Am Donnerstag, den 12. Juni gegen 22 Uhr warten drei Schüler im Alter von 16 und 19 Jahren an einer Bushaltestelle in der Nähe einer Busstation an der Geva’ot Kreuzung, um von ihren Schulen nach Hause zu fahren. Sie hoffen, einen Autofahrer zu finden, der sie mitnimmt.
Am gleichen Tag war in der wöchentlichen Ausgabe der IDF Zeitung „Bemachane“ (im Trainingslager) eine Warnung erschienen: “Treffen Sie Sicherheitsmaßnahmen. Gefahr von Entführungen. Eine große Zunahme der Zahl der per-Anhalter-fahrenden Soldaten…”
Trampen ist oft der einzige Weg, um gewisse Strecken außerhalb der großen Zentren zurückzulegen. Mordechai Kedar schreibt in seiner „Analyse einer Entführung“ : Im “Staat Judäa und Samaria” ist die Atmosphäre ganz anders – dort gibt es ein starkes Gefühl von Gemeinschaft, Solidarität, gegenseitigem Vertrauen und Offenheit, und das “Trampen” basiert auf dem Gefühl des Trampers, dass der Fahrer “einer von uns” ist und ihn nie verletzen würde genau so wenig wie er den Fahrer verletzen würde.
Dieses Vertrauen in ihren Mitmenschen war für die drei tödlich.
Zwei der jungen Männer, Gilad Shaar und Naftali Fraenkel, 16 besuchten die gleiche Schule, Eyal Yfrach, 19, studierte an einer anderen Yeshiwa, er kannte die beide anderen nicht.
Über den Ablauf der ersten Stunden nach der Entführung gibt es nur Vermutungen. Sicher kann man erst dann sein, wenn zumindest einer der beiden mutmaßlichen Terroristen festgenommen und befragt worden ist. Und das kann noch einzige Zeit dauern.
Gegen 22:15 stiegen die drei in das Fahrzeug ihrer Mörder ein. Sie müssen schnell erkannt haben, dass die beiden Männer vor ihnen im Auto nicht einfach freundliche Mitmenschen waren, sondern dass sie entführt worden waren. Einem der Entführten, Gilad Shaar, gelang es, um 10:25 einen Notruf bei der Polizei abzusetzen. Die Notrufe wurde heute veröffentlicht. Es ist unglaublich, dass dieser Anruf von der Polizei nicht ernst genommen wurde Er ist so klar, so unmissverständlich. Ein unverzeihliches Vorgehen. Die zuständigen Beamten wurden mittlerweile vom Dienst suspendiert.
Die verzweifelte und mutige Tat eines 16 Jährigen. Aber dennoch wurde damit vielleicht ihr Schicksal besiegelt. Die Terroristen änderten ihre Pläne. Sie mussten nun damit rechnen, auf Grund der Ortung des Telefons sofort verfolgt zu werden, bevor sie einen sicheren Unterschlupf finden konnten. Der eigentliche Plan, für die drei jungen Männer palästinensische Gefangene freizupressen war gescheitert.
Wahrscheinlich erschossen sie ihre Opfer bereits wenige Minuten nach der Entführung.
Die Namen der beiden Hauptverdächtigen, Amar Abu-Eisha und Marwan Kawasmeh, beide aus Hebron wurden am 26. Juni bekannt gegeben. Obwohl in Israel die Unschuldsvermutung in einem regulären Strafprozess gilt, werden bei Terrorakten die Namen der Hauptverdächtigen in dem Moment bekannt gegeben, in dem für die zuständigen offiziellen Stellen die Täterschaft nahezu feststeht. In diesen Fall verfolgte man die Spur bereits am Tag nach der Entführung.
Die Terroristen sind nach der Ermordung dann noch einige Minuten weiter gefahren. Das Tatfahrzeug wurde gewechselt, das bisher benutzte Fahrzeug in Brand gesetzt.
Mit einem bis heute nicht bekannten Auto fuhren die Terroristen noch einige Minuten bis zu einem landwirtschaftlichen Grundstück, welches der Familie Kawasmeh gehört.
Sie dürften die Leichen der drei Ermordeten in größter Eile versteckt haben.
Gegen 03:00 am Freitagmorgen wurde der Vater einer der Entführten bei der Polizei vorstellig und meldete seinen Sohn als vermisst. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden IDF und Shin Bet informiert.
Gegen 12:30 fanden palästinensische Polizisten ein ausgebranntes Fahrzeug, von dem unmittelbar nach den ersten Untersuchungen feststand, dass es im Zusammenhang mit der Entführung eingesetzt worden war. Angeblich fand man im ausgebrannten Wrack ein verschmortes Handy und die Überreste eines typischen Schülerrucksacks.
Um diese Zeit kursierten bereits die ersten Gerüchte, die sich im Netz und mit WhatsApp rasend schnell verbreiteten. Man sprach davon, dass zwei der drei Entführten bereits wieder freigelassen worden seien. Und auch davon, dass bei einer Militäraktion fünf Terroristen umgekommen seien.
Am Freitag 13.Juni, um 17:05 beendete ein Militärsprecher die Unsicherheit und bestätigte die Entführung.
Es folgten Tage voller Unsicherheit und Hoffnung. Die Mütter der drei zeigten sich stark und optimistisch. Wo immer sie auftraten, es kamen nie anklagende Worte von ihnen. Dass der arabisch dominierte UN Menschenrechtsrat unmittelbar nach der Rede von Rachel Fraenkel Schmähungen gegen Israel anbrachte, zeigt welcher Geist in der UNO weht.
Am Sonntag, 29.06. fand auf dem Rabin Platz in Tel Aviv eine Großveranstaltung statt. Zehntausende, darunter auch zahlreiche Politiker versammelten sich zu einer Solidaritätsveranstaltung, während in ganz Israel kleinere Treffen stattfanden. Die Hoffnung ist ungebrochen, die Solidarität grenzenlos.
Knapp 24 Stunden dann die traurige Gewissheit: Gilad Shaar, Naftali Fraenkel und Eyal Yfrach sind tot.
Gestern am 30. Juni wird gegen Abend veröffentlich, dass die Leichen der drei Terroropfer gefunden wurden. Schüler einer lokalen Feldschule hatten sich für die Mithilfe an der Suche angeboten und sie waren es, die die das provisorische Grab fanden. Im terrassierten Akkerland fiel ihnen ein Gestrüpp auf, das nicht in die Landschaft passte. Als sie unter dem offensichtlich entwurzelten und dort hin gelegten Gebüsch aufgeschichtete Steine fanden, war klar, was sie vor sich hatten.
Heute fand die Beisetzung der drei Ermordeten, die noch gestern offiziell zu Opfern des Terrors erklärt wurden, auf dem Friedhof in Modi‘in südlich von Jerusalem statt.
Die Suche nach den Terroristen geht weiter, sie werden gefunden werden und sie werden ihre Strafe erhalten.
Ganz Israel hat gestern und heute getrauert. Hier und dort kam es zu unschönen Demonstrationen, die niemandem helfen. Für die Eltern, Geschwister, Familien und Freunde beginnt nun die harte Zeit, in der sie sich ihrer Trauer stellen müssen.
Wir dürfen wieder zum Alltag zurückkehren, mit drei kollektiven Narben mehr, eingebrannt in unsere Seelen.
Von Esther Scheiner
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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