Die Regeln für einen nicht traditionellen Konflikt.
Panel 4
Moderator: Yaakov Ahimeir, Journalist, Gewinner des Israel Preises für Kommunikation
Teilnehmer:
Ran Bar-Yoshafat: Reservist IDF, Rechtsanwalt;
Lt. Gen. David Fridovich: Stellvertretender Kommandant der US-amerikanischen Spezialeinheiten;
Prof. Chris Jenks: Southern Methodist University;
Col. Richard Kemp: Ehemaliger Kommandant der US-amerikanischen Truppen in Afghanistan.
Früher gab es mehr oder weniger ausschliessliche symmetrische Kriege, mit klaren Regeln, an die ein Soldat sich halten konnte. Kann ein Soldat im Einsatz wirklich erkennen, wer ein Terrorist und wer ein Zivilist ist? Ist es möglich klare Regeln zu erstellen, die auch bei den modernen, asymmetrischen Kriegen halten?
Die grundsätzliche Regel heisst: „Mach nichts, um dem Soldaten sein ureigendstes Recht auf Selbstverteidigung zu beschränken. Füge keine Restriktionen hinzu, die ihn gefährden könnten“.
Soldaten müssen darauf trainiert werden, in jeder nur möglichen Situation so schnell und effizient wie möglich zu reagieren. Die bestehenden Regeln sind die Ausgangsposition für das Handeln auf dem extrem dynamischen Kampffeld von heute.
Die bestehenden Regeln sind genau am Schnittpunkt zwischen Recht, Handeln, Diplomatie und Politik angesiedelt. Sie umfassen verschiedene Werte, nicht nur des Handelns selbst, sondern auch von kulturellen und politischen Bedenken.
Die IDF ist wichtig für unsere Gesellschaft. IDF Maj. Gen. Yom Tov Samia beschrieb die IDF einmal als Gewächshaus und betonte, wie wichtig es sei, an den ethischen Grundsätzen festzuhalten. Wer heute in den IDF kämpft, kann morgen schon einer unserer nächsten Führer sein. Immerhin sind 95% der aktiven Truppen Highschool Absolventen (in anderen Ländern liegt der Anteil bei 25 – 40%). Dieser hohe Bildungsgrad macht es leichter, ethische Grundsätze in aktiven Kampfzeiten zu befolgen.
Doch diese ethischen Regeln des Kampfes haben zwei Seiten.
Unser Staat braucht auch nach Kriegen eine gesunde Gesellschaft. Ein Ziel muss es daher sein, Posttraumatische Störungen zu vermeiden. Die Regeln helfen, dieses Ziel zu erreichen.
Wie soll man sich aber in der hier beschrieben Situation verhalten? Während des letzten Libanon Krieges kam eine alte Frau auf eine Gruppe von Soldaten zu, und bat um Wasser. Sie bekam es. Der Dank waren neun Verletzte. Die Frau hatte zwei Handgranaten unter ihrer Kleidung verborgen gehabt…… Es scheint, als würden die ethischen Grundregeln die Terroristen geradezu zu Angriffen motivieren, sie können sich darauf verlassen, dass die ethischen Grundsätze eingehalten werden.
Ran Bar Yoshafat erklärte aus seiner eigenen Erfahrung, dass es viel mehr unterschiedliche Situationen, als Regeln gibt und dass es extrem schwer ist, für alle Fälle vorbereitet und trainiert zu sein. Grundsätzlich gelten drei Regeln:
Vollende die Aufgabe;
Bringe alle Soldaten wieder heim;
Vermeide übermässigen Kollateralschaden;
Regel drei kann Regel eins verunmöglichen.
Die goldene Regel lautet: „Schiess zurück, wenn man auf dich schiesst!“ Genau das ist das Vorgehen, wenn z. B. aus Gaza heraus auf Israel geschossen wird. Oder, wenn die in Gaza befindlichen Truppen unter direkten Beschuss kommen. Die IDF schiesst sofort genau in die Richtung zurück, aus der der Beschuss erfolgte. Ist dieses Verhalten übertrieben?
Er schilderte zwei Beispiele seinem Einsatz im zweiten Libanon Krieg.
