Shlomo hat es erwischt. Er ist beim Versuch, einen Kibbutz im Süden zu verteidigen von Schrapnell Splittern getroffen worden. Die Abwehr des Iron Dome hat in diesem Fall versagt. In den letzten Sekunden seines Lebens hat er sich noch schützend über ein Kind geworfen, das es nicht mehr in den Bunker geschafft hatte. Sein Kopf war ungeschützt. Shlomo ist Sabre. Seine Eltern sind die Enkel von Einwanderern, die in den ersten Jahren des letzten Jahrhunderts in Israel ankamen. Shlomo wird mit allen militärischen Ehren auf dem Friedhof seines Heimatkibbuz beigesetzt. In einem Gräberfeld, in dem schon andere Soldaten beigesetzt wurden, und seine Familie weiß, er wird nicht der letzte sein. Mindestens ein Minister wird an seiner Beisetzung teilnehmen.
Christian ist vor wenigen Monaten wieder nach Israel eingereist. Er ist Doppelstaatsbürger, aber er sah seine Heimat immer in Israel. Seine Familie lebt seit Jahren hier, in Nazareth, er hat die letzten Jahre seiner Schulausbildung in Europa verbracht. Seine Eltern haben auf dieser Ausbildung bestanden, sie wollten nur das Beste für ihn. Christian hat sich auf den Militärdienst in Israel gefreut, er schien ihm sinnvoller als der, den er als Alternative in Europa hätte ableisten können. Und dann kam der Marschbefehl an die Grenze in den Norden. Christian hatte beim Angriff durch Scharfschützen keine Chance, die Paramedics, die wenige Minuten nach dem Angriff zur Stelle waren, konnten nur noch seinen Tod feststellen. Christian wird auf dem christlichen Friedhof in Nazareth beigesetzt werden. Ohne militärische Ehren.
Ismail lebt mit seiner Familie im Dreieck zwischen Dimona und Beer Sheva, dem Hauptlebensraum der Beduinen in Israel. Seine Familie ist eine der wenigen, die das Angebot der Regierung angenommen haben, vom Wellblechcontainer in ein Haus zu übersiedeln. Ismail freut sich; im Spätherbst wird er seine Freundin heiraten können. Seine letzten Studienmonate in Rehovot sind vom Regional Verband finanziert worden, seine Praktika in Europa und den USA haben ihm ein bescheidenes Vermögen verschafft. Im Sommer 2015 kämpft er mit seiner Einheit in Gaza. Plötzlich verwandelt sich der APC in einen Feuerball, er hat einen Direkttreffer abbekommen. Ismail wird auf Grund seiner „Hundemarke“ identifiziert. Zur Beisetzung auf dem Gemeindefriedhof wird niemand von der Regierung kommen.
Igor ist vor wenigen Wochen erst in Israel angekommen. Er ist nach seiner Ankunft gleich in die IDF eingetreten, und besucht dort einen Ulpan, der ihn schnell mit der hebräischen Sprache vertraut machen soll, bevor er mit dem regulären Militärdienst beginnen kann. Manchmal hat er Heimweh und ist froh, dass sein Bruder Vladimir, der sich heute Joshua nennt schon einige Jahre in Israel lebt. Joshua dient in einer Eliteeinheit. Wann immer er Zeit hat, versucht er, Dokumente zu finden, die seine jüdische Abstammung klar belegen. Bis heute ist ihm das noch nicht gelungen. Sein Status ist nach wie vor ungeklärt. Bei einem seiner Einsätze gerät Joshua unter feindlichen Beschuss und verstirbt noch bevor er evakuiert werden kann. Zwei seiner Freunde überleben den Einsatz ebenfalls nicht.
Alle drei werden am Mt. Herzel beigesetzt, die beiden „eindeutig“ jüdischen Israelis in nebeneinander liegenden Grabstätten. Joshua wird seine letzte Ruhestätte in einem Abstand von mindestens zwei Metern von seinen Kampfgefährten finden.
Eine israelische Lösung für ein altes Vorgehen, mit dem die Hinterbliebenen von halachisch nicht eindeutigen Juden getröstet werden sollen. Bisher wurden ihre Söhne und Töchter, die für den gleichen Staat, für die Sicherheit der gleichen Bevölkerung gefallen sind, in einer abseits gelegenen Sektion des Friedhofes beigesetzt. So, wie es heute noch auf den meisten kommunalen Friedhöfen Usus ist.
Ich hoffe, zukünftige Regierungen werden endlich einen Schlussstrich unter diese Ungleichbehandlung ziehen. Der jetzige Zustand ist unhaltbar und beschämend.
*Alle Namen und Geschichten sind frei erfunden!
Von Esther Scheiner
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