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Israel in den 1960-er Jahren: Militär und Suezkrise

„Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass wir siegen werden, wenn ein Krieg ausbrechen sollte!“ Zitat von Ben Gurion

Der „Sinaifeldzug“: Am 29. Oktober des Jahres 1956, am Vormittag um 09:00 Uhr, berichtete Radio Tel Aviv, israelische Streitkräfte seien in die Sinaihalbinsel eingedrungen, „um die Basen der ägyptischen Kommandogruppen zu zerstören“. In einer anschließend eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem den verdutzten Journalisten, diese Aktion sei „mehr als ein gewöhnlicher Kommandoüberfall, aber weniger als ein eigentlicher Krieg!“ In Wahrheit jedoch drangen drei Panzerkolonnen unter intensiver Unterstützung der Luftwaffe und nachfolgender Infanterie unglaublich schnell auf Abu Ageila, Kuseima und El Thamad vor. In den darauf folgenden Tagen überstürzten sich die Ereignisse: Ein französisch-englisches Ultimatum, die Kampfhandlungen einzustellen, wurde von Israel angenommen. Ägypten lehnte ab, weil die Westmächte im Text der Note die Besetzung des Suezkanals forderten. Am darauf folgenden Tag, dem 1. November 1956, begannen französische und britische Luftstreitkräfte mit der systematischen Bombardierung ägyptische Flugplätze und Militärstützpunkten längs des Suezkanals. Die Armee Israels besetzte den größten Teil der Sinaihalbinsel, Fallschirmjäger die strategisch wichtigen Inseln Tiran und Sanafir, sowie den befestigten Rotmeer-Stützpunkt Scharm el-Scheich, Panzertruppen und Infanterie den Gazastreifen und die Küstenlinie bei El Arisch. Was sich daraufhin abspielte, ist nur noch in den Geschichtsbüchern nachzulesen: Mit atemberaubender Spannung wurden die Verlautbarungen des Sicherheitsrates, der in New York fast ohne Pause tagte, und die Entschlüsse der Großmächte erwartet, von denen es letztlich abhing, ob der lokale Konflikt im Nahen Osten zu einem allgemeinen Weltkrieg ausarten könnte. Nach umständlichen Vorbereitungen eroberten die Briten und Franzosen einige Stützpunkte am Suezkanal. Beeindruckt durch die Drohungen von Sowjetrussland oder veranlasst durch die amerikanische Initiative, wurde die restliche Besetzung des Kanals aufgegeben. Wie aber kann man diese Ereignisse beurteilen? War der Sinaifeldzug ein abgekartetes Spiel zwischen Großbritannien, Frankreich und Israel, oder benutzen die Westmächte den israelischen Vormarsch, um eine längst fällige Rechnung mit Ägypten zu begleichen? Möglicherweise ruhen die Dokumente, die über diese „Affäre“ Aufschluss geben könnten, immer noch in den Staatsarchiven. Aber immerhin hatte Randolph Churchill, der Sohn Sir Winstons, im „Daily Express“ einiges „aus der Schule“ geplaudert. Man erfuhr, dass der Angriff auf Ägypten mit Wissen hoher britischer Stabsoffiziere zwischen Frankreich und Israel abgekartet worden sei, dass französische Transportflugzeuge von Cypern aus die israelischen Fronttruppen mit Waffen, Munition und Lebensmitteln versorgten. Dagegen seien die Angebote Mosche Dayans, den Suezkanal durch israelische Soldaten in französischen Uniformen besetzen zu lassen, wegen „Collusion“ abgelehnt worden. So blieb es auf Seiten der Anglo-Franzosen bei halben Maßnahmen. Der militärische Coup von Zahal hatte allgemein überrascht. Israel konnte ja in keinem Fall seine vollen Streitkräfte gegen Ägypten einsetzen, da es gleichzeitig seine exponierten Grenzen im Osten und Norden schützen musste. Aber woraus erklären sich die Erfolge Israels im Sinaifeldzug? War der ägyptische Rückzug, wie Kairo behauptete, wirklich „geordnet und planmäßig“? War Nassers Rückzug nur „taktisch?“ Gab die anglo-französische Luftunterstützung den Ausschlag? Man mag diese Fragen beantworten wie man will, bei allen Einwendungen wird man die militärische Stärke Israels anerkennen müssen.

Die Brechung der Blockade: Die Israelis hatten, obgleich sie als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervorgingen, keinen Gebietszuwachs erhalten. Nach mehr als einem halben Dutzend Mahnungen des UN-Sicherheitsrates entschloss sich Israel, die letzten eroberten Gebietsteile zu räumen, unter der Bedingung, dass an den strategischen Punkten im Gazastreifen und beim Ausgang des Golfs von Akaba eine UNO-Polizeitruppe bis zu einem endgültigen Friedensvertrag die Wacht übernimmt. Nach der UN-Entscheidung verrichteten Truppen verschiedener europäischer Kleinstaaten auf den öden und wasserlosen Inseln im Roten Meer den langweiligsten Wachdienst ihres ganzen Soldatenlebens. Dennoch war ihre Anwesenheit von nicht geringer Bedeutung für den Weltfrieden. Israel hatte mit dem Sinaifeldzug die bisher verschlossene Tür nach dem Osten und Süden, nach Asien und Afrika, aufgestoßen. Ein wichtiger Eckpfeiler der arabischen Blockade war eingestürzt. Am dünnen Faden dieser UNO-Besatzung in der Rotmeerzone hing Israels „Lebenslinie“ nach Asien und Afrika, hing vielleicht auch ein wenig Friede im Nahen Osten – dachte man!

