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Als Israel noch in den Kinderschuhen steckte: Handwerk, Industrie und Handel in den 1960-er Jahren

Patente aus aller Welt: Es gibt kein Land auf dieser Erde, das mehr von den Erfahrungen anderer Völker profitieren konnte als Israel. Bereits zur britischen Mandatszeit brachten die einwandernden Juden neue Beschäftigungsarten ins Land. Sie erwarben Lizenzen von ihren Heimatländern und standen über die zionistischen Organisationen mit dem Weltjudentum in engster Verbindung. Der überwiegende Teil der damals noch bescheidenen Industrie Palästinas lag in den Händen der Juden. Im Jahre 1942 waren 81 v.H. der Beschäftigten und 85 v.H. des Kapitals aller industriellen Betriebe israelischer Herkunft. Nach einer im Jahre 1944 vorgenommenen Schätzung des Volkseinkommens betrug der Anteil der jüdischen Unternehmen sogar 89 v.H.

Die industrielle Bedeutung Palästinas war allerdings noch sehr gering: 2445 Betriebe mit 49.960 Beschäftigten lassen im Jahre 1946 vor allem auf das Vorwiegen von kleinen Betrieben schließen. Als nach der Proklamation des Staates Israel der große Flüchtlingsstrom einsetze, brachten viele Einwanderer produktionstechnische Kenntnisse aus ihren früheren Heimatländern mit. Die Auswertung ausländischer Patente ergab die Basis für die Industriealisierung Israels, wobei sich die Erzeugung vor allem auf die Produkte des täglichen Bedarfs konzentrierte.

Das Bauhandwerk: Während die kunsthandwerkliche Entfaltung nur gering ist, steht das Bauhandwerk im Vordergrund der Bestrebungen. Für die Hunderttausende von Flüchtlingen mussten zuallererst Wohnungen geschaffen werden, besonders weil ein Teil der von den Arabern verlassenen Wohnstätten im Kriege zerstört worden war. Der Staat Israel hat seit der Gründung rund ein Drittel aller Investitionen, nämlich 1322 Millionen Israelischer Pfund für Neubauten verwendet. Durch die staatliche und private Bautätigkeit konnte der Bestand an Wohnstätten zwischen den Jahren 1949 bis 1956 von 748.655 auf 1.680.067 erhöht werden. In letzter Zeit ist allerdings die private Bautätigkeit infolge der ständig steigenden Preise rückläufig. Während der Lebenskostenindex seit dem Jahre 1951 um 164 v.H. anstieg, erhöhten sich die Baukosten um 372,5 v.H. Baumaterialien wie Holz und Zement sind im gleichen Zeitraum fast zehnmal so teuer geworden.

ISRAELI DIAMOND INDUSTRY IN THE 1960S. Foto: Fritz Cohen (GPO)

ISRAELI DIAMOND INDUSTRY IN THE 1960S. Foto: Fritz Cohen (GPO)

Diamantenschleiferei: Als die größten Diamantenmärkte der Welt in Belgien und den Niederlanden infolge der deutschen Besetzung vom amerikanischen Konsum abgeschnitten waren, ließen sich Flüchtlinge aus Antwerpen als Diamantenschleifer in Tel Aviv und Natanya nieder. Aus bescheidenen Anfängen wurde recht bald ein wichtiger Erwerbszweig für 2.500 Facharbeiter. Israel ist heute der zweitwichtigste Exportmarkt für geschliffene Diamanten geworden. Allerdings darf die relativ hohe Exportziffer nicht überschätzt werden. Im Jahre 1956 betrug der Ausfuhrwert an Schleifdiamanten 44,1 Millionen Israelischer Pfund, während im gleichen Jahr für 37,6 Millionen Israelischer Pfund Rohdiamanten importiert wurden.

Die Marge für Veredelung und Handel beträgt, abgesehen vom Inlandverbrauch und Lagerhaltung, nur ein Fünftel des Einstandswertes. Es ist naheliegend, dass Israel zuerst die landwirtschaftlichen Anschlussindustrien entwickelte; Konservenfabriken für Lagerung und Transport von Fruchtsäften, Bierbrauereien, Mühlen, Webereien, Baumwollspinnereien und derartige Zweige. Dazu gesellten sich die Grundproduktionszweige für die Bauwirtschaft: Fabrikationn von Zement, Bau von Betonröhren, Herstellung von Sperrholz, elektrische Haushaltsapparate, Ölbrenner und anderes. Unter den Gebrauchsgütern spielt vor allem die Papier- und Gummiverarbeitung, die Erzeugung von Hand- und Motorpumpen für die Landwirtschaft, die Montage importierter Kraftwagen und die keramische Industrie eine gewisse Rolle.

