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Literatur und Politik in den ersten Jahren der Nazi-Herrschaft

Der Internationale PEN-Club, im Jahre 1921 gegründet, um die Beziehungen zwischen den Schriftellern jener Länder zu normalisieren, die einander im Ersten Weltkrieg bekämpft hatten, hielt seit 1922 alljährlich einen Weltkongress ab. Die Machtübernahme Hitlers hatte auch darauf drastische Auswirkungen.

Bis Mitte der 1920er-Jahre waren etliche der rennomierten Literaten dem Verband beigetreten, sodass er ein weltweit beachtetes öffentliches Forum bot. Seine Satzung verpflichtete ihn, sich jeder Politik zu enthalten: „No politics in the P.E.N. Club under any circumstancis!“, lautete das Credo, welches sein Präsident John Galsworthy, bis zu seinem Ableben 1933 nicht müde wurde zu betonen. Zugliech aber schrieb die Satzung vor, in aller Welt und unter allen Umständen für den freien Meinungsaustausch durch Literatur einzutreten. Da war es kein Wunder, dass sich der Verband nach der machtergreifung der Nazi-Verbrecher schwer tat, beide Grundsätze im Hinblick auf die Ereignisse in Deutschland nach dem 30. Januar 1933 unter einen Hut zu bringen. Im Februar 1933 tauchte an den Litfasssäulen in Berlin unter der Überschrift „Dringender Appell“ ein Plakat des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) auf, dass anlässlich der bevorstehenden Reichstagswahlen am 5. März ein Zusammengehen von SPD und KPD propagierte, um der „Vernichtung aller persönlichen und politischen Freiheit“ Einhalt zu gebieten.

Zu den Unterzeichnern gehörten – neben anderen Prominenten – die Mitglieder der Preußischen Akademie der Künste, Käthe Kollwitz und Heinrich Mann. Beide wurden vom Präsidenten der Akademie, der die Auflösung seiner Einrichtung durch die neuen Machthaber fürchtete, zum Austritt gedrängt und kamen dieser Aufforderung nach. Am 21. Februar überquerte Heinrich Mann bei Straßburg die deutsche Reichsgrenze und lebte bis zu seiner Weiterreise in die Vereinigten Staaten von Amerika im Oktober 1940 im französischen Exil. Eine Woche später löste der Reichtagsbrand groß angelegte Razzien gegen NS-Gegner aus. Neben besonders gefährdeten Politikern von SPD und KPD, die Hals über Kopf ins benachbarte Ausland flohen, befanden sich in der ersten Welle der Kulturemigration auch zahlreiche namhafte Schriftsteller. Unverzüglich begann in Nazi-Deutschland die „Gleichschaltung“ von Parteien, Verbänden und Vereinen.

Sie machte auch vor der deutschen Gruppe des PEN-Clubs nicht halt. Dem am 23. April 1933 auf einer – letzten – Generalversammlung neu gewählten Vorstand gehörten Nazi-Kulturfunktionäre wie Hanns Johst, Hans Hinkel, Rainer Schlösser, Johannes von Leers und Erich Kochanowski an, deren Loyalität zum Nazi-Regime außer Zweifel stand. Der „Völkische Beobachter“ bezeichnete sie als“ Männer, die im jahrelangen Kampf der deutschen Freiheitsbewegung bereits bewiesen haben, dass sie berufen sind, deutschen Geist und deusche Art zur Geltung und Ansehen zu bringen..!“ Als vom 25. bis 28. Mai 1933 der XI. Internationale PEN-Kongress in Ragusa (Italien) beziehungsweise Dubrovnik (Kroatien) abgehalten wurde, kam es zum Eklat. Obwohl die frisch gewählten Nazis in der offiziellen deutschen Delegation auf dem Kongress alles daran setzten, der „Greuelhetze“ der internationalen Presse Paroli zu bieten, eine öffentliche Diskussion und Kritik der Vorgänge in Deutschland und vor allem den öffentlichen Auftritt aus dem Reich emigrierter Schriftsteller zu verhindern, erteilte Galsworthys Nachfolger, Herbert George Wells, dem politische umtriebingen Emigranten Ernst Troller Rederecht.

Für die deutsche Delegation ein Affront und Grund genug, den Kongress unter Protest zu verlassen. Troller, bei den Nazis als Jude, Intellektueller, Pazifist und einer der ehemaligen Wortführer der Münchener Räterepublik besonders verhasst, eine fulminante Rede. Da die deutsche Delegation vor dem Eklat einer PEN-Resolution zugestimmt hatte, die es als „Pflicht des Künstlers“ bezeichnete, „den Geist in seiner Freiheit zu erhalten“, konfrontierte Troller die „Herren des deutschen PEN-Klubs“ mit der Diskrepanz zwischen Resolution und deutscher Ralität. Er erwähnte die aufgrund ihrer Überzeugung aus dem PEN-Club ausgeschlossenen Schriftsteller ebenso wie die Namen von in „Schutzhaft“ misshandelten Kollegen, verwies auf die erst wenige Tage zurückliegenden Bücherverbrennungen und machte auf schwarzen Listen mit den Werken jener Schriftsteller aufmerksam, die in Deutschland nicht mehr gedruckt und verkauft werden durften.

