In den späten 60er Jahren entstanden in Zichron Yaacov drei, wie man heute rückblickend sagen muss, weitaus überdimensionierte Hotelanlagen. Zwei davon, das ehemalige Havat HaBaron und das Ganei Carmel befinden an einer der prominentesten Lagen des Carmelgebirges mit Blick auf die Küste von Haifa bis zu den Türmen des Kraftwerkes in Hadera, das dritte, das ehemalige Eden Inn mit seiner Dependance, dem Shirat HaYam mit freiem Blick noch Norden in Richtung Schomron Ebene.
Während das Eden Inn sich mittlerweile zu einem bescheidenen Gruppenhotel entwickelt hat und das Havat HaBaron in Appartements aufgeteilt wurde, die an zahlungskräftige Interessenten verkauft werden, fand die wundersame Sanierung und Wiederauferstehung des Ganei Carmel weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit statt.
In den 90er Jahren erfolgte eine kosmetische Sanierung des Hauses. Gleichzeitig wurde ein Managementvertrag mit der damals höchst aktiven, mittlerweile aber aufgegebenen Hotelkette „Moriah Hotels“ abgeschlossen, die das Hotel bis zum Jahr 1999 betrieb.
Im Jahr 2003 wurde die Mivtachim Versicherung, die Eigentümerin des Hotels, ebenso wie einige andere Versicherungsträger, die der israelischen Gewerkschaft Histadrut gehörten, verstaatlicht.
Bis zum Jahr 2004 erlebte das Haus seine erste Glanzzeit als Erholungsheim für Kunden von Mivtachim. Bis zu 112 Gäste konnten einen, für damalige Verhältnisse komfortablen Urlaub dort genießen.
Mit dem Ende der Glanzzeit der israelischen Arbeiterpartei, dem Ende der einstigen zionistisch-bescheidenen Lebensart, den veränderten Urlaubsvorstellungen, und auch dem Zwang, sich der internationalen nach Israel drängenden Hotelkonkurrenz stellen zu müssen, kam das Aus für das Haus, das 1968 vom bekannten israelischen Architekten Jacob Rechter entworfen worden war.
Es wurde endgültig geschlossen und war fortan von einem Bauzaun von der Umwelt abgeschnitten. Das Haus stand ab diesem Zeitpunkt für einen erhofften Preis von 10 Millionen US$ zum Verkauf.
Ab 2006 umringten zahlreiche Baukräne das immer noch hinter dem Bauzaun verborgene Areal. Doch bis es soweit war, bis die Baukräne aufgestellt wurden, hatte es hinter verschlossenen Türen teilweise zähe Verhandlungen gegeben.
Lily Elstein, Witwe des Gründers des Pharmariesen Teva, kaufte den gesamten Komplex im Jahr 2005 für 20 Millionen US$. Sie hatte große Pläne und wollte sich ihre Lebensträume erfüllen.
Das alte, schmucklose Gebäude, ein typisches Beispiel des „Brutalismus“, der u. a. von Le Corbusier propagiert wurde, sollte einem modernen, fünf stöckigen Gebäudekomplex weichen. Gleichzeitig würden moderne Musikhallen entstehen und eine Kunstgalerie installiert werden. Mit diesen Vorstellungen wandte sich Lily, wie die heute 82 Jahre junge Dame, von allen Mitarbeitern genannt wird, an den Gemeinderat, um die Baubewilligung zu erhalten. Das Projekt wurde durchaus gegensätzlich diskutiert und schließlich gab Lily nach.
Im Jahr 2010 legte Amnon Rechter, der Sohn von Jacob Rechter einen neuen Bauplan vor, in dem sich alle Wünsche, Traditionen und Anforderungen der Moderne wiederfinden. Amnon Rechter ist zu Recht stolz: „Wir rekonstruieren alles entsprechend den Originalplänen. Wenn alles fertig ist, werden die Besucher des Hauses zunächst alles so sehen, wie es von meinem Vater gebaut wurde.“
Die weitläufige Anlage, sie umfasst mehr als 100 Dunam, ahmt wellenförmig den Hügelverlauf nach. Auch heute noch ist die für den damaligen Geschmack stehende nüchterne Bauweise erkennbar. Im Aussenbereich und auch in den öffentlichen Räumen wurde fast ausschließlich Sichtbeton verarbeitet, ergänzt durch teilweise mutige Glasstahlseil Konstruktionen. Große Fensterflächen lassen den unverstellten Blick auf das Mittelmeer und die Küstenlandschaft zu, grosszügig dimensionierte Terrassen erweitern die Restaurants, Bars und Konferenzräume fast auf das Doppelte ihrer Grundfläche.
Die gesamte Aussenfassade, inklusive den frei stehenden Trägerbalken, auf denen der eigentlich Zimmertrakt zu schweben scheint, blieb erhalten, alle Holzarbeiten wurden erneuert (leider vergaß man teilweise die Schutzbezüge zu entfernen, aber nun ja, das darf als Kinderkrankheit angesehen werden). Der Steinfußboden in den öffentlichen Bereichen, der von Farbe und Muster her entfernt an ein Giraffenfell erinnert wurde, blieb ebenso erhalten, wie die konsequente Verwendung von Sichtbeton im gesamten Innenbereich, inklusive der Restaurants und Bars.
