Auch wenn der „Führer“ selbst dem Fußballspiel nicht viel abgewinnen konnte – der politischen Instrumentalisierung des bei den Deutschen so sehr geliebten Sportes widmete er sich dennoch. Nach der „Machtergreifung“ der Nazis am 30. Januar 1933 wurden jüdische Fußballer vom Spielbetrieb ausgeschlossen, sie konnten nur in genehmigten jüdischen Vereinen spielen, bis das auch nicht mehr möglich war! Arbeitersportler versuchte man individuell zu integrieren, kommunistische und sozialdemokratische Vereine waren nach drei Monaten Nazi-Herrschaft allesamt verboten worden. Im Juni 1934 wurde der Reichsführer der katholischen Sportbewegung von den Nazis „auf der Flucht erschossen“. Nach der Gleichschaltung unterstützte der Nazi-Staat den Sportbetrieb in großem Ausmaß ideologisch im Sinne der „körperlichen Ertüchtigung des Volksganzen“, materiell mittels großer Investitionen und durch eine entsprechende Gesetzgebung.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) war einer der größten Gewinner dieser Entwicklung. Der DFB diente sich der Nazi-Diktatur an, gab die jüdischen Sportler ohne größere Skrupel der Ausgrenzung und Verfolgung preis. Der Staat der Nazis instrumentalisierte den Fußballsport nicht nur, sondern die Vereine, Verbände, Spieler und Fans banden sich auch selbst in das System ein. Mit dem „Anschluss“ Österreichs im Jahre 1938 waren einige Veränderungen in der nunmehr „großdeutschen“ Fußballlandschaft verbunden. Rasch wurde auf der organisatorischen Ebene die Gleichschaltung vollzogen. Der österreichische Fußballverband verlor seine Selbständigkeit und wurde als Gau XVII Ostmark dem Deutschen Reichsbund für Leibesübungen angegliedert.
Der bekannte jüdische Profi-Verein Hakoah Wien wurde aufgelöst und dessen Spiele in der laufenden Meisterschaft annulliert. Jüdische Spieler wurden generell ausgeschlossen, Funktionäre suspendiert, der Präsident des Wiener Fußballverbandes floh ins Ausland. Der Berliner Reichssportführung galt der österreichische Fußballsport generell als „verjudet“ – aufgrund einer jüdischen Meistermannschaft, eines jüdischen Teamchefs, vieler jüdischer Funktionäre und der Zulassung des Berufsfußballs, der – mit Geld und Vermarktung verbunden – von den Nazis insgesamt als „jüdisch“ denunziert wurde. Man trachtete danach, die Unterschiede rasch einzuebnen. Rein organisatorisch war dies wohl möglich, auf der Ebene der Spielkultur und der Identität dagegen nicht.
Die Jahrhunderte währende staatliche Eigenständigkeit Österreichs ließ sich nicht mit einem Streich auslöschen. Alte Identifikationsmuster existierten weiter, ebenso wie die Spieler in Österreich oft aus allen früheren Teilen der Habsburgermonarchie stammten. Schließlich spielte man in Österreich ein „Donaufußball“ genanntes Kombinationsspiel, das im Gegensatz zum deutschen, athletischen „Kraftfußball“ stand. Die österreichische Nationalmannschaft der frühern 1930er-Jahre, das sogenannte „Wunderteam“, zählte wohl zu den Besten der Welt. Der Versuch, eine erstklassige gemeinsame Nationalelf zu schaffen, also „Altreich“- und „Ostmark“-Mannschaft zu kombinieren, scheiterte jedoch. Am 18. Juni 1939 standen einander im Endspiel um die reichsdeutsche Meisterschaft Admira Wien und Schalke 04 gegenüber.
Die „Knappen“ fegten die Wiener vom Platz, beim Stand von 4:0 für Schalke kamen die Admiraner Fritz Klacl und der Schalker Spieler Fritz Szepan zu Fall. Dabei soll Klacl gewürgt worden sein, der Admira-Spieler schlug jedenfalls den Mann aus dem Ruhrpott mit einem Schlag nieder. Szepan musste mit einer Bahre vom Feld getragen werden, Klacl wurde ausgeschlossen. Admira verlor das Spiel im Berliner Olympiastadion mit 0:9. Nach dem Spiel wurde eine einjährige Sperre der „Ostmärker“ veranlasst, in Briefwechseln die Rivalität zwischen „Altreich“ und „Ostmark“ offen thematisiert. Es war nicht zum ersten Mal zu Zusammenstößen gekommen. Gegen Klacl wurde vorerst eine lebenslange Sperre verhängt, die nach einem Fronteinsatz jedoch aufgehoben wurde.
