Bis zum Jahre 1945 wurden 8,5 Millionen ausländische Zivilisten zur Arbeit in dem von den Nazis regierten Deutschen Reich verpflichtet; zunächst als Fremdarbeiter, jedoch spätestens ab 1942 als Zwangsarbeiter. Sie sollten die deutschen und österreichischen Männer ersetzen, die an der Front kämpften. Insbesondere die Zwangsarbeiter aus Osteuropa mussten unter erbärmlichsten Bedingungen leben und arbeiten. Über 150.000 von ihnen überlebten das nicht oder wurden Opfer von Morden. Im Sommer des Jahres 1944 hatte sich das öffentliche Straßenbild in den Städten des Reiches drastisch verändert. Nicht nur war der größte Teil der Männer im wehrfähigen Alter zum Militär eingezogen worden; immer öfter begegnete man ausländischen Arbeitern, schließlich auch immer mehr KZ-Häftlinge in ihrer gestreiften Kleidung, die in den Städten Zwangsarbeit verrichten mussten.
Je länger der Krieg dauerte und je schwieriger die Lage der Wehrmacht wurde, desto mehr Menschen kamen zwangsweise aus den besetzten Gebieten, um in Deutschland und Österreich die einheimischen Männer zu ersetzen. Diese Entwicklung war nicht ganz neu. Schon lange vor Ausbruch des Krieges waren so genannte Saisonarbeiter ins Reich gekommen, etwa Polen, die bei der Ernte halfen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 liefen diese „Werbeaktionen“ weiter, nun jedoch untr vollkommen veränderten Bedingungen. Polen hatte innerhalb weiniger Wochen nicht nur eine verheerende Niederlage erlitten, viele der polnischen Bürger waren durch Kriegszerstörung und deutsche Politik der Ausbeutung arbeitslos geworden. Ähnlich erging es bald vielen Franzosen und Holländern. Viele von ihnen fielen auf die Werbekampagnen des Nazi-Regimes herein und gingen mehr oder weniger freiwillig ins Reich.
Etwas anders lag die Angelegenheit in den Gebieten, welche die Wehrmacht Hitlers in den Jahren 1941/42 eroberte. Hier hatte es zwar bald Anwerbungskampagnen für Litauer und andere gegeben, Hitler sträubte sich jedoch, Einwohner aus der Sowjetunion ins Reich zu holen, da sie die Bevölkerung angeblich mit dem Bolschewismus infizieren würden. Und dennoch begann auch hier noch im Herbst 1941 allmählich die systematische Anwerbung. Die Jahreswende 1941/42 wurde zum Wendepunkt der deutschen Arbeitskräftepolitik. Immer mehr deutsche und österreichische Soldaten fielen an der Ostfront und mussten durch Männer aus dem Reich ersetzt werden. Um den Mangel an Arbeitskräften zu kompensieren, wurde jetzt die Zwangsrekrutierung von Ausländern im großen Stil organisiert. Zuständig war die neue Behörde des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, geleitet vom thüringischen Gauleiter Fritz Sauckel.
Noch im Jahre 1942 sollten Millionen neuer Arbeitskräfte ins Reich kommen, vor allem aus der Sowjetunion. Mit der freiwilligen Anwerbung war es nun vorbei, jetzt ging es nur noch um die Erfüllung von „Menschenquoten“. Ganze Teams von deutschen Arbeitsämtern fuhren in den Osten, um die Rekrutierungen zu organisieren. Wehrmacht, Polizei, SD und SS machten nun Jagd auf alle Einheimischen, vor allem im Alter von 16 bis 45 Jahren. Männer sollten vor allem in die Großindustrie, Frauen in die Landwirtschaft oder als Helferinnen in deutsche Familien gebracht werden. Nicht selten liefen derartige Rekrutierungsmaßnahmen unter dem Einsatz massiver Gewalt ab; so wurde ein Kino oder eine Kirche umstellt, um anschließend die Besucher festzuhalten, die Arbeitsfähigen auszusortieren und ins Reich zu schicken.
Immer jünger wurden die so Zwangsrekrutierten, schließlich wurden gar 12-und 14-Jährige aus den sowjetischen Gebieten deportiert. Da auf dem Lande kaum noch Jugendliche zu finden waren, gingen die Besatzungsbehörden in der Sowjetunion dazu über, bei den Anti-Partisanenaktionen internierte oder aus dem Gefechtsfeld vertriebene Zivilisten zu rekrutieren. Nicht selten wurden kurzerhand ganze Familien in Güterwaggons gesteckt und nach Deutschland verfrachtet. Durch den – eingeschränkt möglichen – Briefverkehr zwischen den Zwangsarbeitern im Reich und ihren Familien in der Heimat erfuhr man in den besetzten Gebieten von den Lebensbedingungen im Reich und gerade die Jugendlichen setzten alles daran, vor den Razzien der Nazis unterzutauchen. Im Verlaufe des Krieges kamen so letztendlich über 8,5 Millionen ausländische Zivilarbeiter ins Reich, nicht mitgerechnet die Kriegsgefangenen oder KZ-Häftlinge, die dort ebenso hart arbeiten mussten.
