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Deutsche Zeitgeschichte: Eichmanns Gründung einer jüdischen Zeitung

Nach dem „Anschluss“ Österreichs lässt Adolf Eichmann, der in Wien die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ aufbaut, als Ersatz für die eingestellte jüdische Presse ein Wochenblatt gründen, dessen titel er selber auswählt: „Zionistische Rundschau“.

Sie hat unter seiner Regie den Auswanderungsgedanken im Sinne des SD zu propagieren. Erstmals erscheint sie am 20. Mai 1938, nach der „Reichskristallnacht“ nicht mehr. Wie alle jüdischen Blätter im „Altreich“ wird auch sie bereits am 8. November verboten – dies als „Vergeltungs“- und Demütigungsmaßnahme  für das Attentat des 17-jährigen Herschel Grynspan auf Ernst vom Rath. Vierzig Jahre danach schrieb Herbert Rosenkranz, der im Jahre 1938 im Alter von vierzehn Jahren Österreich verließ und fast ein Jahrzehnt als Exilant in Riga beziehungsweise als Internierter in der Sowjetunion leben musste, was die „Zionistische Rundschau“ für die jüdische Bevölkerung zu bedeuten hatte: Sie habe, „einen unschätzbaren Beitrag zur Stärkung der Moral und Aufrichtung gedemütigter und verzweifelter Menschen“ geleistet.

Diese überschwängliche Bewertung des Blattes verwundert, wenn man bedenkt, dass Adolf Eichmann seinen Vorgesetzten versichert hatte, dieses Blatt würde „gewissermaßen meine Zeitung“ werden. Vier Wochen nach dem Novemberpogrom in Nazideutschland kommt der SD mit dem „Büro des Kulturbundes“ im Licht der Einstellung der „Zionistischen Rundschau“ überein, am Konzept eines selbständigen Organs festzuhalten und ein „besonderes Nachrichtenblatt für die Juden in der Ostmark“ herauszugeben. Die Idee dahinter ist, ein Blatt in der Hand zu haben, um den Juden relevante Anweisungen und Entscheidungen umweglos zur Kenntnis bringen zu können. Tatsächlich erscheint kurz darauf in Wien eine Zeitung, als deren Verleger der „Zionistische Landesverband für Deutschösterreich“ fungieren muss. Ihr Titel lautet: „Jüdisches Nachrichtenblatt Wien“.

Jüdisches Nachrichtenblatt

Es ist aber keine Parallelausgabe zu dem in Berlin erschienenen „Jüdischen Nachrichtenblatt“, wie ab und an in der Fachliteratur behauptet wurde, sondern ein eigenes, zweimal pro Woche erscheinendes Medium. Seine erste Ausgabe erscheint am 13. Dezember 1938. Das „Jüdische Nachrichtenblatt Wien“ behandelte Fragen der Auswanderung, so waren hier unter anderem Ratschläge für Ansuchen um die Ausstellung von Reisepässen und Informationen über Einreisebstimmungen zu finden. Mit Berichten aus „Immigrationsländern“, allen voran Palästina, vermittelte es Zuversicht auf ein gesichertes Leben außerhalb der Heimat. Die zweite Ausgabe unter dem Generaltitel „Die jüdische Wanderung“ führte dieses Thema fort, unter anderem mit Stimmungsberichten aus landwirtschaftlichen Siedlungen in Palästina. Diese Propagierung der Auswanderung entsprach den Vorgaben des Nazi-Regimes, entsprang jedoch vermutlich aber auch dem Entsetzen der zuständigen Redakteure über die infamen Kommentare zur Pogromnacht, am blutgierigsten ausgestoßen am 30. November 1938 von der im niederöstereichischen Krems erscheinenden „Land Zeitung“: „Mit Stumpf und Stiel die Juden ausrotten, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das ist die Parole der Zukunft für die deutsche, die nationalsozialistische Jugend.“

Redaktionell gestaltete Beiträge über die jämmerliche Lage der Juden in Wien musste sich das „Jüdische Nachrichtenblatt“ versagen. Vermittelt aber wird diese dennoch, untergebracht in Aufrufen der Kultusgemeinde, für das Jüdische Winterhilfswerk zu spenden. Im ersten Aufruf heißt es: „Jede Spende lindert Leid und bringt einen Lichtstrahl in die dunklen Stuben des Elends..!“ Der zweite Spendenaufruf artikuliert Angst vor einer „fremden, unbekannten Welt“, verbunden mit Beklommenheit darüber, ob man sich diesen neuen Verhältnissen wird anpassen können. Viel größere Sorgen äußert der Aufruf darüber, dass der Auswanderer „alte Eltern, liebe Familienangehörige“ zurücklassen muss, „in vielen Fällen ohne Existenzmittel, bitterer Not preisgegeben.“

Das Blatt versucht aber auch, über den Umweg eines Spendenaufrufes zum Widerstand zu ermutigen: „Das Geschick soll uns nicht niederbeugen, wir wollen versuchen, ihm unsere seelische Kraft entgegenzusetzen.“ Eine weitere Gelegenheit zu einem derartigen Aufruf bietet sich dem „Jüdischen Nachrichtenblatt Wien“ nicht. Es wird nach der zweiten Ausgabe verboten. Als Grund dafür gibt Rosenkranz an, dass „der panikartige Auswanderungsgedanke“, der für den „Ton“ dieses Wochenblattes bestimmend gewesen sei, den Nazis missfallen habe. Seiner Begründung steht der Vorschlag des Propagandaministeriums an den SD entgegen, dem im „alten Reichsgebiet“ erscheinenden ´Jüdischen Nachrichtenblatt` ein Beiblatt beizulegen, das in Österreich gedruckt wird und insbesondere für die Anordnungen der Zentralstelle sowie der in Österreich besonders erlassenen Verordnungen und Gesetze bestimmt ist“. Dieser Vorschlag wird mit Beginn des Jahres 1939 realisiert. Die Ausgabe Wien des „Jüdischen Nachrichtenblatts“, herausgegeben vom „Jüdischen Kulturbund in Deutschland“ und zensiert von Adolf Eichmann, wird erst am 31. Dezember 1943 eingestellt.

Die Parole von Goebbels lautete:“ Die Berichterstattung über die Ereignisse der Nacht  vom 9. zum 10. November hat mit äußerster Vorsicht zu erfolgen, und es soll geschrieben werden, dass die Synagogen sich selbst entzündet oder sonstwie in Flammen aufgegangen seien.“

Von Rolf von Ameln

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 29/10/2014. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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