Auch die Verarbeitung von Metall hat sich bereits entwickelt. Die Gründung neuer Industrien erfolgte oft zufällig und nicht immer planvoll; vielfach inspiriert durch die Kenntnisse der Einwanderer, ihre Beziehungen zu den Herkunftsländern oder durch die Verwertung der erworbenen Lizenzen. Die Industrialisierung bietet auf die Dauer die einzige Möglichkeit, die rasch wachsende Bevölkerung Israels zu ernähren. Zurzeit ist der Umfang der Industrie immer noch bescheiden. Es ist den Israelis bis heute noch nicht gelungen, mit Industriegütern auf dem Weltmarkt aufzutreten. Die israelischen Produkte können infolge Transportschwierigkeiten und minderer Qualität den Kampf mit der ausländischen Konkurrenz noch nicht aufnehmen. Der Produktionswert von Industrie und Handwerk stieg von 1949 bis 1956 von 150 auf 1.045 Millionen Israelischer Pfund; der Export industrieller Erzeugnisse von 17,6 auf 93,6 Millionen Israelischer Pfund.

Ungewöhnliche Exportgeschäfte: In der israelischen Handelsstatistik stehen die Citrusfrüchte mit knapp 40 v.H. an der Spitze aller Exportgüter. Das jährliche Ausfuhrvolumen an Citrusfrüchten hat sich seit der Gründung des Staates verdoppelt. Mit einem knappen Viertel der Gesamtausfuhr folgen die Diamanten an zweiter Stelle. Die restlichen 35 v.H. entfallen auf die Industrieprodukte, Baustoffe und Textilien. Bei einer Analysierung der Exportstatistik ergibt sich, welch ungewöhnliche Geschäfte Israel tätigt, um sich Devisen zu beschaffen. Kaiser-Frazer-Personenwagen werden in Einzelteilen aus den USA bezogen, im Lande montiert und nach Finnland exportiert, um damit finnische Holzlieferungen zu bezahlen.

Autoreifen gehen nach Zypern, der Türkei und Griechenland. Hölzer werden aus Westafrika bezogen, geschnitten und verleimt und als Sperrholz nach Westeuropa exportiert. Stoffe kommen aus Großbritannien und gehen als Kleidungsstücke verarbeitet in dieses Land zurück. Die erstaunlichste Exportakrobatik besteht wohl darin, Schiffsladungen von Kohle aus den USA zu importieren, mit Hilfe dieses Brennstoffs Zement zu erzeugen und dieses Produkt wider nach Amerika zu exportieren. Zum Teil erklären sich diese etwas ungewöhnlichen Handels geschäfte aus dem hohen Importbedarf Israels. Die meisten israelische Häfen anlaufenden Schiffe nehmen zu stark reduzierten Tarifen Rückfrachten an.

Natürlich verhindert auch die arabische Blockade eine harmonische Entwicklung des israelischen Handelsverkehrs. Doch verbleiben immer noch zahlreiche, dem Kaufmann unverständliche Transaktionen außerhalb des Blockadezwangs, die bestätigen, dass die Israelis trotz ihrer großen Begabung für das Finanz- und Darlehnsgeschäft im Grunde genommen kein Handelsvolk sind. Israel versucht mit Hilfe des internationalen Handelsverkehrs in verschiedenen afrikanischen und asiatischen Ländern Fuß zu fassen. Bemerkenswert sind die Wirtschaftsbeziehungen mit Burma, die Gründung einer äthiopisch-israelischen Fischerei- und Handelsgesellschaft, deren Mutterschiff „Quenn of Sheba“ unter äthiopischer Flagge fährt; die mit Ghana gegründete Black Star Shipping Line; die Beziehungen zu Liberia und den afrikanischen Ländern der Französischen Union.

Mehr als die Hälfte der Einfuhr Israels entfällt auf die drei großen Industrieländer USA, die Bundesrepublik Deutschland und England. Die afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländer spielen, wie eine Statistik zeigte, im Gesamthandelsverkehr Israels noch eine untergeordnete Rolle. Auch der größere Teil der israelischen Ausfuhrgüter findet in Westeuropa und den USA Absatz. Bemerkenswert ist die rasche Zunahme des Handelsverkehrs mit Westdeutschland, obgleich zwischen den beiden Staaten noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen bestehen.

Entscheidenden Anteil an dieser Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen hat das im Jahre 1952 zwischen Bonn und Jerusalem vereinbarte Abkommen zur Wiedergutmachung aus der Nazi-Vergangenheit.

Von Rolf von Ameln

 

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Von am 24/11/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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