Die größte Gruppe unter ihnen stellten die etwa 2,8 Millionen „Ostarbeiter“, die in der Sowjetunion, zumeist in der Ukraine, zwangsrekrutiert worden waren und das diskriminierende „Ost“-Zeichen auf der Kleidung tragen mussten, ähnlich wie die etwa zwei Millionen Polen mit ihrem „P“-Kennzeichen. Die Osteuropäer wurden besonders schlecht behandelt und von der Gestapo strengstens kontolliert. Sie waren zumeist bei schweren Arbeiten in der Montanindustrie eingesetzt, ohne Arbeitsschutz, miserabel verpflegt und nicht selten den Schikanen ihrer deutschen Vorarbeiter ausgesetzt. Ein wenig besser gestalteten sich die Verhältnisse in der Landwirtschaft. Hier waren die Zwangsarbeiter in die Familien der Bauern integriert, besonders die Polen in katholischen Gebieten. Auch zahlreiche Westeuropäer, vor allem Franzosen, kamen in die Landwirtschaft im Reich. Besonders schlecht ging es hingegen den italienischen Kriegsgefangenen, die nach dem Wechsel des Landes auf die alliierte Seite seit 1943 nach Deutschland kamen.
Gegen das geltende Völkerrecht machte man sie zu „Italienischen Militärinternierten“, also vermeintlich zivilen Zwangsarbeitern. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Reich variierten erheblich. Die Osteuropäer wurden oft kaserniert und unter strengsten Bedingungen gehalten. Sie liefen auch am ehesten Gefahr, kriminalisiert zu werden. Wer angeblich schlecht seine Arbeit verrichtete oder gar Widersetzlichkeiten zeigte, wurde von der Gestapo in Haft genommen und zunächst in so genannte Arbeitserziehungslager, schließlich aber auch in Konzentrationslager eingewiesen. Für die Osteuropäer galt ein Sonderrecht, und sehr viele von ihnen wurden in Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Schließlich gingen die deutschen Behörden massiv gegen schwangere „Ostarbeiterinnen“ vor: Sie wurden in vermeintliche „Entbindungsheime“ eingewiesen, wo man ihre Neugeborenen so schlecht behandelte, dass sie starben. Wer psychisch erkrankte, dem drohte die Ermordung in den Todesanstalten der „Euthanasie“.
Heute schätzt man, dass mindestens 150.000 der Zwangsarbeiter ihren Aufenthalt im Nazi-Reich nicht überlebten, möglicherweise lag die Zahl der Toten noch erheblich höher. Die Reichsdeutschen reagierten ambivalent auf die neue „Unterschicht“, die so in ihre Heimat kam. Im Kern gab die Nazi-Propaganda vor, wie gerade mit Osteuropäern umzugehen war, nämlich mit Distanz und der Attitüde der „Herrenrasse“. Auch drohte bei allzu freundlichem Umgang mit den Zwngsarbeitern eine Denunziation. Im Großen und Ganzen haben sich die Deutschen und die Österreicher auch daran gehalten. Nicht wenige Vorarbeiter, Werkschutzleute oder Arbeitskollegen nutzten ihre neue „Machtstellung“ aus oder misshandelten gar die Zwangsarbeiter. Doch gab es auch – wenn auch wenige – Fälle heimlicher Solidarität bis hin zu Liebesbeziehungen, die aber streng geahndet werden konnten. Nach Kriegsende 1945 verschwand dann allmählich die Erinnerung insbesondere an die „Russen“, und erst in den 1980er-Jahren wurde sie wieder zum politischen Thema.
Für viele der Zwangsarbeiter war jedoch der Leidensweg auch nach der Befreiung 1945 nicht zu Ende. Gerade die „Ostarbeiter“ wurden zwangsweise in die Sowjetunion zurück transportiert und von der dortigen Geheimpolizei als Verdächtige behandelt. Viele landeten im Gulag, gar mancher durfte nicht mehr an seinen Heimatort zurückkehren, und die meisten blieben Zeit ihres Lebens diskriminiert. Erst in den 1990er-Jahren bequemte sich die deutsche Politik, Entschädigungszahlungen zu leisten. Doch die meisten der ehemaligen Zwangsarbeiter erlebten dies nnicht mehr!
Von Rolf von Ameln
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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