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Die Deutschen im Dritten Reich: Die antisemitische Kampagne der NSDAP

Die antisemitische Kampagne der NSDAP und die Berichterstattung der Presse – Hetze und Gewalt

Im Jahre 1935 setzte die antisemitische Anhängerschaft der NSDAP eine zweite Welle judenfeindlicher Übergriffe und Ausschreitungen in Gang, unterstützt durch Hetzartikel in der nationalsozialistischen Presse. Das erste Ziel des antisemitischen Mobs im Frühjahr des Jahres 1935 waren jüdische Geschäfte: Eingänge wurden blockiert, Kunden fotografiert, Fensterscheiben beklebt oder zertrümmert, und es kam zu Demonstationen.

Attakiert wurden außerdem vor allem Juden, die wegen ihres intimen Umgangs mit Nichtjuden der „Rassenschande“ bezichtigt wurden. In Badeanstalten und Freibädern wurden Zwischenfälle organisiert, die häufig mit der Verbannung von Juden endete, und Aktivisten der Nazipartei drängten mehr und mehr darauf, an Ortseingängen „Warntafeln“ aufzustellen, die den jeweiligen Ort für „judenfrei“ erklärten. Seit dem April des Jahres 1935 schaltete sich auch die Nazipresse verstärkt ein. Einige Parteizeitungen machten es sich dabei zur Aufgabe, die Namen von „artvergessenen Frauenspersonden und jüdischen Rasseschändern“ zu veröffentlichen. Die Hintergründe für diese neue antisemitische Welle waren komplex.

Schutzpolizei und SA überprüfen Ausweise von Juden, Berlin, Mitte April 1933. Foto: Archiv/RvAmeln.

Schutzpolizei und SA überprüfen Ausweise von Juden, Berlin, Mitte April 1933. Foto: Archiv/RvAmeln.

Ganz allgemein handelte es sich um den Versuch, zwei Jahre nach der „Machtergreifung“ die Unzufriedenheit und Apathie der Bevölkerung aufzufangen und die offenkundigen Missstände auf das Wirken von inneren Störenfrieden und Feinden zurückzuführen. Die nach wie vor miserable wirtschaftliche Lage sollte dem Einfluss der Juden in der Wirtschaft zugeschrieben werden; für das weit verbreitete Gefühl von Unsicherheit und Bedrückung, das angesichts der alltäglichen Repression in der Diktatur empfanden und das sich in Kritik an der Kirchenverfolgung und dem Bonzentum der Partei äußerte, sollten Regimegegner verantwortlich gemacht werden. Mit der Aufgabe von Kontakten zu Juden sollte die Bevölkerung nach außen hin ihr Einverständnis mit der Politik des Regimes signalisieren und dokumentieren, dass sie erfolgreich einen Lernprozess durchlaufen hatte und nund die Auffassung der Partei teilte, die „Judenfrage“ sei der Schlüssel der Probleme des „Dritten Reiches“.

Die Gesetze, die diese Segregation im Einzelnen regelten, konnten als logische Folge der Ausschreitungen betrachtet werden: Angsichts der heftigen antisemitischen kamen sie lediglich dem lautstark demonstrierten „Volkswillen“ nach. Es gab jedoch Anzeichen dafür, dass die antijüdische Kampage sich im Laufe des Monats Mai 1935 in zwei Hauptunruhegebieten, im Rheinland und in Westfalen, bereits wieder abzuschwächen begann. Gegen eine Fortsetzung der Aktionen hatten sich unter anderem der Stellvertreter des Führers in einem Aufruf vom 11. April und der Reichswirtschaftsminister Schacht in einer Denkschrift von Anfang Mai gewandt. Diese öffentlichen Aufrufe wurden durch eine ganze Reihe interner Stellungnahmen – darunter auch von Leitern diverser Gestapodienststellen – gestützt und auch die Außenpolitik spielte erneut eine Rolle. Als England, Frankreich und Italien im April 1935 auf die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland mit der gemeinsamen Erklärung von Stresa ragierten, sah sich das „Dritte Reich“ wieder der Gefahr außenpolitischer Isolierung ausgesetzt.

