Schweizer Regierung am Gängelband von Terroristen? Teil 2
Marcel Gyrs’ Buch „Schweizer Terrorjahre – das geheime Abkommen mit der PLO“, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2016, ISBN 978-3-03810-145-1, will helfen, diese Fragen zu beantworten und den Sachverhalt zu beschreiben.
Die Podiumsdiskussion am 8. März 2016
Seine Motivation, sich nach so vielen Jahren mit dem Thema zu beschäftigen, war ein Leserbrief, in dem vorgeschlagen wurde, dass man, nachdem die Hinterbliebenen der Opfer von Würenlingen nicht entschädigt worden sind, doch zumindest einen Teil der Gelder, die die Schweiz alljährlich der PLO zu Verfügung stellt, den Hinterbliebenen auszahlen solle. Entsprechende Anfragen an den Vorsteher des Justizdepartements seien entweder nicht beantwortet, oder mit dem Kommentar man könne nichts mehr machen, weil das Verbrechen verjährt sei, abgewunken worden.
Marcel Gyr kommt in seinem Buch zum Schluss, dass es ein Stillhalteabkommen zwischen der Schweiz und der PLO gegeben hat, welches auf Schweizer Seite durch den damaligen Aussenminister Pierre Graber ausgehandelt worden sei. Die Vereinbarung hätte als Gegenleistung für das Ende des Terrors in und gegen die Schweiz ein Büro bei der UNO in Genf enthalten, was einer deutlichen Aufwertung der PLO auf dem internationalen Parkett bedeutete. Was ist aber heute, 46 Jahre nach dem Deal, noch so schlimm an einem von der Schweiz tolerierten Büro der PLO in Genf, dass man über das Abkommen immer noch nicht offen reden und es auch nicht offen dokumentieren darf?
Schweizer Regierung am Gängelband von Terroristen?Diese Frage versucht NR Heer in seiner Funktion als Präsident der GPK (Geschäftsprüfungskommission) des Nationalrates zu beantworten. Er hält die von Marcel Gyr dargelegten Fakten für schlüssig, sieht sie aber dennoch nicht als zu 100 % belegt an. Sollte es dieses Geheimabkommen geben, dann sei, so sagt er, vor allem, wenn darin die Einstellung der Strafverfahren zugebilligt worden seien, der Rechtsstaat eingebrochen. Es wurde daher eine AG innerhalb der GPK gebildet, die bis Ende April 2016 dem Bundesrat neue Erkenntnisse vorlegen soll, was damals wirklich von wem ausgehandelt wurde. Als zweite Massnahme sieht er zusätzlich die Bildung einer aus sechs Personen bestehenden GP Delegation an, die mit deutlich weitreichenderen Befugnissen, wie die volle Akteneinsicht, auch in sogenannte Geheimakten, ausgestattet ist.
Prof. Cavalli wechselt auf sein bekanntes Lieblingsthema Israelkritik und Palästinalob, bevor er sich, wie er es formuliert mit dieser nebulösen Geschichte, in der sicher auch Streitigkeiten zwischen Tagi und NZZ eine Rolle spielen, auseinandersetzen möchte. Rasch fallen Begriffe wie Apartheidsituation, besetzte Gebiete, Terrorkrieg gegen Gaza, Zersiedelung des Landes, ein Einheitsstaat wird kein jüdischer Staat sein. Wer sich für die gesamte Philippika interessiert, kann sie im Video ab Min 15:18 verfolgen. Aber es muss gesagt sein, mein Respekt gilt Prof. Cavalli, dass er sich bereiterklärt hat, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, obwohl ihm klar ein musste, dass er dort keine, seinen verschwurbelten Meinungen zustimmenden Claqueure finden würde!
Auf die konkrete Frage, ob er nun von den Abkommen etwas wisse, ob die Schweiz sich deshalb am Gängelband von Terroristen befände, antwortete er nichtssagend, dass dies wohl nicht das erste Mal sei, aber er wisse es nicht und niemand wisse es….. An dieser Stelle glaubte er, Noam Chomsky zitieren zu müssen, der die USA als den grössten Terrorstaat schlechthin bezeichnet, und macht auch gleich Werbung für ein Buch dieses Israel-hassenden und viel Schaden anrichtenden Gesinnungsgenossen. Seine Antwort auf die konkrete Frage bleibt so nebulös, wie er die „ganze Geschichte“ nennt.
Als 1970 dieses Stillhalteabkommen beschlossen worden sein soll, war die PLO ganz eindeutig als Terrororganisation definiert. War es, so lautete die nächste Frage an Prof. Niggli, wenn man es nicht politisch oder rechtsstaatlich betrachtet, erlaubt oder verboten mit einer derartigen Organisation ein solches Abkommen zu schliessen? Auch, wenn es nur mit einem Handschlag und nicht in der Papierform besiegelt wurde?
Die Antwort des Juristen ist auch für juristische Laien nachvollziehbar: „Wenn Sie das Recht ausser Kraft setzen, spielt es keine Rolle, ob Sie dies für einen befreundeten Staat oder für eine Terrororganisation tun. Es heisst, irgendjemand entscheidet, was er für richtig oder falsch hält.“ Für Prof. Niggli ein höchst bedenkliches Vorgehen. Eine strafrechtliche Ahndung hält er grundsätzlich immer für möglich, schwächt aber ab, wenn man dies tun will. Er geht davon aus, dass eine Anklage von Pierre Graber z. B. unter dem Rechtstitel Amtsmissbrauch möglich gewesen wäre. Andererseits hätte der sich sicherlich auf die Notstandsperspektive berufen und sein Handeln als nur dem Wohle der Schweiz dienend interpretiert. Kaum widerlegbar, aber trotzdem bedenklich, wenn der, der in einem solchen Fall alleine handelt, auch alleine entscheidet, was „das Wohl“ ist.
