Im Gedenken an den 27. Januar vor 70 Jahren
Bereits im Juli des Jahres 1944 erreichten die Rotarmisten das KZ Majdanek, aber im gleichen Zeitraum wurden noch fast eine halbe Million ungarischer Juden nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Über sechs Wochen hinweg brennen die Öfen Tag und Nacht. Doch Ende November in diesem Jahr sprenen die SS-Schergen die Krematorien, vernichten die noch vorhandenen Lagerakten und steckt die riesigen Magazine mit den Habseligkeiten der ins Gas geschickten in Brand. Das nahende Ende des Zweiten Weltkrieges schreibt das letzte blutige Kapitel in der Geschichte.
Viele Menschen in Nazi-Deutschland fürchteten dieses Ende und versuchten verzweifelt, vor der herannahenden Front zu fliehen. Doch diejenigen, die den Zusammenbruch des Reiches von Adolf Hitler sehnsüchtig erwarten und die Stunde ihrer Befreiung erhofften, wurden auf Befehl des „Reichsführers SS“, Heinrich Himmler, in das Landesinnere verschleppt. Nicht ein einziger Häftling soll lebend in die Hände der heranrückenden Alliierten fallen. Fürchteten sie ihre Aussagen, mißgönnt man den an Leib und Leben Geschundenen die Rückkehr ins Leben, oder war den Peinigern der Gedanke unerträglich, dass einige ihrer Opfer sie überleben könnten? Von allen Seiten rückten die alliierten Truppen nach Deutschland vor, ein Wettlauf mit dem Tode hatte begonnen.
Die Lager im Osten wurden überhastet evakuiert, in offenen Güterwaggons fuhren die Häftlinge ohne wärmende Decken, Mäntel und Verpflegung durch den eisigen Februar. Es gab Möglichkeiten zur Flucht, aber niemand dieser ausgehungerten und erschöpften Menschen hatte noch die Kraft, sich fortzubewegen. Über das Schienennetz des zerbrechenden Nazi-Reiches fuhren in den letzten Kriegswochen die „Gespensterzüge“ von einem Lager zum anderen, blieben stehen, wurden umgeleitet, hielten und fuhren irgendwann weiter. Von Auschwitz nach Buchenwald, von Buchenwald nach Dachau, von Dachau nach Bergen-Belsen, ohne Ziel und ohne Fahrplan; – nur mit dem einzigen Zweck, ihrer „Fracht“ die letzte Chance auf ein Überleben verweigern zu können. Wenn einmal die Fahrt nach vielen Tagen auf einem Nebengleis, in der Nähe eines Lagers endete und die hölzernen Schiebetüren endlich geöffnet wurden, ist der Waggon oft längst schon eine Leichenkammer. Die Fronten rückten immer rascher zusammen. Viele der Konzentrationslager musste die SS nun überstürzt räumen. Häftlinge, die nicht mehr zum Marsch antreten konnten, wurden noch in letzter Stunde erschossen oder bei lebendigem Leib verbrannt. In Gewaltmärschen trieben die Wachmannschaften vor den Augen der deutschen Bevölkerung ein Heer von Elendsgestalten über die Landstraßen Thüringens und Mecklenburgs nach Schleswig Holstein. Wer unterwegs erschöpft zusammenbricht und am Wegesrand liegenbleibt, erhält den so genannten „Fangschuss“.
Bergen-Belsen, das die letzten Transporte aufnahm, war ein überfülltes Massengrab, eine Todeszone, in der Hunger und Typhus wüteten.