Hitler verkündete in seiner Reichtgsrede vom 21. Mai –  wieder einmal – seinen Willen zum Frieden. Die Hoffnungen konzentrierten sich auf die Perspektive, mit Großbritannien zum Abschluss eines Flottenabkommens zu kommen. Tatsächlich fanden nach zwei Monate andauernden Vorbereitungen deutsch-britische Verhandlungen statt, die am 18. Juni in die Unterzeichnung des Flottenabkommens mündeten. Da Verhandlungen jedoch in der britischen Öffentlichkeit umstritten waren, betrachtete das Regime antijüdische Ausschreitungen insbesondere im Mai und Juni 1935 als außerordentlich kontraproduktiv. In einer Reihe von Gauen setzten sich die Parteiaktivisten auch im Monat Mai über die Befriedungsanstrengungen der Parteiführung hinweg, nicht zuletzt wegen der heftigen antisemitischen Agitation der Parteipresse bis etwa Mitte Mai. Besonders eklatant zeigte sich dies in der „Hauptstadt der Bewegung“, in München.

Zunächst störten Trupps von NS-Anhängern am 18. Mai eine Sammelaktion der katholischen Caritas und griffen im Zuge der Tumulte, die daraufhin in der Münchner Innenstadt ausbrachen, auch jüdische Geschäfte an. Eine Woche später, am 25. Mai, erzwangen NS-Anhänger in Zivil, meist Angehörige der SSVerfügungstruppe, eine Blickade der jüdischen Geschäfte in der Münchner Innenstadt; wieder kam es zu Tumulten, außerdem zur offenen Konfrontation mit der Polizei. Die Münchner Vorfälle, die so gar nicht zu dem Bild eines zur Völkerverständigung bereiten Deutschland passen wollten, wurden in der Presseberichterstattung lapidar und uniform behandelt: Ende Mai konnte man in den meisten überregionalen Zeitungen eine Mitteilung der Polizeidirektion München lesen, welche die jüngsten „Störungen“ in München – über die der Leser hiermit zum ersten Mal unterrichtet wurde – auf regimfeindlicheTerrorgruppen“ zurückführte.

Nun erließen verschiedene Parteidienststellen Aufrufe, die sich in scharfer Form weitere, ähnlich gelagerte „Aktionen“ wandten – ein Wendepunkt: Die Parteiführung trat den Unruhestiftern energisch entgegen und dämmte die Ausschreitungen – wenn auch nur für kurze Zeit – weitgehend ein. Enstprechend hielt sich die Parteipresse in ihrer antisemitischen Agitation weitgehend zurück. Als Initialzündung für die Wiederaufnahme der antijüdischen Kampagne fungierten die „Kurfürstendammkrawalle“ in Berlin. Bereits im Juni hatten in zwei Berliner Bezirken allabendlich Demonstationen von HJ-Angehörigen vor jüdsichen Geschäften stattgefunden. Gegen Ende des Monats hatten sie das ganze Stadtgeiet erfasst. Da die Ereignisse dem offiziellen Beschwichtigungskurs der Parteiführung zuwiderliefen, fanden sie in der allgemeinen Presse selbstverständlich keinen Niederschlag.

Mitte Juli konzentrierten sich die Aktivitäten auf ein am Kurfürstendamm gelegense Kino, das den sntisemitischen schwedischen Spielfilm „Petterson und Bendel“ aufführte. Am Abend des 15. Juli versammelte sich vor dem Kino eine größere Menschenmenge, die jüdische Passanten tätlich angriff und in die umliegenden Lokale eindrang, um jüdische Gäste regelrecht herauszuprügeln. Die Vorgänge wiederholten sich am folgenden Abend. Goebbels selbst steckt dahinter. Als Gauleiter von Berlin hatte er sich bereits am 30. Juni gegen vermeintliche Versuche von Juden gewandt, „sich wieder beitzumachen„. Und der von ihm herausgegebene „Angriff“ hatte am 15. Juli zu dieser Demonstration aufgerufen, weil die Aufführung des Films angeblich durch jüdische Besucher gestört worden war: „Es gibt immerhin Nationalsozialisten, die etwas mehr Erfahrung in der Aufrollung von Sitzreihen besitzen als Kurfürstendammherren. Wir wissen, dass wir es mit einer routinierten Masse zu tun haben, die immer wieder eine harte Hand verspüren muss. Die harte Hand bedeutet: Juden werden in Berlin nicht noch einmal demonstrieren.“