Der Wiener Gauleiter und Reichsjugendführer Baldur von Schirach hatte die Idee eines „Versöhnungsspiels“, eines Freundschaftsspiels zwischen Admira Wien und Schalke in Wien, angeregt. Das Spiel fand am 17. November 1940 statt. Der Sicherheitsdienst der SD meldete antideutsche Sprechchöre, Schlägereien, Steinwürfe und stürmische Parteinahme zehntausender Stadionbesucher für die Wiener. Die Scheiben von Schalkes Mannscchatsbus wurden eingeschlagen und sämtliche Reifen des Wagens vom Gauleiter aufgeschlitzt, bei Spielende hattten mehr als zehntausend Stadionbesucher das Spielfeld gestürmt. Der „Völkische Beobachter“ sprach in seinem Kommentar vom „schwärzesten Tag“ in der Wiener Fußballgeschichte.
Nazi-Politik und der Propagandaapparat waren damals häufig mit Auseinandersetzungen von „ostmärkiscchen“ und deutschen Fußballmannschaften konfrontiert. Hitler interessierte sich persönlich überhaupt nicht für den Fußballsport, ließ aber angesichts dieser Wahrnehmungen der Wiener Gauleitung ausrichten: „Der Führer wünscht, dass Sie die Erörterung derartiger Gegensätze rücksichtslos unterbinden. Auch in Wien darf ein Gegensatz Altreich – Ostmark – Wien nicht mehr konstruiert werden!“ Auf den Fußballplätzen, die unter deutschem Einfluss standen, wurde dennoch weiter gespielt, sei es in Berlin, Wien, Prag, Warschau oder Belgrad. Von breiten Teilen der Zuschauer und der Aktiven im Deutschen Reich wurde der Sport, insbesondere der Fußballsport, wohl als „unpolitischer Raum“, in gewissem Sinn als „Freiraum“ angesehen.
Das Regime der Nazis ließ den kontrollierten Freiraum Fußball zu, agierte aber immer wieder in diesen „sport-space“ hinein, legte dessen Grenzen fest. Die Nazis waren auch mit Abwehrhaltungen in diversen Formen konfrontiert, seitens der Zuschauer, seitens der Spieler oder Funktionäre. Eine gewisse Unkontrollierbarkeit und damit verbundene Widersprüchlichkeiten nahm das Regime in Kauf beziehungsweise musste es in Kauf nehmen. Die Mehrzahl der Spitzenspieler hatten sich jedenfalls mit dem Nazi-System arrangiert, Fritz Szepan und der legendäre Matthias Sindelar traten etwa als „Ariseure“ jüdischer Betriebe auf, Otto „Tull“ Harder fungierte sogar als Aufseher in einem Konzentrationslager. Der Popularität von Nationalteamspielern wie Ernst Kuzorra oder Karl Sesta tat es hingegen auch keinen Abbruch, dass sie deutschen Reichstrainern das „Götz-Zitat“ entgegengeschleudert hatten – im Gegenteil.
„Vom Nutzen der Unterhaltung“ lautet der Titel eines Buches über den Fußballsport während der Jahre der Nazi-Herrschaft. Besonders deutlich wurde dieser Nutzen am 22. Juni 1941 in Berlin, als Rapid Wien und Schalke 04 vor nahezu 100.000 Zuschauern im Finale der deutschen Meisterschaft gegeneinander antraten. Nur wenige Stunden vor dem Anpfiff waren mehr als drei Millionen Soldaten, 600.000 motorisierte Fahrzeuge und tausende Flugzeuge in Bewegung gesetzt worden. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion hatte begonnen. Rapid Wien gewann das Spiel überraschend mit 4:3, ein 0:3 war noch umgedreht worden. Alle Zeitungen berichteten darüber in ihren Schlagzeilen, in Wien war die Freude im Angesicht des Gewinns der Meisterschaft überaus groß.
Das NS-Regime instrumentalisierte den Fußball als Ventil, den Unmut über den Krieg abzulassen, ebenso wie zur Beruhigung der Arbeiterschaft. Es versuchte Gegensätze wie die antipreußischen Ressentiments in der „Ostmark“ zu überbrücken und nutzte den Sport, um Vergnügen und Freiheiten zu gewähren. In einem weiteren Kontext diente die Fußballpolitik auch der Vortäuschung einer zivilisierten deutschen Nation, der es nicht an fairem Sportgeist mangelte. Das Stadion fungierte in diesem Sinn als Propagandabühne. „Tore für Hitler“ wurden also für den Zweck erzielt, dass der Fußballsport letztlich der Stabilisierung des nationalsozialistischen Regimes dinelich war.
Ungeachtet aller Widrigkeiten wurden nahezu bis Ende des Zweiten Weltkrieges Fußballspiele ausgetragen!
Von Rolf von Ameln
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