Bücherverbrennung am 10. mai 1933. Foto: Archiv

Bücherverbrennung am 10. mai 1933. Foto: Archiv

Zudem führte er den Teilnehmern des Kongresses vor Augen, mit wem sie es auf Seiten der Nazi-Funktionäre zu tun hatten: „Der Schriftführer des deutschen PEN-Clubs ist heute ein Herr von Leers. In seinem Buch `Juden sehen Dich an´ hat er es gewagt, die Juden als Teufel in Menschengestalt zu bezeichnen. Unter die Bilder von Einstein, Ludwig, Lessing setzte er das Wort `Ungehängt´, unter das Bild von Erzberger, der übrigens kein Jude war, die Worte `Endlich gerichtet´.“ Und Troller fuhr fort: „Man wird mir in Deutschland vorwerfen, daß ich gegen Deutschland gesprochen habe. Das ist nicht wahr. Ich wende mich gegen die Methoden der Männer, die heute in Deutschland regieren, die aber keine Legitimation besitzen, sich und Deutschland gleichzusetzen. Millionen Menschen in Deutschland dürfen nicht frei reden und frei schreiben. Wenn ich hier spreche, spreche ich mit für diese Millionen, die heute keine Stimme mehr haben.“

Zwar zeigte sich der Kongress beeindruckt, konnte sich aber nicht zu einer offiziellen Verurteilung oder gar zum Ausschluss der deutschen PEN-Gruppe entscließen. Immerhin berichtete die internationale Presse wie der „manchester Guardian“: „Es entbehrt nicht der Ironie, daß ein Schriftstellertreffen, das seine Aufgabe darin sieht, sich von jeder Politik fernzuhalten, zum Anlaß einer der heftigsten politischen Demonstrationen wurde. Die Bücherverbrennung in Deutschland und die Tatsache, daß der größere Teil der bekannten deutschen Schriftsteller im Exil lebt, können von einer Vereinigung nicht übersehen werden, die sich immer für den freien Meinungsaustausch durch Literatur eingesetzt hat. Der Rückzug der Deutschen konnte nur als ein Ausweg, sich einer unmöglichen Situation zu entziehen, angesehen werden..!“ Um einer ähnlich „unmöglichen Situation“ vorzubeugen, gab es in den nächsten Monaten Klärungsbedarf.

Aber eine sitzung des Internationalen Exekutiv-Komitees des PEN Anfang November 1933 in London, an der als Vertreter der deutschen PEN-Gruppe Edgar von Schmidt-Pauli teilnahm, führte nicht zur Klärung, sondern zum endgültigen Bruch. Schmidt-Pauli verteidigte den Ausschluss von Mitgliedern des deutschen PEN aufgrund „nichtarischer“ Abstammung beziehungsweise kommunistischer oder liberaler Anschauungen und erklärte die Zusammenarbeit mit dem Internationalen PEN für beendet. Ähnlich wie Deutschland am 19. Oktober 1933 seinen Austritt aus dem Völkerbund erklärt hatte, kehrte es nun dem internationalen Schriftstellerverband den Rücken. Künftig sollte nach dem Willen der Nazi-Herrscher eine „Union Nationale Schriftsteller“ den deutschen PEN-Club ersetzen. Im Gegenzug stellten vier emigrierte Schriftsteller – Lion Feuchtwanger, Ernst Troller, Rudolf Olden und Max Herrmann-Neisse – im Dezember 1933 beim Generalsekretär des Internationalen Exekutiv-Komitees den Antrag, sie als Gruppe eines deutschen Exil-PEN anzuerkennen und forderten andere emigrierte Schriftsteller auf, dem neuen Verband beizutreten.

Zu den ersten Literaten, die dem Aufruf 1934 folgten, gehörten Klaus und Heinrich Mann, Emil Ludwig, Georg Bernhard, Bruno Frank, Arnold Zweig, Bernhard von Brentano, Oskar Maria Graf, Balder Olden und Ludwig Marcuse. Heinrich Mann, mittlerweile 63 Jahre alt und mitten in der Arbeit an seinem großen Alterswerk „Henri Quatre“, engagierte sich in der Emigration bereits als Präsident der Deutschen Freiheitsbibliothek. Nun warf er sein internationales Ansehen auch für den deutschen Exil-PEN in die Waagschale und erklärte sich zur Übernahme der Präsidentschaft bereit. Mit seiner Autorität hielt er Rudolf Olden den Rücken frei, der die Funktion eines Sekretärs – und damit die eigentliche Verbandsarbeit – übernahm. In den Jahren zwischen 1934 und 1940 personifizierte der linksliberale Demokrat Olden den deutschen Exil-PEN. Bis zu seinem Tod am 17. Dezember 1940, – auf der Überfahrt in die USA wurde das Passagierschiff „City of Benares“ wahrscheinlich vom Torpedo eines deutschen U-Boots getroffen -, kümmerte sich Olden unermüdlich um bedrohte Schriftstellerkollegen. Während des Zweiten Weltkrieges verlor der deutsche Exil-PEN zunehmend an Bedeutung, war eine kleine Exilgruppe neben vielen anderen. Zu einer Neugründung eines deutschen PEN-Clubs kam es erst im Jahre 1948 in Göttingen.

Ernst Toller schrieb 1933 im „Aufruf“, gedruckt in Prag, einen „Offenen Brief“ an Propagandachef Goebbels und prägte unter anderem die unvergessenen Sätze: „Es genügt Ihnen nicht, die zu quälen, die Sie in Ihre Gefängnisse und Konzentrationslager kerkern, Sie verfolgen selbst die Emigranten durch die mannigfaltigen Mittel ihrer Gewalt. Sie wollen sie, um in Ihrer Sprache zu reden, geistig und physisch, brutal und rücksichtslos vernichten! Was ist der Grund so abgründigen Hasses..?“

Von Rolf von Ameln

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 07/07/2015. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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