Die Krawalle hatten nicht nur unerwünschte Schlagzeilen in der internationalen Presse zur Folge, sondern waren auch geeignet, die Autorität der Berliner Polizei zu untergraben, die sich in der offenen Konfrontation mit den Demonstanten verunsichert gzeigt hatte. Gelöst wurde der Konflikt durch die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Levetzkow, auf den Goebbels geschickt die Verantwortung für die Ereignisse ablud. Die Schlagzeile des „Angriff“ vom 19. Juli sollte verdeutlichen, dass Goebbels erneut die politische Führung in der Hauptstadt übernommen hatte: „Berlin wird gesäubert von Kommune, Reaktion und Juden. Dr. Goebbels räumt in seinem Gau auf..!“ Überall im Reichsgebiet erreichten die antisemitischen Ausschreitungen im August 1935 ihren Höchststand. Erst nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze im September flauten sie ein wenig ab, um wenige Zeit später auf brutale Art und Weise fortgeführt zu werden. Und das Geheime Staatspolizeiamt schrieb am 28. Mai 1935 folgenden Brief an den Reichsjustizminister:

Betr. Jüdische Mischehen.

Arische Volksgenossen, die mit einem Angehörigen der jüdischen Rasse die Ehe geschlossen haben, sind der deutschen Volksgemeinschaft verloren. Im Hinblick darauf, dass ihre Nachkommen nicht reinblütig sind, können ihnen nach nationalsozialistischen Grundsätzen die Rechte arischer Volksgenossen nicht zuerkannt werden. Die Anfechtung einer Ehe zwischen einem arischen und einem nichtarischen Ehepartner wegen der besonderen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Rassen ist nach einer Entscheidung des Reichsgerichts praktisch nicht mehr möglich, da seit Bekanntgabe des nationalsozialistischen Programms ein Irrtum über die Rassenzugehörigkeit als persönliche Eigenschaft in der Regel ausgeschlossen sein dürfte. Im Interesse der Reinerhaltung der Rasse scheint jedenfalls die Verhinderung der Eheschließung zwischen Ariern und Nichtariern ein notwendiges Erfordernis. Trotz der umfangreichen Aufklärung ist jedoch die Erfahrung gemacht worden, dass weite Kreise des deutschen Volkes die Schändlichkeit der  jüdischen Rasse noch nicht in vollem Umfang erkannt haben.

Aus dieser Unkenntnis ist es zu erklären, dass auch heute noch viele Mischehen geschlossen werden. Solange diese Frage jedoch nicht gesetzlich geregelt ist, ist den beteiligten Behörden die Möglichkeit zum Einschreiten nicht gegeben. In mehreren Fällen ist es der Staatspolizei zwar gelungen, durch Vorladung des arischen Teils und durch eingehende Aufklärung über die auch für die Nachkommen entstehenden Nachteile die beabsichtigte Eheschließung in letzter Stunde zu verhindern, wobei fast immer festgestellt werden konnte, dass dieser Schritt in völliger Verkennung der Folgen getan werden sollte. Es hat sich aber herausgestellt, dass die Tätigkeit der Staatspolizei in dieser Hinsicht nur geringe Wirksamkeit haben kann, solange ihr nicht alle den Standesämtern gemeldeten Fälle dieser Art bekannt werden.

Ich habe deshalb bei dem Herrn Reichsminister des Inneren angeregt, den Standesbeamten aufzugeben, Fälle der beabsichtigten Eheschließung zwischen Arieren und Nichtariern den örtlichen Staatspolizeidienststellen bekanntzugeben, damit von diesen durch Vorladung und Aufklärung der Eingehung einer Mischehe entgegengearbeitet werden kann. Ich bitte, dafür eintreten zu wollen, dass in dieser für die Reinerhaltung der Rasse überaus wichtigen Frage baldige gesetzliche Regelung die zur Zeit bestehenden Schwierigkeiten aus dem Wege räumt.

In Vertretung

(Unterschrift)

Am 16. September 1935 meldete die Nazipresse die Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze, und das Unheil konnte ungestraft seinen Lauf nehmen.

Von Rolf von Ameln

Redaktion Israel-Nachrichten.org

 

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Von am 24/06/2014. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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