In der Annahme, dass die im Buch verfochtene These korrekt ist, was sich auch von daher ableiten lässt, dass es in und auf die Schweiz keine weiteren Terrorakte mehr gab, war unter diesen Umständen das Abkommen gerechtfertigt?
Prof. Cavalli weicht wiederum der Beantwortung aus. „Die Anerkennung der PLO war überfällig und das ist damit vielleicht geschehen. Man sollte aber die Definition einer Terrororganisation und von Terrorakten diskutieren. Jede Befreiungskampagne hat irgendwann einmal Terrorakte ausgeübt.“ Eine in diesem Zusammenhang unhaltbare Aussage, die sofort von Herrn Wigdorovits gestoppt wird: „Sind also die 47 Getöteten von Würenlingen nur ein kleiner Nebenschauplatz?“ Prof. Cavalli, nun offensichtlich aus dem Konzept gebracht, verneint und vergleicht stattdessen den PLO-Terror mit der PKK und dem jüdischen Widerstand gegen die britischen Besetzer.
Jean Ziegler, Parteifreund und seinerzeit junger Nationalrat, SP, verfügte schon damals über gute Kontakte zur PLO und ihre Organisationen. Er soll, neben BR Graber der zweite Pate der Verträge gewesen sein. In einem Interview vom 20. Januar 2016 mit dem Echo der Zeit beschreibt er ausführlich seine Rolle im Umfeld der Verhandlungen und die Beweggründe, die BR Grabher dazu gebracht haben, das Abkommen zu akzeptieren. „Er hat nur im Interesse des Landes gehandelt.“ Knapp einen Monat später will Jean Ziegler davon nichts mehr wissen: „Ich bin heute verwirrt und erstaunt, dass es nicht zur Anklage und nicht einmal zu einem internationalen Haftbefehl kam. Aber ich weiss nicht, was die Gründe für die Passivität des Bundesanwalts gewesen sind.»
Vielleicht hat Prof. Cavalli diesen Zickzacklauf Zieglers auch im Kopf, als er, auf diesen angesprochen spontan sagt „Ziegler behauptet viel!“ und für diese, seine vielleicht einzige ehrliche Aussage des Abends mit Lachen und Applaus belohnt wird. So gestärkt kommt er zur Aussage „Ich hätte unter der Bedrohung von Terrormassnahmen kein Stillhalteabkommen unterzeichnet, wenn ich BR gewesen wäre. Aber ich hätte zu diesem Zeitpunkt die PLO anerkannt.“
Und dann kommt der Rössli Sprung in den sicheren Bereich „Wie soll man über etwas sprechen, von dem man nicht weiss, ob es das gibt oder nicht. Als Arzt bin ich es gewohnt über Fakten zu sprechen. Täte ich das nicht, würde ich alle meine Patienten töten.“
NR Heer beantwortet die von Sacha Widgorovits an ihn weitergegeben Frage erst, nachdem er die kruden Ausführungen von Prof. Cavalli, der immer unruhiger wird, zur PLO korrigiert hat. Diese sei, so sagt er, ganz klar eine Terrororganisation. Das Sprengen eines Flugzeuges sei kein heroischer Befreiungskampf, sondern ein feiger, durch nichts zu rechtfertigender Angriff. Mit solchen Organisationen dürfe die Schweiz kein Abkommen abschliessen. Vor allem auch deshalb nicht, weil ja der Terror, wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Schweiz, weitergegangen sei. Dieser müsse gemeinsam mit den betroffenen Staaten bekämpft werden. Solange die Hamas Raketen auf Israel schiesst, wird es dort keinen Frieden geben. Dafür darf aber nicht Israel beschuldigt werden. NR Heer hofft, dass es bei der PLO irgendwann einmal vernünftige Kräfte geben wird, die versuchen werden, halbwegs demokratische Strukturen zu schaffen.
Prof. Niggli bestätigt, dass es durchaus Momente und Situationen gibt, wo die Politik Vorrang vor der Rechtsstaatlichkeit hat. Der damalige BR habe klar zu verstehen gegeben, dass man mit der Freilassung der Terroristen, die beim EL-AL Anschlag beteiligt waren und deren Abschiebung nach Ägypten ausserhalb der Legalität gehandelt habe, dass aber ein übergesetzlicher Notstand an Menschlichkeit vorgelegen habe. Die Frage sei aber, wer diesen Notstand als gegeben definiere. Heute, so seine eher pessimistische Einstellung, sei die Situation nicht grundsätzlich anders. So tragisch der damalige Vorfall auch gewesen ist, ein nationaler Notstand sei durch die 47 Toten nicht begründet worden. Dass man sich damals trotzdem auf diesen Notstand berufen hat, ist für ihn nicht das Problem. Der echte Skandal, so Prof. Niggli ist, dass man etwas tut und es dann bestreitet, getan zu haben.
Für NR Heer ist, und das ist nach dieser, leider nicht in allen Punkten befriedigenden und Thema zentrierten Podiumsdiskussion, ein gutes, professionelles Schlussstatement, die Frage, ob das eingestellte Strafverfahren im Fall Würenlingen Teil des Deals war, und nicht, ob das Verfahren überhaupt in dieser Form ausgehandelt wurde. Das ist die Frage, die der BR versuchen wird, in den kommenden Monaten zu klären.
Danke an Dani Brandt für die Planung und Durchführung der Veranstaltung!
Von Esther Scheiner
Fotos und Video: Klaus Rózsa | photoscene.ch
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