1956 Ägypten sperrt den Suezkanal. Foto: Archiv

1956 Ägypten sperrt den Suezkanal. Foto: Archiv

Noch einen Vorteil hatte Israel aus seinem selbstgewählten Angriffskrieg und dem Rückzug unter UNO-Deckung erzielt. Der Gazastreifen, den es ursprünglich annektieren wollte, wäre ein äußerst zweifelhaftes „Geschenk“ gewesen. Israel hätte sich dadurch weltpolitisch isoliert. Außerdem hätte es seine arabische Minderheit um 300.000 sehr unzufriedene und unzuverlässige Untertanen vermehrt. Mit dem Rückzug erreichte Israel ein beschränktes Kriegsziel: die Ausschaltung der Fedayun. Diese „Todeskommandos“, die beauftragt wurden, in israelisches Gebiet einzudringen und Sabotageakte zu verüben, waren der dauernde Schrecken der Grenzbevölkerung. Israel behauptete, dass in der Zeit zwischen dem Waffenstillstand und dem Sinaifeldzug allein 3.367 Raids aus dem Gazastreifen heraus stattfanden, wobei 443 Israelis gtötet und 963 verwundet wurden. Aber auch israelische Kommandos haben eine ganze Reihe von Übergriffen auf dem Gewissen: Liest man die arabischen Berichte, so hört man von Überfällen auf Zivilpersonen, von der Zerstörung wehrloser arabischer Dörfer und von der Ermordung von Frauen, Kindern und Greisen. Ob man den arabischen „Märchen“ Glauben schenken kann, mag dahingestellt bleiben, aber tatsächlich waren diese Überfälle seit Beendigung des Sinaifeldzuges auf beiden Seiten viel seltender geworden. Israels militärische Stärke: Nach den israelischen Militärgesetzen vom 26. Mai 1948 und 8. September 1949 besteht eine Dienstpflicht für alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren während 2 1/2 Jahren und für alle unverheirateten Frauen während 2 Jahren. Außerdem sind jährliche Wiederholungskurse von 14-31 Tagen zu absolvieren. Die Frauen werden nicht nur für Hilfsdienste, wie das Sanitätswesen oder Flugzeugbeobachtung eingesetzt, sondern kämpfen aktiv mit der Waffe. Es ist nichts Außergewöhnliches, weibliche Soldaten mit Maschinenpistolen und Handgranaten in den Straßen Tel Avivs und Haifa anzutreffen. Es gibt Panzerfahrerinnen und Artilleristinnen, Stoßtruppführerinnen und Kommandantinnen von größeren Einheiten. Bei Truppenparaden sind oft ganze weibliche Bataillone vertreten. Israel ist nach dem Verhältnis seiner waffenfähigen Menschen zur Gesamtbevölkerung das höchst miltarisierte Land der Erde. Im Jahre 1956 zählte die Armee 250.000 Männer und Frauen. Heute, in den 1960-er Jahren beträgt die Zahl der waffenfähigen männlichen und weiblichen Soldaten über 350.000. In jüngster Zeit sind die Rekrutierungsbestimmungen noch verschärft worden.

Der Generalstab: Die erste israelische Armee war die Haganah, die offizielle jüdische Selbstschutzorganisation in der Mandatszeit. Während des Zweiten Weltkriegs wurde eine jüdische Brigade aufgestellt, die unter britischem Kommando stand. Aus ihr schu der einäugige Generalstabschef Mosche Dayan ein nach modernen Grundsätzen organisiertes Kampfinstrument. Dayan galt als abenteuerlicher Offensivstratege, den die Israelis gerne mit Rommel verglichen. Ende des Jahres 1958 verließ er die Armee, um sich politisch betätigen zu können. Dayan vertrat den „heroischen Kurs“ innerhalb der Mapai und hatte sehr ehrgeizige Pläne. Er war stets bestrebt, später einmal das Erbe Ben Gurions antreten zu können. Sein Nachfolger, Chaim Laskow, seinerzeit Chef des Panzerkorps und später der Luftwaffe, war Anhänger der sorgfältigen Planung im Detail, der peinlichen Genauigkeit und der wissenschaftlichen Kriegsführung. Der Generalstab unterstand Ben Gurion, der als Verteidigungsminister in allen militärischen Dingen das letzte Wort sprach.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 08/12/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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