel Himmlers im Generalstab fungierte und dem Reichsführer SS das Material über die „brutale Opferung“ von SS-Divisionen in die Hände spielte. Jetzt begann Zeitzlers große Zeit. Er wurde als Generalstabsoffizier ins Führerhauptquartier abkommandiert, wo es seitdem die Rolle von Himmlers Vertrauensmann spielte und seinen Chef Generaloberst Halder sowie die übrigen Mitglieder des „des verdächtigen“ Generalstabs überwachte und bespitzelte. Der Pfarrerssohn aus dem Spreewald hatte endlich Anschlouss an die Kreise gefunden, welche ihn für seine Karriere in der Hitler-Armeewelt dienlicher sein konnten als die Zugehörigkeit zur alten Offizierskaste. Dieser Mann ist jetzt zum obersten Chef derjenigen deutschen Organisation geworden, welche sich – wenn überhaupt noch eine – bisher vom Einfluss der SS und Gestapo freihalten konnte. Mit der Ernennung Zeitzlers dürften damit auch innerhalb Deutschlands die letzten Hoffnungen derjenigen zusammengebrochen sein, die möglicherweise immer noch innerhalb des Generalstabes eine Macht vermuteten, welche einmal Himmler und seiner Schwarzen Garde paroli bieten könnte.

Der „Sieg“ der Gestapo: An der strategischen Funktion des deutschen Generalstabes als subalternes Istrument Hitlers dürfte sich infolge dieses Wechsels nichts ändern. Politisch dagegen bedeutet die Bestellung eines Vertrauensmannes Himmlers zum Chef des deutschen Generalstabes, dass die Tätigkeit deutscher Generalstabsoffiziere bis hinunter zu den Divisionsstäben in Zukunft für die Gestapo ein offenes Buch ist. Bisher ergab sich nämlich aus der Doppelstellung des Generalstabsoffiziers, welcher sowohl seinem vorgesetzten Kommandierenden General wie auch dem Chef des Generalstabs untersteht,, dass der einzelne Generalstabsoffizier unter Umständen ohne Wissen und über den Kopf des Kommandierenden Generals respektive dem Generalstabschef in Verbindung stehen konnte. Diese Querverbindungen innerhalb des Generalstabes, welche Himmler bisher als potentielle Ansätze einer Generalverschwörung noch fürchten musste, sind jetzt durchschnitten. Auch der „reaktioärste“ und himmlerfeindlichste deutsche Generalstabsoffizier wird von nun an vor der Gestapo ebensowenig „Geheimnisse“ haben können, wie der deutsche Durchschittsbürger, der von Blockwarten und Betriebsführern überwacht und bespitzelt wird.

Ein interessanter Einblick in die Erkenntnisse der Londoner Exilpresse, die über das Nazi-Regime mehr wusste, als die Deutschen selbst?

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 13/01/2016. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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