Im August des Jahres 1942 wurde Roland Freisler von Adolf Hitler zum Präsidenten des Volksgerichtshofs bestimmt. Mit der Übernahme dieses Amtes stieg die Anzahl der vom Volksgerichtshof verhängten Todesurteile dramatisch: Wurden 1941 noch 102 Angeklagte mit dem Tode bestraft, so waren es 1942 schon 1.192. Fast die Hälfte aller Angeklagten wurde damit im „Namen des Volkes“ ermordet.
Freisler wurde am 30. Oktober 1893 als Sohn eines Diplomingenieurs in Celle geboren. 1912 begann er in Jena Rechtswissenschaften zu studieren, unterbrach sein Studium aber, um sich nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Fahnenjunker beim 1. Oberelsässischen Infanterieregiment zu melden. Bereits im Jahre 1915 geriet Freisler in russische Kriegsgefangenschaft und erlernte in sibirien die russische Sprache und setzte sich mit den Ideen des Marxismus auseinander. In der Zeit der Oktoberrevolution 1917 schloss er sich den Bolschewisten an und wurde Lagerkommissar. Erst 1920 kehrte Freisler nach Jena zurück, setzte dort sein Studium fort und promovierte 1922 – zweite Staatsprüfung 1923 – , er hatte sich bereits vom Kommunismus abgewandt.
In Jena kam er recht schnell mit nationalistischen Gruppen in Berührung. Im Jahre 1924, Freisler hatte in Kassel eine Kanzlei eröffnet, übte er erstmals ein politisches Amt aus. Er wird Stadtverordneter und Mitglied des kurhessischen Kommunallandtags und des hessisch-nassauischen Provinziallandtages für den „Völkisch-Sozialen Block“. Schon 1925 trat Freisler der NSDAP bei und begann straffällig gewordene Nazis zu verteidigen. Für kurze Zeit war er stellvertretender Gauleiter der NSDAP von Hessen-Nassau. 1932 wurde er bereits für die NSDAP in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Freislers politische Karriere schritt in großen Sprüngen voran.
Im März 1933 wurde er nichtplanmäßiger Beamter im preusßischen Justizministerium in der Stellung eines Ministerialdirektors, schon mit 1. Juni desselben Jahres Staatssekretär und Mitglied des preußischen Staatsrates. In dieser Funktion führte er bereits eine rigorose personelle „Säuberung“ der Justiz und Anwaltschaft durch – lange bevor die gesetzlichen Grundlagen dafür vorhanden waren. Paralell dazu wurde auch seine Macht innerhalb des Justizsystems größer. Im Oktober 1933 wird er Mitglied der Akademie für deutsches Recht und Leiter ihrer Strafrechtsabteilung; ab 1935 auch der wissenschaftlichen Abteilung. Von 1933 bis 1936 war Freisler Mitglied der amtlichen Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums.
Hier forderte er schon 1934 vehement die Aufnahme der späteren rassistischen Bestimmungen des Nürnberger Blutschutzgesetzes in den Entwurf des neuen Strafgesetzbuches – vorerst noch vergebens. Freisler galt Zeit seines Wirkens als „Garant nationalsozialistischer Gesinnung“. So nahm er als Vertreter des Justizministeriums an der „Wannsee-Konferenz“ teil. Am 4. November 1942 wurde ihm der Dienstgrad eines NSKK-Brigadeführers – Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps – verliehen. Mit Wirkung vom 20. August 1942 wurde Freisler zum Präsidenten des Volksgerichtshofs ernannt. In seinem Dankesbrief an Hitler vom 15. Oktober 1942 umschrieb er seine Auffassung von der Rolle des Volksgerichtshofes folgendermaßen: „Der Volksgerichtshof wird sich stets bemühen, so zu urteilen, wie er glaubt, dass Sie mein Führer, den Fall selbst beurteilen würden. Heil mein Führer! In Treue Ihr persönlicher Soldat Roland Freisler.“
Nach Freislers Amtsübernahme stieg die Anzahl der erlassenen Todesurteile sprunghaft an. Die Kompetenzausdehnung des 1933 für Hoch- und Landesverrat eingerichteten Volksgerichtshofes auf Wirtschaftsstraftatbestände, Wehrmachtsbeschädigung und Verbrechen aller Art bot ihm eine rigoros genutzte Strafgewalt. Dort forderte Freisler von den Richtern die „autoritären – richtungsweisenden – Willenskundgebungen des Führers und die im Parteiprogramm der NSDAP enthaltenen Grundforderungen“ bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. Hilflos ist er nur bei seinem Versuch, die klare Trennung von Polizei und Justiz durchzusetzen, um so seinen Einfluss gegenüber Himmlers Reichssicherheitshauptamtes zu wahren.
Letztdendlich stattete er die Justiz unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze mit zahlreichen Instrumenten aus, damit diese im Sinne der politischen Führung funktioniert. Beispiele dafür war die Möglichkeit der Aufhebung rechtskräftiger Urteile oder das eigene Prozessrecht für die geheimen „Nacht-und-Nebel-Verfahren“ gegen die nach Deutschland verschleppten Widerstandskämpfer aus den von den Nazi-Truppen besetzten Ländern. Heute zirkulieren auf der „YouTube“ Online-Plattform Filme, die von Freislers „Berufsethos“ Zeugnis ablegen. Hier ist zu sehen, wie er Angeklagte anbrüllte und mit Hohn und Spott behandelte. Die Verfahren gegen die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 inszenierte er zu riesigen Schauprozessen, seine Urteile spiegeln politische Zweckmäßigkeit und enthielten oft nicht einmal die angewandten Gesetzesbestimmungen.
Hitler entschied nach dem 20. Juli 1944, dass die an der Verschwörung Beteiligten vor den Volksgerichtshof gestellt werden mussten. Ihm selbst ging es dabei darum, den Verschwörern „keine Zeit zu langen Reden“ zu lassen. „Aber der Freisler wird das schon machen. Das ist unser Wyschinski“, verglich Hitler seinen Präsidenten vom Volksgerichtshof mit Stalins berüchtigtem Chefankläger in den Schauprozessen der in den 1930er-Jahren. Zu Freislers Opfern gehörten zum Beispiel auch die Geschwister Scholl, die Gründer der Widerstandsgruppe „Weiße Rose!“
Roland Freislers Ruf als „Blutrichter“ beruht vor allem auf die Zahl seiner Opfer. Waren im Jahre 1941 noch 102 Menschen mit dem Tode bestraft worden, so wurden 1944 schon 2.097 Hinrichtungen vollzogen.
Freisler fand am 3. Februar 1945 durch einen Bombenangriff der Alliierten sein wohlverdientes Ende.
Von Rolf von Ameln
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.