Im ersten Fall wurde seine Gruppe aus einer Moschee heraus beschossen. Die Regel hiess, dass „heilige Stätten“ nicht beschossen werden durften. In diesem Fall musste der Kommandant Kontakt zu seinem Vorgesetzten aufnehmen und die entsprechende Bewilligung einholen. Grundlage der Entscheidung war oft, ob der Angreifer entdeckt werden konnte. In der Zwischenzeit war ein Soldat der in der Nähe agierenden Brigade erschossen wurde. Heute lautet die entsprechende Order: „Wenn jemand auf dich schiesst, bist du berechtigt, zurückzuschiessen.“
Im zweiten Fall kam der Beschuss aus einer Schule. Es ist klar, dass die meisten Menschen in einer Schule Kinder sein werden. IDF Soldaten sind in dem Fall verpflichtet, in Deckung zu gehen und nicht zu antworten.
Die schwere Ausrüstung, der Helm, die Hitze machen es sehr schwer für den Soldaten, schnelle ausserordentliche Entscheidungen zu treffen. Was wird er also tun? Genau das, für das er trainiert wurde. Das kann zu einer falschen, nicht angemessenen Entscheidung führen.
Niemand darf von einem Soldaten erwarten, dass er sich selbst opfert, um einen Zivilisten zu schützen. Sie müssen ein gewisses Risiko eingehen, aber sie müssen nicht blind buchstabengenau den Regeln folgen, wenn die Situation es verlangt.
Richard Kemp gab ein weiteres Beispiel. In Sichtweite vor dir öffnet sich eine Haustüre. Dort steht ein ca. 10 Jahre alter Junge, der ein Gewehr auf dich richtet. Welche Möglichkeiten hast du?
Du wirst erschossen.
Du erschiesst ein unschuldiges Kind.
Du erschiesst ein aktiv beteiligtes Kind.
Du entscheidest dich zu schiessen, tötest das Kind und überprüfst die Waffe. Sie war nicht geladen. Ein ähnlicher Fall aus Hebron kam im Jahr 2012 in die Presse. Ein gefundenes Fressen für alle Gruppen, die Israel immer wieder der Kriegsverbrechen an Kindern und Zivilisten anklagen!
Aus seiner Zeit als Kommandant berichtet er, dass er es bevorzugt hätte, keine Regeln erhalten zu haben, um die Mission so ausführen zu können, wie er es sich vorgestellt hätte. Das war natürlich reines Wunschdenken. Aber, so gibt er zu, er habe immer wieder die Regeln vernachlässigt, wenn er sicher war, dass er sein Verhalten auch am nächsten Tag noch rechtfertigen konnte.
Heute, mehr denn je, steht der kämpfende Soldat fast schon online unter den kritischen Augen der Medien. Die modernen Kommunikationsmittel machen es möglich, dass Meldungen über Kollateralschäden schneller in die Medien kommen, als der Chefkommandant der IDF davon Kenntnis erhalten hat.
Die Medienberichterstattung über „Unfälle“ des US-amerikanischen und britischen Militärs ist unverhältnismässig kleiner, als die über die IDF, die in den letzten Jahren verstärkt in den Beobachtungsradar der Menschenrechtsgruppen geraten ist.
Ihre Informationen erhalten sie von anti-israelischen pro-palästinensischen NGOs wie z. B. „Breaking the silence“. Ehemalige IDF Soldaten, die in der Regel anonym bleiben wollen, berichten über angebliche kriminelle Vorfälle, die sie entweder selbst erlebt haben wollen, oder die ihnen zu Gehör gekommen sind. Würden sie in aller Offenheit darüber sprechen, so würden die Vorfälle vom Militärgericht untersucht werden. Aber das möchten die Aktivisten lieber nicht riskieren.
Churchill, so erinnerte er, hat 1943 mit einigen 100 Bomben die Herstellungsanlagen der Nazi Raketen bombardiert. Dies als Reaktion auf das Bombardement von London. Bei der Aktion starben mehr als 400 Zivilisten. Niemand hat sich darüber aufgeregt.
Von Esther Scheiner
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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