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Brauchen wir ein neues Kriegsrecht? (VII)

Gezielte Tötungen im Fadenkreuz zwischen Kriegsrecht und allgemeinem Recht. Panel 5

Moderator: Udi Segal, Korrespondent Israel Kanal 2

Teilnehmer:
Lt. Gen. David Fridovich: Stellvertretender Kommandant der US-amerikanischen Spezialeinheiten;
Prof. Richard B. Jackson: Sonderbeauftragter des Oberstaatsanwaltes beim US-amerikanischen Militärgerichtshof;
Adv. Pnina Sharvit Baruch: Ehemalige Vorsitzende der IDF Abteilung für internationales Recht.

Die Frage, die sich erhebt ist, welchen tatsächlichen Nutzen bringen gezielte Tötungen dem Kampfgeschehen und wie viel will man in solche Aktionen investieren?

Pnina Sharvit Baruch erläuterte israelische Sichtweise. Es ist, so führte sie aus, ganz wichtig, diese vor allem in asymmetrischen Kriegen immer bedeutender werdende Aktion aus der Illegalität in die Legalität zu bringen. Besonders in diesem Bereich muss das neue, oder neu interpretierte Kriegsrecht eine deutliche Korrektur erfahren.

Die zweite, ab 2001 laufende Intifada kostete jeden Tag viele Zivilopfer, Verletzte und Tote. Umfangreiche Gebiete waren de facto von Terrorgruppen beherrscht.

Die IDF erhielt eine zuverlässige Information, wo sich ein Hamas Kommandant in Gaza aufhielt. Die Anfrage an die IDF Spitze lautete: “Wir können nicht reingehen und ihn festnehmen, und wenn wir reingingen, würden wir ihn nicht festnehmen können. Was sollen wir tun? Dürfen wir eine gezielte Tötung aus der Luft vornehmen, ohne, dass Zivilisten getroffen werden? Können wir das legal machen?“

Was musste die Grundlage sein? Die Durchsetzung des vorliegenden Rechts? Oder die des vorliegenden Kriegsrechts? Der Unterschied ist enorm!

Im ersten Fall gibt es kaum eine Möglichkeit für die Soldaten, Gewalt einzusetzen. Sie müssen versuchen, den Terroristen festzusetzen.

Im zweiten Fall dürfen sie bewaffnete feindliche Subjekte und auch Zivilisten, die unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligt sind, töten. Bindend ist einzig der Gerichtsentscheid des Militärgerichtes der IDF.

Bis vor 9/11 galt die Annahme, dass Terroristen Kriminelle sind. Basierend auf den Erkenntnissen, wie andere Länder die Situation bewerten, welche historischen Beispiele es in der Rechtsliteratur gibt, änderte sich das Paradigma. Die umkämpfte Region steht de facto nicht unter der eigenen, aktiven Kontrolle. Gleichzeitig ist der Gewaltpegel sehr hoch. Diese Erkenntnisse reichten, dass man seit damals dazu neigt, das Kriegsrecht anzuwenden.

Dennoch, die Diskussionen über dieses sensible Thema sind noch nicht beendet, die UN und das Internationale Rote Kreuz konnten sich bisher noch auf keine bindende Aussage einigen.

Dass es legitim ist, gezielte Tötungen durchzuführen, steht ausser Diskussion, die Frage bleibt aber, wie zu 100% festgestellt werden kann, wer an einer terroristischen Aktion beteiligt, oder in sie verwickelt ist, und wer nicht. So gilt ein Zivilist, der im Alltagsleben einem geregelten Beruf nachgeht, einen Anschlag mitplant, ihn aber nicht unmittelbar selber ausführt, als Terrorist. Demnach verliert er den Schutz, den Zivilisten geniessen. Das IKRK spricht in diesem Fall von „bewaffneten Kämpfern einer nicht-staatlichen Kampftruppe.“

Richard Jackson beschreibt zwei Szenarien: Die gezielte Tötung findet innerhalb einer Region statt, in der es gerade zu diesem Zeitpunkt aktive Angriffe gibt oder sie findet in Regionen statt, in denen es zu diesem Zeitpunkt keine Aktivitäten gibt.

Ist das Ziel, im ersten Fall, wahrscheinlich Mitglied von bewaffneten Gruppen, muss überprüft werden, ob das Ziel tatsächlich Teil dieser Gruppe, oder übt es zumindest eine wesentliche Rolle darin aus. Das IKRK verlangt, dass das Ziel eine andauernde aktive Rolle im Kampf spielen muss, um gezielt getötet werden zu können. Gehört „der Kopf“ einer solchen Terrororganisation nach dieser Vorgabe zu den möglichen Zielen von gezielten Tötungen? Gehört, wie in Amerika argumentiert wird, auch der Finanzier der Terrororganisation dazu?

Es ist Aufgabe der Sicherheitsdienste, dies individuell zu überprüfen und festzulegen.

Beim zweiten Szenario muss grundsätzlich zunächst abgeklärt werden, ob es eine Alternative zur gezielten Tötung gibt. Hier gilt die Grundregel, dass es keine zivilen Opfer geben darf.

David Fridovich begann seine Ausführungen mit der rhetorischen Frage, ob es in manchen Fällen nicht leichter sei, gezielt zu töten und das Subjekt nicht vor das Gericht zu bringen. Die Antwort war provokant: „Es gibt gewisse Menschen, die haben es verdient zu sterben. Ich habe das schon mehrfach gesagt. Männer wie ich sind bereit, den Job zu machen.“

Fridovichs Gruppe erhielt im Februar 2011 den Auftrag, Osama bin Laden festzunehmen. Es lag in der Hand des Kommandanten, vor Ort und aus der Situation heraus zu entscheiden, ob die Aktion in einer Festnahme oder einer gezielten Tötung enden würde. Eine wesentliche Vorgabe war, dass es auf Seiten der Amerikaner keine Verletzten und schon gar keine Toten geben dürfe. Bin Laden befand sich zu diesem Zeitpunkt in Pakistan, also weit weg von all seinen Terrorgebieten.

Zunächst schien alles auf eine Festnahme hinauszulaufen, aber dann richtete bin Laden seine Waffe auf die US Soldaten und wurde somit sofort wieder zum aktiven Terroristen, der mit einer gezielten Tötung neutralisiert wurde.

Von Esther Scheiner

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 17/05/2015. Abgelegt unter Israel. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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