Sogar in den Gästezimmern hat der Architekt eine gewagte Mischung zwischen Sichtbeton, schlicht weiß gestrichenen Wänden und Holzelementen gewagt. Aus zwei ehemals kleinen, heute nicht mehr verkaufbaren Zimmern wurde jeweils eines mit einer durchaus ansprechenden Grösse und mit der Besonderheit, dass jedes der 95 Zimmer über zwei Balkone verfügt. Durch die Zusammenlegung von zwei Zimmern zu einem gelang es den Innenarchitekten, 50 % der Gesamtfläche als reines Schlafzimmer mit dahinter liegendem begehbaren Schrank sowie Nasszelle (Dusche und WC jeweils abgetrennt, das Waschbecken ist offen) zu konzipieren und die anderen 50 % als Wohn- und Arbeitsbereich vorzusehen. Eine Espressomaschine und kostenloses WLAN vervollständigen das Angebot. Gemütlich werden die Zimmer durch farbenfrohe Wollteppiche auf den pflegeleichten Steinböden.
Im weitläufigen Gelände stehen noch einige „Villas“, zweistöckige Gebäude, die entweder als luxuriöse Duplex Appartements vermietet werden, oder als zwei unabhängig voneinander zu vermietende Einheiten gestaltet sind. Eine dieser „Villas“ hat Lily bezogen, sie zieht mittlerweile als gebürtige Zichronesin ein Leben an ihrem Heimatort dem luxuriösen Wohnen in Tel Aviv vor. Ein Immobilientycoon hat sich an ihrem Willen, der genau weiß, was er will, die Zähne ausgebissen: Er hatte ihr ein mehr als attraktives Angebot für die „Villas“ gemacht, um sie an seine finanzkräftigen Kunden zu verkaufen. Die Antwort auf das verlockende Angebot war ein klares „Nein“, alles, was innerhalb des Hotelareals lag, sollte auch Hotel bleiben.
Betritt man die Lobby, wird der Blick von einer gigantischen Figur gefangen: Sisyphos und sein erstaunlicherweise vorhandenes weibliches Gegenstück Sisypha stemmen sich gegen den Marmorblock. Der gewaltige Stein ist in der Mitte der Körper geteilt, der untere Teil ist weiß, der ober Rosafarben. Es gelingt kaum, den Blick abzuwenden und sich der bescheiden anmutenden Rezeption, in den meisten Hotels das Herzstück der Hotellobby, hier nur notwendiges Detail, zuzuwenden.
An der Lobby vorbei führt der Weg zu den beiden Musikhallen, dem „Cube“ und der „Elma Konzerthalle“. Diese wunderschöne, mit einer Klais Orgel ausgestattete Konzerthalle bietet für 400 Personen Platz, im kleineren „Cube“ sind es 150 Plätze, um den Konzerten zu lauschen. Open Air Konzerte bieten Platz für bis zu 600 Personen, kleinere Suiten im Hauptgebäude stehen für 30 – 80 Personen zur Verfügung.
Ein weiteres Versprechen, das Lili gab, als sie das Projekt in Zichron Yaacov begann, war, neben dem Hotel und neben den Konzerten auch Künstlern, bekannten und unbekannten einen Raum zu geben.
Zwei Ausstellungen sind derzeit besonders prominent.
Im Erdgeschoss, wo der lange Verbindungsgang zwischen Foyer und Konzerthalle jede Menge Raum bietet, zieht eine grossformatige Fotoinstallation die Blicke auf sich. Die Bilder werden dominiert von einem einzigen Objekt. Eine Nachbildung jenes schwarzen Kleides, das die legendäre Hauptdarstellerin Hanna Rovina (1893 – 1980) während der Aufführung des „Dybbuk“ trug – sie spielte die Rolle im berühmten Habima Theater in Tel Aviv ab 1920 mehr als 40 Jahre, transformiert im Wasser des Toten Meeres vom schwarzen Taftkleid zum kristallin-weißen Brautkleid, vollkommen eingehüllt in Salz.
Die zweite Ausstellung umfasst insgesamt fünf Bilder, die während der Umbauphase im und am Haus entstanden und die den Arbeitsfortschritt dokumentieren. Die Verbindung zwischen realistischen, fast grafischen Abbildungen und surrealistischen Elementen, aber auch die gelungenen Trompe-l’Oeil Sujets lassen den Betrachter unmittelbar am Geschehen teilhaben.
Der Bezug zur Musik wird aufgenommen im Namen des Restaurants. Das „Oratorio“ liegt im ersten Stock des Hauptgebäudes. Es ist ein lichtdurchfluteter Raum, der die Helligkeit vom Sisyphos Innenhof erhält. Das harte Gefühl, das Sichtbeton, Glas und Metall vermitteln, wird hier gemildert durch den konsequenten Einsatz von Holz. Hochpolierte rotbraune Tische, bequeme weit ausladende Holzstühle, die lange, wiederum die Wellenform aufnehmende Bar, die Weinschränke……. Dazu grobe Textilien, die zusammen mit den hölzernen Besteckkästchen und den bereitstehenden Gläsern dem Gast das Gefühl geben, sich viel eher in einem gemütlichen Bistro zu befinden, als in einem Restaurant, das auf dem besten Weg ist, endlich auch die Lücke im gehobenen und koscheren Gastronomiebereich zu schließen, die bisher in Zichron klaffte.
Das Spa ist derzeit noch nicht in Betrieb, steht aber kurz vor der Eröffnung.
Vervollständigt wird das insgesamt sehr positive Bild vom sehr jungen, sehr motivierten, wenn auch teilweise (noch) nicht professionell arbeitenden Team. Die fehlende Fachkenntnis machen sie allesamt mit einem strahlenden Lächeln wett und mit einer großen Portion an Hilfsbereitschaft und Charme.
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Von Esther Scheiner
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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