Den alliierten Soldaten, welche die Konzentrationslager befreiten, stockte das Herz. Sie sahen die Galgen und den Prügelbock, die Krematorien und die riesigen Magazine mit Schuhen, Kleidern, Brillen und Menschenhaar. Sie sahen die Kisten voll ausgebrochener Goldzähne an denen noch das Blut der Ermordeten klebte und Eheringe, sie sahen das Buch des Totenschreibers und sie sahen die Menschen – Tote und Sterbende. Als die ersten Bild- und Presseberichte über die unglaublichen Zustände in die Welt gelangten, antwortete die zivilisierte Menschheit mit einem Aufschrei des Entsetzens und der Empörung. Für viele der wenigen, die das Ende überlebten, kam es zu spät. Sie hatten keine Kraft mehr für einen neuen Anfang. Tausende von Häftlingen starben noch in der ersten Wochen nach ihrer Befreiung. Keinerleit Pflege konnte sie mehr retten. Erst nach vielen Tagen machten alliierte Ärzte die grausame Entdeckung, dass viele, die man möglicherweise noch retten konnte, gestorben sind, weil sie zu schwach waren, zu rufen oder den Arm zu heben, so dass man sie unter den Bergen von Leichen unbemerkt liegenließ.
So nahm das „Dritte Reich“ von Hitler und seinen Verbrechern ein Ende. Der Sieg der Alliierten hinderte die Nazis, ihr Programm der Judenausrottung und anderer unerwünschter Elemente zu Ende zu führen. Die Bilanz jedoch war grausam genug. Alle Berechnungen, die durch Vergleich der Bevölkerungsstatistiken, der aufgefundenen amtlichen Dokumente und den Nachforschungen in den Todesfabriken angestellt wurden, kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bis zu sechs Millionen Juden ermordet wurden. Weit über eine Million ging an Hunger und Seuchen zugrunde, fast ebenso viele starben unter den Gewehrschüssen der Exekutionskommandos; – alle anderen jedoch gingen den Weg ins Gas.
Wie das Ende aussah, beschreibt ein „Bildbericht <KZ> des amerikanischen Informationsdienstes“.
Bergen-Belsen: Vier Tage nach der Besetzung Buchenwalds durch unsere Streitkräfte erreichten britische Truppen von General Dempseys XI. Panzerdivision das Gefangenenlager Belsen – zwischen Hannover und Bremen -. Hier fanden sie 28.000 Frauen, 11.000 Männer und 500 Kinder vor. In Belsen herrschte nicht nur Hunger, sondern auch Typhus. Riesige Öfen waren zur Einäscheerung der Leichen errichtet worden, aber in Belsen wie in Buchenwald war die Sterblichkeit zu groß, als daß die Arbeit der Verbrennungsöfen mit der Zahl der täglich Sterbenden hätte Schritt halten können. Außerdem begann auch hier die Kohle immer knapper zu werden. Aus Berichten, die dem britischen Generalarzt vorgelegen haben, geht hervor, daß in den letzten Monaten 30.000 Menschen in Belsen umgekommen sind. Als die Engländer eintrafen, gab es im Lager – neben großen Gruben voll verkohlter Knochenreste – noch eine ganze Anzahl von Leichenhaufen. Jeder Stapel enthielt mehrere hundert nackte, schon in starker Verwesung begriffene Körper. Mit Straßenpflügen schachteten General Dempseys Soldaten lange Gräben aus, in denen je 500 bis 1.000 Leichen bestattet werden konnten. Dann mußten die ehemaligen Wachmannschaften – Männer und Frauen – die Leichen derer herbeitragen, die den Seuchen erlegen, verhungert, erstickt oder erschossen waren. Erst nach einer Woche war es soweit, daß die Leichenhaufen nicht mehr wuchsen, weil man nun endlich die Menschen in den Massengräbern ebenso schnell beisetzen konnte, wie sie gestorben waren.
