In den Augen der Nazis das „Paradies auf Erden“
Während die Nazis mit allen Mitteln versuchten, die Existenz der Todesfabrik Auschwitz und anderen im Osten vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, unterlag Theresienstadt keiner Geheimhaltung. Die Regierung des „Dritten Reiches“ hatte sich ausdrücklich bemüht, das „Paradies-Ghetto“ in Bildern und Zeitungsartikeln bekanntzumachen. Theresienstadt wich völlig von der Norm ab. Es war ein „rettender Hafen“ für viele Juden, die es ab und an Theresienbad nannten.
Aber auch dieses KZ ist in ganz Europa zu einem Begriff geworden. Wohlhabende Juden setzten in ihrer Vrzweiflung fast alles daran, dort einen Platz zu erhalten. Die Gestapo-Führung in Prag verkaufte ihnen bequeme Wohnungen in Theresienstadt mit „garantierter lebenslanger medizinischen Versorgung“ (!), Bedienung im Hotel und Lebensmittelzuteilungen für unwahrscheinlich hohe Beträge. Bekannte führende Juden einiger Großstädte im Reich wurden nach dort verbracht, nachdem Krankheiten, Hunger und Deportationen nach dem Osten in die Todeslager ihre Gemeinden fast ausgelöscht hatten. Viele Fotos in europäischen Zeitungen zeigten diese „vom Glück begünstigten“ Juden, von denen viele dem Namen nach oder Aussehen bekannt waren. Aber sie alle trugen den Gelben Stern, saßen gelassen in kleinen Kaffeehäusern, besuchten Vorträge und Konzerte oder arbeiten in Geschäften und Fabriken. Außerhalb des von den Nazis besetzten Europas gab es nur spärliche und verzerrte Nachrichten über Theresienstadt; – die Existenz dieses Ghettos jedoch ist durch äußerst günstige Beurteilungen des Roten Kreuzes verbürgt.
Ein solcher „behaglicher Kurort“ inmitten eines von antisemitischer Propaganda überschwemmten und unter den Wirren des Krieges leidenden Europas hatte selbstverständlich Ressentiments hervorgerufen. Der Reichspropagandaminister Goebbels hat sie in einer seiner „Brandreden“ zum Ausdruck gebracht: „…während die Juden in Theresienstadt im Cafe sitzen, Kaffee trinken, Kuchen essen und tanzen, müssen unsere Soldaten all das Elend und die Entbehrungen auf sich nehmen, um ihr Vaterland zu verteidigen.“ Im Ausland mangelte es nicht an Hinweisen, dass es sich bei dem KZ-Theresienstadt um ein Potemkinsches Dorf handeln würde, ein perfides von den Nazis inszeniertes Theater. Aus diesem Grund lud man Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes ein, das Lager zu besuchen und sich selbst von den dort herrschenden Zuständen zu überzeugen; – sie hatten die Existenz dieser merkwürdigen „Stätte der Zuflucht“ öffentlich bestätigt.
Die Nazis behaupteten sogar, die Judenlager „im Osten“ seien alle wie Theresienstadt, nur nicht so ganz luxuriös, und was das anbetrifft, so müsste das Rote Kreuz und der Rest der Welt sich auf ihr Wort verlassen..! Das Ziel, alle Juden in Europa umzubringen, ist von Hitler und seinen Helfern nie in Frage gestellt worden, denn es kristallisierte sich gleich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Untaten und Dokumenten heraus. Daß alle Juden die Hauptfeinde Deutschlands waren, gehörte zum Kern der nationalsozialistischen Politik, und das ist auch einer der vielen Gründe, weshalb selbst im Jahre 1944, als der Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ sich am Horizont abzuzeichnen begann, wichtige Mittel weiterhin in die Ausrottung der Juden gesteckt worden sind. Für einige kritisch denkende Generäle ergab dies keinen Sinn, für den „Führer“ jedoch, dem die deutsche Bevölkerung leidenschaftlich bis zuletzt folgte, war es durchaus sinnvoll. In dem Testament, das Hitler schrieb, ehe er in seinem „Führerbunker“ eine Giftkapsel zerbiss und eine Kugel durch den Kopf jagte, rühmte er sich seines „humanen“ Massakers an den Juden und rief das bereits am Boden liegende, zerschlagene deutsche Volk auf, damit fortzufahren.
Theresienstadt spielte bei diesem Schwindel eine vielschichtige Rolle, denn das „Paradies-Ghetto“ war nichts anderes als ein Durchgangslager auf dem Weg in die Todesfabriken im Osten. Die privilegierten Juden wurden bei ihrer Ankunft herzlich willkommen geheißen, erhielten eine warme Mahlzeit vorgesetzt und wurden ermuntert, Vordrucke auszufüllen und anzugeben, welche Art von Unterbringung in Wohnungen und Hotels sie bevorzugen würden und welche Besitztümer an Bargeld und Schmuck sie mitgebracht hätten. Danach wurden sie vollkommen ausgeplündert, denn das herzliche Vorspiel vereinfachte die Wegnahme allen Besitzes. Danach behandelte man sie wie alle anderen Juden auch, die das Ghetto überschwemmten. Die Nazis kümmerten sich nur um die strengen Sicherheitsvorkehrungen, ihre eigenen Bequemlichkeiten und ihr Vergnügen, um die Arbeitsnormen der Fabriken und die „Lieferung von Menschen“, welche die Züge nach Osten füllten.
In allen anderen Angelegenheiten konnten die Juden sich um sich selbst kümmern. Im Ghetto gab es sogar eine Bank, die besonders schönes Theresienstadt-Geld druckte, mit einem erstaunlichen Stich darauf, den ein namenloser Künstler gefertigt hatte, und der einen leidvollen Moses mit den Gesetzestafeln darstellte. Selbstverständlich war dieses Ghetto-Geld eine Farce, denn man konnte nichts dafür kaufen. Dennoch verlangten die Nazis von der Bank und den jüdischen Sklavenarbeitern, dass sie über Löhne und Gehälter, Sparguthaben und Auszahlungen genau Buch führten. Was die Nazis auch unternahmen, Theresienstadt war ein einziger großer Schwindel, und man ging nie so weit, die Zuteilungen der Lebensmittel über Hungerrationen anzuheben, Medikamente zur Verfügung zu stellen oder den Strom der ankommenden Juden einzudämmen. Das Ghetto, das ursprünglich für bis zu fünftausend Häftlinge vorgesehen war, umfasste 1943/44 knapp sechzigtausend Seelen.
Theresienstadt war eine Stadt am Rand einer Erdbebenzone, in der die Zahl der Überlebenden ständig anstieg, der Bevölkerungsdruck wurde nur durch die extrem hohe Sterblichkeitsrate und durch die Deportationen in den Osten gemildert. Wie zynisch die Nazis mit der Habe der Insassen umgingen, zeigte die große Bibliothek, deren große Auswahl an Büchern von den eingetroffenen Juden stammten, die man ihnen bei der Ankunft weggenommen hatte. Es gab sogar Scheinfassaden von Geschäften mit Schaufenstern, in denen Waren lagen, die man den Vorüberschlendernden gestohlen hatte. Verkauft wurde natürlich gar nichts. Es kostete die SS keine Mühe, dieses „Paradies“ bis zur Befreiung durch die rote Armee fast reibungslos aufrechtzuerhalten.
Von Rolf von Ameln
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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