Und der Bericht einer englischen Parlamentsdelegation kam zu folgendem Ergebnis:
Buchenwald: Die Größe des Lagers kann man daraus ermessen, daß sein maximales Fassungsvermögen mit 120.000 angegeben wird. Am 1. April dieses Jahres (1945) war die Anzahl des Lagers 80.813. Einige Tage vor der Ankunft der amerikanischen Truppen – 11. April – entfernten die Nazis eine große Anzahl Häftlinge, schätzungsweise 18.000 bis 22.000. Einige von denen, die sie zu beseitigen wünschten, weil sie „zuviel wußten“, konnten sich verbergen. Es war unmöglich, eine genaue Schätzung betreffs des Prozentsatzes der im Lager noch verbliebenen Nationalitäten festzustellen; wir fanden viele Juden und nichtjüdische Deutsche vor, Polen, Ungarn, Tschechen, Franzosen, Russen, Belgier u.a. Ein eingehender Bericht, der uns von Vertretern eines antifaschistischen Komitees überreicht wurde, gab an, daß die Gesamtzahl derjenigen, die in Buchenwald oder unmittelbar nach ihrer Überführung von dort in einem sog. „Vernichtungslager“ gestorben oder getötet worden sind, 51.572 betrug – hiervon mindestens 17.000 seit 1. Januar 1945… Obgleich die Reinigungsarbeit im Lager schon über eine Woche vor unserer Ankunft im Gange war und die Verhältnisse sich schon erheblich gebessert haben mußten, war unser erster und auch fortdauernder Eindruck der eines unglaublichen allgemeinen Schmutzes; der Gestank der Verwesung und Krankheit verpestete noch den ganzen Platz. Eine der ersten Hütten, die wir betraten, war eine der besten…
Diese Baracke war eine derjenigen, die jetzt als Durchgangshospital für einige der schwersten Unterernährungsfälle benutzt werden. Viele waren unfähig zu sprechen, sie lagen im Dämmerzustand oder folgten uns mit ihren Augen. Einige sprachen frei und zeigten uns ihre Wunden und schlimmen Schrammen und Beulen, welche durch Tritte und Schläge hervorgerufen sein konnten. Sie lagen auf der Erde, auf und unter Decken. Alle waren in einem Zustand vollständiger Abmagerung. Die amerikanischen Behörden teilten uns mit, daß seit ihrer Ankunft die Todeszahl von etwa 100 auf 35 pro Tag herabgesunken wäre. Die gewöhnliche Kleidung war ein zerrissener Rock, Weste oder Baumwolljackett, worunter Oberschenkel hervorsahen, die nicht dicker waren als normale Handgelenke. Ein halbnacktes Skelett, das mühselig wie auf Stelzen den Gang entlangkam, richtete sich auf, als es unsere Gesellschaft sah, lächelte und grüßte. Die medizinischen Mitglieder unserer Delegation waren der Überzeugung, daß ein Prozentsatz derselben wohl nicht überleben würden, selbst bei der Behandlung, die sie jetzt genossen, und daß ein noch größerer Prozentsatz der wahrscheinlich weiterleben könnte, mit Sicherheit für den Rest des Lebens traumatisiert, krank und arbeitsunfähig sein würde.
Ein „Abschlussbericht“ von Doktor Georg Straka beschreibt folgendes:
Bergen-Belsen: Getrieben von Hieben, begannen sie manchmal plötzlich vorwärts zu gehen wie eine Herde Vieh, einer den anderen stoßend. Es war unmöglich, ihren Namen aus ihnen herauszubekommen. Das freundlichste Wort hatte nicht die Kraft, sie zum Sprechen zu bewegen. Ein langer, starrer, ausdrucksloser Blick war alles. Wenn sie den Versuch machten, zu antworten, konnten ihre Zungen den Gaumen nicht erreichen, um einen Ton hervorzubringen. Man wurde nur ihres vergifteten Atems gewahr, der aus den Eingeweiden zu kommen schien, die sich schon im Zustand der Zersetzung befanden. So sahen die Transporte im Winter 1944/45 aus, in dem Winter, in welchem der Tod eine ungeheure Zahl der Internierten in den letzten drei Monaten vor unserer Befreiung forderte.
Trotz der hier geschilderten Grausamkeiten war und bleibt eines der menschenverachtendsten Todesfabriken der Nazis ein KZ, das man nie vergessen wird: AUSCHWITZ!
Von Rolf von Ameln
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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